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Kirche in WDR 4 | 28.03.2024 | 08:55 Uhr
Ich bin frei
Ich liebe diese Geschichte. Und zwar deshalb,
weil sie mich und meine Kirche wie keine andere gleichzeitig ermutigt und
ermahnt. Denn mit dem, was Jesus da macht, sagt er mir: Wenn Du mir nachfolgen
möchtest, dann mach dich frei von allem Dünkel. Lös Dich von Deiner Sehnsucht
nach Macht, Deinem Wunsch nach Ansehen. Sondern diene. Mach Dich klein. Sei da
für andere. „Der eigentliche Gottesdienst der Christen“, hat der frühere Papst
Benedikt XVI. einmal gesagt, „der eigentliche Gottesdienst ist die Liebe.“ Also
nicht regelmäßiger Kirchgang. Nicht drei Rosenkränze und zwei Vaterunser am
Tag.
Oder um es etwas härter, etwas forscher und fordernder mit den Worten eines anderen großen Theologen auszudrücken: Wir ehren Gott nicht, wenn wir den Menschen entehren.[1] Wir ehren Gott nicht, wenn wir im Rituellen verhaftet bleiben. Wir ehren Gott nicht, wenn wir im Gesetz verhaftet bleiben, wenn wir nur noch Regeln, Strukturen, Gebote und Verbote im Blick haben.
Sondern
mein Amt heißt Dienst. Meine Aufgabe Demut. Mein Platz ist unten. Im Alltag.
Nicht auf dem Olymp. Und zwar nicht, weil ich klein und unbedeutend bin. Im
Gegenteil: Weil mir eine Größe geschenkt ist, die mich frei macht von den
Maßstäben der Welt. Klingt abgehoben? Glaub ich nicht. Das zeigt mir immer
wieder die Geschichte vom heiligen Camillus. Der war in jungen Jahren ein
ziemlicher „Unducht“, ein „Wahntörer“, wie man bei uns im Wendschen sagt. Ein
ungestümer Raufbold also. Und ein rücksichtsloser Soldat. Aber: Dieser Camillus
kommt irgendwann zu Einsicht. Er wendet sich deshalb ganz den Leidenden zu,
übernimmt die Leitung eines Spitals in Rom. Eines Tages nun kommt der Papst zu
Besuch.
Und Camillus begrüßt ihn, ohne
sich vorher umzuziehen. Entsprechend sieht er aus. Essensreste auf dem Gewand –
von den Alten, die er gefüttert hat. Und Blut – von den Wunden, die er
verbunden hat.
Die Begleiter des Papstes sind entsetzt. Hatte dieser Mönch keinen Anstand? Wusste er denn nicht, was sich in der Gegenwart des Papstes gehört? Dass es ein Protokoll gibt? Gewisse Regeln? Also geben sie Camillus einige ziemlich eindeutige Hinweise. Doch der bleibt gelassen. Er sagt: „Wenn ich mit Christus selbst beschäftigt bin, kann ich mich für seinen Stellvertreter nicht eigens umziehen.“[2]
Für mich sind der Gründonnerstag heute und die Geschichte von der Fußwaschung deshalb Ermutigung: Weil ich mich nicht schämen muss für eine Aufgabe, die mir gering scheint. Und beides ist mir zugleich ein wenig Stachel im Fleisch. Weil mich vor allem die Fußwaschung an das erinnert und ermahnt, was mein Christsein eigentlich heißt: Da sein für andere. Nicht aus Zwang. Sondern weil ich frei bin von der Welt und allem, was in ihr vermeintlich wichtig ist.
[1]
Cf. Guardini, Romano 12/2007: Vorschule des Betens.
Mainz/Paderborn: Grünewald/Schöningh. S. 68.
[2]
nach: Ludwig Gschwind: Das
Kreuz. Zeichen Christi. Augsburg: Sankt Ullrich 2004. S. 119.