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Kirche in WDR 4 | 19.04.2024 | 08:55 Uhr
Fastenbrechen
Guten Morgen,
die runden Tische im türkischen Feiersaal sind festlich gedeckt, alles in cremefarben. Für jeden wird eine Dattel gereicht und dann die leckere Linsensuppe, die ich schon aus den Vorjahren kenne. Aber vorher spricht der Imam - der muslimische Vorbeter - noch ein Gebet. Dann geht es los mit dem Essen, und die Anwesenden stürmen das Buffet. Die muslimischen Gäste, die den ganzen Tag bis Sonnenuntergang gefastet haben, können es kaum erwarten. Auch wenn ihnen die Suppe schon fast reicht. Schließlich dauert die Fastenzeit, der Ramadan, schon eine Zeit und der Körper stellt sich auf weniger Nahrung ein. Für mich ist das Fastenbrechen diesmal schon wie eine Einladung zu Freunden. Schließlich begegnen wir uns auch übers Jahr immer öfter. Und jedes Jahr lädt die Union der türkischen und muslimischen Vereine in Krefeld und Umgebung an einem Abend im Ramadan Menschen aus der Stadtgesellschaft und aus den christlichen Gemeinden und der jüdischen Gemeinde zusammen mit Vorständen aus den Moscheegemeinden zu einem gemeinsamen Essen ein. Das ist wunderbar. Hier begegnen sich nicht nur Menschen der unterschiedlichen Religionen. Manchmal treffe ich dort Gemeindemitglieder aus christlichen Gemeinden nach längerer Zeit zum ersten Mal wieder. Nie vergessen werde ich das erste Fastenbrechen nach Corona, die erste Gelegenheit, wieder im größeren Rahmen zusammenzukommen. Jedes Jahr wird auf den Sinn des Fastens und des Fastenbrechens am Abend Bezug genommen. Das Fasten lenkt den Blick weg vom Unwesentlichen auf das Wesentliche. Hin auf Gott und auf den Nächsten. Im letzten Jahr war ich dabei, als Frauen in einer Moscheegemeinde 200 Essen ausgegeben haben, selbst gekocht für Gemeindemitglieder. Während der Pandemie haben sie das Essen sogar noch in die Wohnungen gebracht. Was für ein soziales Engagement. Das Fastenbrechen endet übrigens mit einem Dankgebet des Imam, und dann löst sich die Veranstaltung auf. Kein ausuferndes Gelage ist das. Fasten und Fastenbrechen sind religiöse Rituale.
“Lasst uns Christen doch auch mal so eine Einladung aussprechen”, tönt es seit einiger Zeit von allen Seiten. Und: “Was wäre denn ein geeigneter Anlass dafür in unserem religiösen Kalender?” Unsere christliche Fastenzeit vor Ostern endet mit den Osterfrühstücken und Ostereiern an den Feiertagen. So wie der Ramadan mit dem Zuckerfest. Das ist quasi unser Fastenbrechen nach dem Motto: Nicht Leiden und Entbehrung stehen am Ende, sondern Leben pur. Nicht Gewalt und Tod, sondern Freude und Lebendigkeit.
Oder wir nehmen Erntedank im September. Da danken wir Gott ganz bewusst für das, was wir zum Leben haben, und wir tragen zusammen, was in den Gärten oder auf den Feldern gewachsen ist. Wir kochen was Leckeres daraus und feiern ein Fest. Und viele Gemeinden verteilen die Ernte an die Tafel, an Kitas, an Tagesaufenthalte für Wohnungslose oder an die Bahnhofsmission. Wir entscheiden uns: Dieses Fest nehmen wir für unsere Gegeneinladung. Dieses Jahr also dann eine große Essenseinladung an unsere muslimischen Freundinnen und Freunde, Vertreterinnen und Vertreter weiterer Religionen, des Stadtrates, der Vereine und, und, und. Gemeinsam mit Menschen aus den Krefelder Kirchengemeinden wollen wir dann feiern. Besser kann man das Miteinander in der Stadt nicht pflegen.
Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3
Findet Ihre Barbara Schwahn, Krefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze