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Kirche in WDR 4 | 11.10.2023 | 08:55 Uhr
Mikroabenteuer
Diese Abenteuer, die weder viel Geld noch viel Planung kosten, die sollen Menschen ermöglichen, aus dem Alltag zu entfliehen. Mal was anderes zu erleben. Sich mal anders zu erleben.
Wenn ich davon lese, denke ich immer: Ist bestimmt spannend. Und: Aber eher nichts für mich.
Ein Wald, in dem es nachts knackt und knistert… für mich kein Abenteuer, sondern eher eine Horrorvorstellung. Und dann noch die Ameisen und überhaupt…
Zugleich kann ich der Idee was abgewinnen, es mal anders zu machen als üblich. Und auch, dieses „anders“ ganz klein anfangen zu lassen. Letztens dachte ich, vielleicht wären Mikroabenteuer in Sachen Nächstenliebe was für mich.
Ich fange mich dem Autofahren an. „Wenn mein Lenkrad reden könnte“, denke ich ja oft. Das hat nämlich reichlich Flüche und Beschimpfungen von mir mitgekriegt. Ich bin nämlich eine von den Wenigen, die weiß wie das geht, mit dem Autofahren, wenn Sie verstehen, was ich meine…
Meine „Mehr-Nächstenliebe-Mikroabenteuer“ beim Autofahren sehen derzeit so aus, dass ich Menschen in den Kreisverkehr in den Kreisverkehr lasse, obwohl ich nicht müsste. Dass ich immer öfter tief durchatme, statt mich aufrege, wenn sich jemand nicht an Vorfahrtsregeln hält. Und beim Durchatmen versuche ich mich daran zu erinnern, dass das vermutlich keine Absicht war. Ist mir schließlich auch schon passiert, dass ich erst danach gemerkt habe: Ups, der andere hätte fahren können. Und eins ist mir klar: Falls es kein Versehen war, dass mir da jemand gerade die Vorfahrt genommen hat – mein nachträgliches Geschimpfe wird ihn oder sie nicht davon überzeugen, beim nächsten Mal korrekt zu fahren.
Weniger Hupe, weniger Geschimpfe, mehr „fahren Sie ruhig“ Winken, mehr Anlächeln statt Augenrollen, so könnte man meine bisherigen Microabenteuerversuche zusammenfassen. Im Wagen vor mir fährt einer mit 80 statt 100? Wer weiß, vielleicht traut er/oder sie sich nicht, denke ich neuerdings. Und dass diese 2 Minuten, die ich später ankomme, am Ende des Tages nicht entscheidend sind. Ich versuche davon auszugehen, dass die anderen auch nicht ins Auto gestiegen sind, um sich oder anderen den Tag zu vermiesen. Schließlich wollen die Allermeisten einfach nur gut und sicher am Ziel ankommen. Und dabei sind auf der Strecke zig kleine Entscheidungen zu treffen, Regeln zu befolgen und unendlich viel erfordert unsere Aufmerksamkeit. So gesehen ist jede Autofahrt mindestens ein Mikroabenteuer.
Mein Lenkrad wundert
sich vermutlich über meine neue Gelassenheit. Aber ich kann ihnen sagen: Es
verändert tatsächlich was: Ich bin während der Fahrten deutlich entspannter.
Und ich merke deutlich: ob ich genervt aussteige oder nicht, liegt mehr in
meiner Hand, als ich bisher dachte.
