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Kirche in WDR 4 | 20.11.2023 | 08:55 Uhr

Spiro heißt „ich lebe“

Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist, ist das Wochenende leider auch schon wieder vorbei. Tja. Und was machen Menschen so an Wochenenden? Zum Beispiel Familientreffen. Wie wir neulich. Meine Cousine Ulrike hat uns allen bei dieser Gelegenheit ein kleines Büchlein geschenkt. Das Büchlein erzählt die Geschichte meiner Familie. Und da ist auch eine Geschichte von meiner Oma drin, von der ich noch nie gehört hatte und die mich seitdem nicht mehr loslässt.

Meine Oma ist in Nieheim geboren. Das liegt in Ostwestfalen. Und im Elternhaus ihres Vaters hat eine jüdische Witwe gelebt. Sie hieß Clara Spiro und hatte zwei Töchter. Berta und Ilse. In Nieheim wohnten damals viele jüdische Familien. Im Internet gibt es dazu eine eindrucksvolle Seite. Clara Spiros Mann jedenfalls war Soldat im ersten Weltkrieg und ist dort umgekommen. Frau Spiro und meine Oma waren Freundinnen und haben sich gut verstanden. Und diese Freundschaft hat auch angedauert, als meine Oma mit meinem Opa nach Kürten ins Rheinland umgezogen ist. Denn Clara Spiro hat meine Oma dort ein paar Mal besucht.

Dann beginnt die Nazi-Zeit. Und auch für Familie Spiro wird es gefährlich. Berta Spiro gelingt 1938 mit ihrem Mann die Flucht in die USA. Und meine Tante berichtet in dem Büchlein, meine Oma und mein Opa hätten Clara und ihrer zweiten Tochter Ilse angeboten, zu ihnen ins Rheinland zu kommen. Der Plan war, sie auf ihrem Bauernhof zu verstecken. Diese Idee hat Frau Spiro aber abgelehnt. Die Gründe sind nicht ganz klar. Meine Tante vermutet, sie wollte meine Oma und ihre Familie nicht in Gefahr bringen. Meine Oma hat darüber später wohl noch oft gesprochen. Und meine Tante erzählt, es sei zu spüren gewesen, dass sie sich Vorwürfe gemacht hatte, Frau Spiro nicht genug gedrängt und überredet zu haben. Ilse Spiro ist mit ihrem Mann in die Niederlande geflüchtet. Beide sind 1942 nach Warschau deportiert und vermutlich dort umgebracht worden. Clara Spiros Spur verliert sich. Das Gedenkbuch für die Holocaustopfer im Bundesarchiv führt sie als „verschollen“. Vermutlich also wurde auch sie ermordet.

Im Büchlein meiner Cousine gibt es ein Foto von Clara und Ilse Spiro. Es ist in einem Garten aufgenommen. Clara Spiro sitzt am Gartentisch. Ihre Tochter Ilse hinter ihr, ihre Hand liegt auf der Stuhllehne. Und es scheint, als schauten beide auf die Blumen, die auf dem Gartentisch stehen. Und beide lächeln. Dieses friedliche, liebevolle Foto berührt mich ungemein. Clara und Ilse Spiro. Spiro heißt auf Deutsch übersetzt übrigens: „Ich lebe, ich atme.“ Ausgerechnet.

Heute ist wieder Montag. Ich bin aufgestanden. Und – spiro – ich lebe. Ich atme ein. Und wieder aus. Ich schaue Clara und Ilse auf dem Foto an. Und denke: Spiro heißt für mich wenigstens zu versuchen, gegen das Grauen anzuleben. Wo immer ich es kann. Wie meine Oma. Wie Millionen Menschen auf der Welt. Wo immer sie es können. Nicht nur an einem Montagmorgen.

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