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Kirche in WDR 4 | 28.11.2023 | 08:55 Uhr
Der alte, grüne Käfer
Guten Morgen.
Dunkelgrün ist er. Und damals, Ende der Achtziger, schon ein Klassiker. Der alte „Käfer“, mit dem mich mein Vater fahren lässt. Ich bin noch jung und kürzlich stolzer Besitzer eines Führerscheins geworden. Und dass ich ans Steuer des Zweitwagens darf, ist für mich wie ein kleines Wunder. Zweitwagen – klingt edel, ist aber eigentlich abenteuerlich. Denn mein Vater hat sein Leben lang nur gebrauchten Autos vertraut. Ein Neuwagen kommt ihm nicht ins Haus. Und so ist auch dieses Gefährt gefühlt historisch. Der dunkelgrüne Käfer mit grader, statt gewölbter Frontscheibe, irgendwo aus den Sechzigern. Und so fahren wir mit diesem alten Schätzchen regelmäßig in die Werkstatt in Duisburg-Obermeiderich, der mein Vater vertraut und die kostengünstig schraubt. Dafür lohnt sich die halbe Stunde Fahrt.
Auf dem Weg zu einem dieser Werkstattbesuche, mein Vater fährt mit seinem Wagen voraus, werde ich geblitzt und anschließend von einem Polizisten aus dem Verkehr gezogen. Seine Uniform ist genauso grün wie mein Käfer: „Sie wissen, dass Sie zu schnell gefahren sind?“, fragt der Polizist. Dass ich versucht habe am Wagen meines Vaters dranzubleiben und auf dem Weg zur Werkstatt um die Ecke bin, ändert nichts an der Tatsache, dass ich mir gerade meinen ersten Strafzettel eingehandelt habe. Und dann will ich weiterfahren. Ich will – aber der Wagen nicht. Diese Probleme beim Starten sind mit ein Grund für den Werkstattbesuch, aber das hilft mir jetzt auch nicht. Ich bin aber nicht allein. Mein Freund und Helfer, der Polizist, steht schon bald neben dem Wagen und legt mir nahe, den zweiten Gang einzulegen. Und dann schiebt er mit seinem Kollegen meinen Käfer. „Kupplung kommen lassen,“ ruft er, ich gehorche ihm und der Käfer mir und er läuft und läuft bis zur Werkstatt.
Was ich dem Beamten in grün verschwiegen habe: Ich kann gar nicht sehen, wie schnell ich fahre. Mein Tacho ist kaputt. Klar, das Auto rollt auch ohne Geschwindigkeitsmesser. Aber um Gefahren zu vermeiden, ist der Tachometer durchaus wichtig. Ohne dass er aktiv in mein Fahrverhalten eingreift, ist er ein Wertesystem, an dem ich mich orientieren kann. Eine Instanz, die mir sagt, Zuwenig oder Zuviel. Zu schnell, zu langsam. Der Tacho sorgt ganz objektiv für Sicherheit –, während mein Fahrgefühl schon mal daneben liegen kann. Mein Tacho und die Geschwindigkeitsbegrenzung zeigen mir was Entscheidendes: Spielregeln sind wichtig, damit andere nicht unter die Räder kommen. Jesus gibt mir so einen goldenen Tacho mit auf meine Lebensreise: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden möchtest.“ (Die Bibel, Lukas 6,31 (NLB))
Du brauchst Respekt? Dann respektiere auch andere. Du willst, dass andere die Wahrheit über dich reden, nicht lästern? Gebe auch du nicht der Versuchung nach, Halbwahrheiten und Gerüchte über andere zu verbreiten. Du willst gerechte Bezahlung, faire Chancen? Dann bezahle auch du andere fair, ob nah oder fern, setze dich für Gerechtigkeit ein. Das ist so viel wert: Respekt. Dem anderen Menschen gegenüber. Dem Leben und der Liebe. Respekt vor dem Schöpfer.
Dieser goldene Tacho-Satz erlaubt mir auch mal Tempo rauszunehmen. Rücksichtsvoller und entspannter unterwegs zu sein. Weniger gefährlich und mehr glücklich. – Gott verspricht: Wenn ich so respektvoll lebe, wird mein Leben nicht armseliger, sondern reicher sein.
In diesem Sinn: Sichere Fahrt und gute Reise wünscht Ihnen, Patrick Depuhl aus Alpen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze