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Kirche in WDR 4 | 10.01.2024 | 08:55 Uhr
Wirf deine Ängste in die Luft
Guten Morgen.
Ich liebe Postkarten! Ich kaufe Sie gerne, und ich lasse mir auch gerne welche aus dem Urlaub schicken.
Und jetzt wohne ich ja noch nicht so lange in meinem neuen Zuhause, und der Briefkasten macht mich fertig! Der Schlüssel ist ein nachgemachter. Er klemmt, quietscht und hakt – und der Briefkasten lässt sich einfach nicht öffnen! Jedes Mal also, wenn ich nachsehen will, ob es Post gegeben hat, quetsche ich genervt eine Hand in den Briefkastenschlitz – meist mäßig erfolgreich. Wenn ich aber ehrlich bin, ist nicht der Briefkasten das Problem, sondern der Rest drum herum: Die neue Wohnung; alles steht noch nicht an seinem Platz; das Neusein – irgendwie ist das gerade alles etwas viel. Da wäre so eine schöne Postkarte aus einem fernen Land oder mit einer witzigen Botschaft mal genau das Richtige. Neulich dann habe ich es jedoch geschafft und konnte mir eine Postkarte aus dem Briefkasten angeln. Keine Briefmarke, kein Poststempel, nur meine Adresse und eine Zeile sind drauf: „Wirf‘ deine Ängste in die Luft.“
„Komisch“, denke ich mir. „Wenn es doch so einfach wäre.“ Doch bevor ich sie weglege, entdecke ich, dass da unten in der Ecke noch etwas steht: „Fürchte dich nicht!“
Genau 365 Mal steht der Satz „Fürchte dich nicht“ in der Bibel. Für jeden Tag des Jahres.
Offenbar wussten die biblischen Autoren ganz genau, dass wir diesen Zuspruch immer wieder nötig haben. Denn Angst gehört zu uns Menschen dazu. Jede und jeder von uns weiß, wie es ist, Angst zu haben: Die Angst vor der Dunkelheit und vor den eigenen Abgründen. Das unerträgliche Herzklopfen beim Warten auf die Diagnose. Die Verzagtheit vor einer Prüfung und die Sorge zu versagen. Die Angst um die Liebe und die Angst, sie zu verlieren. Die Angst vor dem Verlust von Position und Arbeitsstelle. Die Angst vor den rasanten Umwälzungen in unserer Gesellschaft und dem globalen Chaos in der Welt. Die Angst, das eigene Leben nicht mehr in der Hand zu haben. Und nicht zuletzt die Angst vor dem Tod. Wir haben das Leben nicht ohne die Furcht. Ein Einfaches: „Wirf deine Ängste in die Luft“ hilft da irgendwie nicht. Da braucht es mehr: Einen, den man gerne mal vergisst. Er rückt gerne mal in die linke, untere Ecke unseres Alltags – wird zur Randnotiz. Aber letztlich ist er doch immer da: Gott. Ich glaube daran: Er ist an unserer Seite. Er möchte uns die notwendige Kraft geben, neu anzufangen. Den Mut, an uns selbst zu glauben und den Willen, auch schwierige Situationen durchzustehen. Denn: „Gott hat uns nicht gegeben, den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1,7, Die Bibel, Luther 2017)
Glauben bedeutet also nicht, keine Angst mehr zu haben.
Glauben bedeutet auch nicht, die Angst zu verdrängen und sich stark zu geben. Der Glaube aber kann die Angst verändern: in Kraft, zu Besonnenheit und zu Liebe!
Wie kommt jetzt aber diese Postkarte in meinen Briefkasten? Keine Ahnung. Ich muss nicht alles wissen, merke ich. Wichtig ist: Gott ist da, nimmt mich ernst und gibt mir Kraft, Besonnenheit und Liebe. Und er schreibt anscheinend gerne Postkarten.
Einen guten Tag wünscht Ihnen, Pfarrerin Veronika Grüber aus Bad Salzuflen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze