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Kirche in WDR 4 | 07.03.2024 | 08:55 Uhr
Was ist Wahrheit
Guten Morgen. Manchmal laufen meine Gedanken einfach durcheinander in meinem Hirn als wollten sie miteinander fangen spielen – leider oft schon vor dem Frühstück.
Und manchmal entwickelt sich auch ein Gedanke nach dem anderen oder die durcheinanderlaufenden verbinden sich mit etwas, das ich mal gelesen oder gelernt habe. Und am Ende stehe ich staunend vor einer neuen Erkenntnis.
Ich glaube, so ging es auch dem katholischen Theologen und Philosophen Thomas von Aquin, der heute vor 750 Jahren gestorben ist. Er hat viel über Gott nachgedacht. So hat er Gott als „unbewegten Beweger“ bezeichnet. Ähnlich wie vorher auch der griechische Philosoph Aristoteles, dessen Schriften er gerne gelesen hat.
Als Pfarrerin frage ich mich natürlich, wie ich heute angemessen von Gott sprechen kann.
Was ist Wahrheit? Auch über diese Frage hat Thomas von Aquin intensiv nachgedacht. Jetzt könnte man vermuten, dass er seine Antwort ganz kompliziert formuliert hat. Ja, natürlich, denn die Frage ist ja auch nicht ganz leicht zu beantworten. Aber Thomas von Aquin hat alles auch in einem kurzen Satz auf den Punkt gebracht: „Wahrheit ist die Übereinstimmung zwischen dem, was wir denken, und dem, was ist.“ Klar, oder? „Wahrheit ist die Übereinstimmung zwischen dem, was wir denken, und dem, was ist.“
Toll, finde ich diese Antwort. Denn wie oft höre ich Anderes: Fake News sagt man heute dann dazu. Oder Halbwahrheiten. Menschen behaupten etwas und sagen, dass es wahr sei. Dabei ist es glatt gelogen. Oder sie denken nur, dass es wahr sei, überprüfen es aber nicht an der Realität und verbreiten es mit Schwung. Manche haben das, was sie sagen, nicht genauer durchdacht. Thomas von Aquin sagt: Guck die Wirklichkeit an, nicht nur das, was Du gerne hättest. Oder das, wovon Du träumst. Oder das, wovor Du Angst hast. Nein, guck die Wirklichkeit an.
Ich persönlich ertappe mich immer wieder, dass ich etwas meine oder für wahr halte, obwohl die Wirklichkeit eine andere ist. Neulich noch, da spielten meine Gedanken wieder einmal fangen in meinem Kopf, und ich glaube, es waren auch ein paar Ängste mit unterwegs. Ich fühlte mich zurückgesetzt, weil ich auf eine E-Mail keine Antwort bekommen habe. Habe ich was falsch gemacht? Hätte ich anders formulieren müssen? Fangenspielen der Gedanken in meinem Kopf. Überflüssig. Denn die Wirklichkeit war diese: Da hatte jemand meine E-Mail einfach nur übersehen und deshalb nicht geantwortet. Meine Nachfrage am Telefon hat alles geklärt. So habe ich meine Gedankenspirale unterbrochen und mich entschieden, den Realitätscheck zu machen.
Thomas von Aquin hat mir und uns allen dieses tolle Instrument zur Selbstdiagnose an die Hand gegeben. Überprüfe, ob Denken und Realität übereinstimmen. (1)
Auch bei meinem Fragen nach Gott hilft mir Thomas von Aquin. Er sagt: Es ist nicht gegen die Vernunft an Gott zu glauben. Ich muss meinen Verstand nicht an der Garderobe abgeben, wenn ich mich entscheide, Gott zu vertrauen und mich Gott anzuvertrauen. Ich kann selbständig denken und wie Thomas von Aquin in tiefster Ehrfurcht mit den Worten der Psalmen beten:
Gott, du erforschst mich und kennst mich. (…)
prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine.
Sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege. Amen.
Einen Tag mit guten Erkenntnissen wünscht Ihnen
Gerlinde Anders, Schulpfarrerin in Leverkusen.
Quellen:
1 vgl. https://www.perlentaucher.de/buch/thomas-von-aquin/quaestiones-disputatae.html, letzter Zugriff am 1.1.2024.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze