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Kirche in WDR 4 | 03.11.2023 | 08:55 Uhr
Wir sind der Wald
Guten Morgen!
Endlose Wälder. Unzählige Flüsse. Manche von ihnen sind gewaltige breite Ströme. An den Flüssen entlang bauen Menschen ihre Häuser auf Stelzen. Wir sind auf Borneo. Das ist nach Grönland und Neuguinea die drittgrößte Insel der Welt; der größte Teil gehört zu Indonesien.
Bei unserer Reise über die Insel sehen wir überall die Wunden, die der Mensch dieser faszinierenden Natur zufügt. Um an Tropenholz zu kommen, werden die Wälder gerodet. Vielerorts muss der Urwald endlosen Palmölplantagen weichen. Die Kohleminen tun ihr Übriges. Aus dem Flugzeug sieht man überall die Brände, die den Wald vernichten. Der Mensch hat sie gelegt, um das Land für sich nutzbar zu machen. Dabei wird auch der Lebensraum vieler Tiere zerstört. Junge Orang-Utans verlieren ihre Mütter, die sie eigentlich über viele Jahre aufziehen. Wir besuchen eine Aufzuchtstation für Orang-Utans. Aufwändig versuchen sie hier, die jungen Orang-Utans auf die Auswilderung vorzubereiten. Das dauert Jahre.
Auch für die ursprünglichen Bewohner der Insel ist die Zerstörung des Waldes eine Katastrophe. Die Ureinwohner werden als Dayak bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich um viele unterschiedliche Völker. Den Namen „Dayak“ haben sie einmal von Kolonialherren erhalten. Die bezeichneten damit die aus ihrer Sicht Wilden und Ungebildeten.
Später kamen die Missionare. Sie begegneten den Dayak mit großem Respekt für ihre Lebensweise, für ihre Kultur und Geschichte. Und so klang der Name Dayak aus ihrem Mund nicht mehr nach Unterdrückung. Schließlich verwendeten die Ureinwohner diese Bezeichnung mit Stolz für sich selbst – bis heute.
In der Begegnung mit den Dayak habe ich viel gelernt - insbesondere von ihrem ganz besonderen Verhältnis zur Natur. Ein Satz, den ich von dieser Reise nach Borneo nicht vergessen werde, lautet: „Wir leben nicht im Wald. Wir sind der Wald.“ Für die Dayak ist der Wald der Ort, an dem ihre Ahnen leben. Deshalb begegnen sie ihm mit allergrößtem Respekt. Wenn ein Stück Land kultiviert werden muss, dann fragen sie den Wald um Erlaubnis. Jemand sagte: „Wenn die Missionare unseren Vorfahren beigebracht hätten, dass es die Ahnen nicht gibt, dann hätten wir den Wald vielleicht genauso ausgebeutet oder zerstört, wie andere es tun. Er wäre nur noch ein Objekt gewesen. Aber das ist für uns unmöglich.“
Viele der Dayak sind heute Christen. Der Glaube, dass Gott unsere Welt geschaffen hat, ist für sie von zentraler Bedeutung. Dieser Glaube hat sich verbunden mit ihrer traditionellen Sichtweise auf die Natur. So steht die Schöpfung viel mehr als zumeist bei uns im Mittelpunkt des Glaubens und Denkens. Das zeigt sich bis hinein in die Ausbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer. Die Schöpfung, von der wir ein Teil sind, gehört uns nicht; sie ist uns anvertraut, dass wir sie bewahren und erhalten und sie an die nächste Generation weitergeben. Für die Dayak hängt so viel davon ab, dass es gelingt, ihren Lebensraum zu bewahren.
Ich bin überzeugt davon, dass wir davon viel lernen können. Gerade angesichts der Klimakrise brauchen wir viel mehr von diesem Respekt gegenüber der Schöpfung.
Es grüßt Sie Ihr Dietmar Arends, Landessuperintendent aus Detmold.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze