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Das Geistliche Wort | 09.06.2014 | 08:40 Uhr

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Johannes Löh - Bildung an Geist und Herz

Autor: Guten Morgen und frohe Pfingsten, liebe Hörerin, lieber Hörer.

Kennen Sie eigentlich Pastor Johannes Löh? Nein? Nie gehört? Ein Mann, dem Herzensbildung und Geistesgegenwart wichtig waren. In Burscheid, im Bergischen Land, ist er sehr bekannt.

O-Ton Schülerin: Ja klar, kenne ich Johannes Löh. Schließlich wohne ich ja schon seit ganz langer Zeit in der Pastor-Löh-Straße.

O-Ton Schüler: Er war auch Theologe. Aber er hat sich auch sehr stark mit Medizin beschäftigt. So dass er dafür gesorgt hat, dass Burscheider Kinder gegen Pocken geimpft wurden. Und dass er eine Augensalbe erfunden hat, die relativ berühmt wurde.

O-Ton Schülerin: Ich kenn Johannes Löh ein bisschen durch die Straße, die ja durch Burscheid führt. Und da steht auch eine bronzene Statue von dem.

Autor: Es sind Schülerinnen und Schüler, die sich hier an Pastor Löh erinnern. Denn nach ihm soll nun die neue evangelische Schule in Burscheid benannt werden. In den Räumen der Evangelischen Realschule und der benachbarten städtischen Hauptschule entsteht eine evangelische Gesamtschule für alle Kinder und Jugendlichen in der Stadt. Ihr Profil: Offenheit und Toleranz. Dafür haben sich viele Leute eingesetzt. Auch ich. Mein Name ist Klaus Eberl, ich bin Pfarrer und Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche im Rheinland, unter anderem zuständig für Bildung und Schulen.

In Burscheid ist eine spannende Zusammenarbeit der Evangelischen Landeskirche mit Stadtverwaltung, Kirchengemeinde, Vereinen, Einrichtungen und natürlich vielen Bürgerinnen und Bürgern entstanden. Und als wir nach einem Namen für die Schule suchten, wurde sofort Pastor Johannes Löh genannt. Und das, obwohl sein Wirken schon zweihundert Jahre zurückliegt und man ihn in den großen Werken der Kirchengeschichte vergeblich sucht.

Was macht die seltene Faszination dieses Bergischen Pastors aus, dass er den Leuten in Burscheid bis heute im Gedächtnis ist? Johannes Löh war das, was es heute kaum noch gibt: ein Universalgelehrter. Er war evangelischer Pastor, Lehrer, Berater, Astronom, Mathematiker, Politiker, Philosoph, Botaniker, Arzt. Er hat eine heilende Salbe erfunden und ein Augenwasser. Er wirkte als Volksaufklärer. Und - er war ein Menschenfreund. Nach dem biblischen Motto: Gott lieben und den Nächsten lieben wie dich selbst.

1. Musik: The European Anthem „Ode an die Freude“, Ludwig van Beethoven, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan, Deutsche Grammophon, LC 0173

Autor: Johannes Löh wurde Mitte des 18. Jahrhunderts geboren und starb 1841, 89 Jahre alt, in Burscheid. Das waren Jahrzehnte gewaltiger Umbrüche, das Zeitalter der Aufklärung. Die französische Revolution riss die Paläste ein. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit stand auf ihren Fahnen. Emanzipation war angesagt! Aufbruch aus Unmündigkeit! Wissen für alle! Die großen Umwälzungen fanden aber nicht nur in den Metropolen und Hauptstädten statt, sondern auch auf dem Land. So wurde Johannes Löh zum wichtigsten Repräsentanten geistiger Liberalität in der Bergischen Provinz. Es ging um Freiheit des Denkens, um Solidarität - und bei Löh vor allem um Gottes Menschenfreundlichkeit! Das neue Lebensgefühl dieses Zeitalters klingt in der „Ode an die Freude“, die Friedrich Schiller gedichtet und Ludwig van Beethoven in seiner 9. Sinfonie vertont hat:

2. Musik: Symphony No. 9 In D Minor, Op. 125, Choral: Ode an Die Freude; London Philharmonic Orchestra, David Parry, London Philharmonic Choir & The London Chorus; The 50 Greatest Pieces of Classical Music, Track 25, X5, LC 18057

Autor: Pastor Johannes Löh war ein theologischer Aufklärer. Er hielt zusammen, was bis heute allzu oft getrennt wird: Glauben und Verstehen. Ich bin überzeugt: Der Mensch braucht beides. Wenn nur der Verstand wichtig wäre, nur das, was man sehen, zählen, machen, berechnen, kaufen kann, wäre das Leben gefühllos und kalt. Ein gottvergessenes Leben. Ohne Gott fehlt der Funke, der jedem Menschen Würde verleiht, ihn unverwechselbar und wunderbar macht. - Andererseits: Wenn ich glaubensselig den Verstand ausschalte, übersehe ich weltvergessenen zu leicht die Not der Menschen. Und lebe an der Wirklichkeit vorbei. Weltvergessen glauben – das wäre falsch. Denn Gott kommt doch in die Welt! Christus begegnet mir in jedem Notleidenden, lese ich in der Bibel.

Nicht gottvergessen, nicht weltvergessen leben - Johannes Löh hielt Glauben und Verstehen zusammen. Er setzte auf ein aufgeklärtes Christentum. Er meinte: Schließlich hat Gott auch den Verstand geschaffen! Deshalb hat Löh den Text der Bibel historisch-kritisch erforscht. Wenn er an seinem Schreibtisch saß und über einen Bibeltext nachdachte, fragte er: In welcher Zeit ist das aufgeschrieben worden? Wie lebten die Menschen? Zu wem sprach Jesus? Zu Armen oder Reichen? Zu Juden oder zu Heiden?

Von der alten Burscheider Kanzel predigte Johannes Löh eine weitherzige Toleranz. Er war überzeugt: Die Suche nach der Wahrheit gelingt nur im Dialog und im Respekt vor den anderen und ihren Erfahrungen. Löh kannte seine bunt zusammengewürfelte Gemeinde genau. In der Kirchenbank saß die Magd neben dem Fabrikarbeiter, der Lehrer neben dem Müller, der Soldat neben dem Bauern und seiner Familie. Das Tagebuch des Pastors erzählt von den Geschichten dieser Menschen. Löh kannte ihre Fragen, Sorgen und Hoffnungen. Ihren Glauben an Gott - und ihren Zweifel. Er liebte alle, die ihm anvertraut waren – für ihn waren sie Gottes Kinder.

Da wundert es nicht, dass er versuchte, die auseinanderstrebenden evangelischen Glaubensrichtungen der Lutheraner und Reformierten zusammenzuführen. Dazu engagierte er sich kirchenpolitisch. Doch nicht nur die evangelischen Glaubensrichtungen wollte er vereint wissen. Darin sah er nur eine Vorstufe zur Einigung aller christlichen Kirchen. Sein Interesse ging noch weiter. Er studierte auch die außerchristlichen Religionen, obwohl er die nur aus Büchern kannte. Der Grund für dieses leidenschaftliche Ringen um einen toleranten Glauben liegt auf der Hand: Der Glaube war für Löh immer eine Angelegenheit aller Menschen. Denn es geht dabei um ein gutes Leben. Da muss jeder Position beziehen, aber auch den anderen respektieren und – vielleicht – von ihm lernen.

3. Musik: Ode an die Freude, Jazzkantine (feat. Nils Landgren, Michel Begeame, Carlos); Jazzkantine spielt Volkslieder (Special Version); Track 4, LC 0309

Autor: Gott lieben – und die Menschen, das bedeutete für Pastor Löh auch: Den Menschen wichtige Erkenntnisse zu vermitteln. Deshalb betätigte er sich auch als Wissenschaftler. Lange hatten sich Kirche und Theologie als Gegensatz zu den Naturwissenschaften verstanden. Diesen Gegensatz im 19. Jahrhundert zu überwinden, war eine weitreichende Entscheidung. Jeden Tag notierte Pastor Löh das Wetter, um Vorhersagen zu machen und meteorologische Gesetzmäßigkeiten zu entdecken. Nachts blickte er durch sein Fernrohr in den Sternenhimmel und berechnete die Planetenbahnen. Die unendliche Weite des Weltalls galt ihm als Beweis für die Größe Gottes und die faszinierende Schönheit der Schöpfung.

In seinem Garten legte Johannes Löh ein Herbarium an und experimentierte mit verschiedenen Kräutern, um Arzneimittel herzustellen. Damals gab es ja noch keine allgemeine ärztliche Versorgung für die Bevölkerung. Deshalb klopften immer häufiger Burscheider Bürger an die Tür des Pfarrhauses, um bei Krankheit schnelle Hilfe zu erhalten. Johannes Löh konnte helfen. Sein Augenwasser wurde überall gerühmt. Eine Salbe behielt bis ins 20. Jahrhundert hinein den Namen „Pastorssalbe“. Aber weil Hilfe das eine und Selbsthilfe das andere ist, betätigte Löh sich als Volksaufklärer. Wie ein wandelndes Lexikon führte er die Bürger in den rechten Gebrauch der Heilkräuter ein und ermutigte die Burscheider, sie selbst zu ziehen, um sich zu kurieren. Als dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts überall in Europa die Pocken grassierten, versuchte er auch hier zu helfen. Löh hatte gelesen, dass man sich gegen Pocken impfen lassen konnte. Und so organisierte er in der ganzen Stadt Impftermine, um die Menschen zu schützen.

Menschenliebe und Bildung – das gehörte für den Pastor zusammen. Und so gab er sein Wissen weiter. Zum Beispiel, wie man Öl herstellt oder Farbe. Der Pastor stellte eine Leihbibliothek zusammen, in der man alles nachlesen konnte, was für das Leben nützlich ist: In den Regalen standen neben religiösen Erbauungstexten auch Bücher zur Geschichte, Medizin, Astronomie, Botanik und natürlich „Schöne Literatur“. Da ihm eine solche umfassende Bildung wichtig war, gründete der Burscheider Pastor nun auch eine Schule. Dass Glauben und Verstehen, Herz und Kopf, zusammengehören, lernt man am Besten von Kindheit an. Es war eine kleine Schule ohne gymnasiale Oberstufe. Aber ein Lernort mit großer Ausstrahlung. Denn Löh reiste regelmäßig ins Umland, um die dort tätigen Lehrer weiterzubilden und sie in ihrem Dienst zu unterstützen. So entstand eine frühe Form des Lehrerseminars, in dem Pastor Löh seine aufklärerischen Einsichten weitergeben konnte. Er wusste genau: Bildung ist der alles entscheidende Schlüssel, um die Lebenslagen der Menschen zu verbessern. Und eine Voraussetzung dafür sind gute Schulen.

4. Musik: Ode an die Freude, Xavier Naidoo, CD O Live Lait, Track 1, 2006 NHN-Tertainment

Autor: Im kommenden Schuljahr soll die neue evangelische Schule in Burscheid an den Start gehen und sie wird nach dem Burscheider Pastor den Namen „Johannes-Löh-Gesamtschule“ tragen. An dieser Schule sind alle willkommen:

Evangelische und Katholische

Muslime und die keine religiöse Heimat haben

Schnelllerner und Langsame

Kreative und Bedächtige

Sprachbegabte und Rechenkünstler

Schüler mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen,

Kinder mit besonderen Fähigkeiten

– eben: alle.

Denn Vielfalt ist eine Bereicherung. Das erfordert Toleranz, Rücksichtnahme und ein tiefes Verständnis füreinander. Also eine Menge von dem aufklärerischen Geist, den Johannes Löh vertreten hat. Ganz besonders wichtig ist es der Evangelischen Kirche, die diese Schule leitet, soziale Kompetenzen zu vermitteln. Weil es normal ist, verschieden zu sein. Auf den Spuren des alten Burscheider Pastors Johannes Löh können die Schülerinnen und Schüler viel für ein respektvolles Zusammenleben lernen:

•über den eigenen Glauben sprechen

•entdecken, was die Welt im Innersten zusammenhält

•Sachen klären und verstehen

•Verantwortung übernehmen und hilfsbereit sein

•mit anderen zusammenarbeiten und sich ergänzen

In einer Berufungsurkunde für einen Lehrer formulierte Johannes Löh schon vor zweihundert Jahren sein Schulprogramm knapp und präzise: Bildung an Geist und Herz. Damit ein neuer, ein anderer Geist einzieht unter den Menschen. Der Geist von Pfingsten. Ein Geist der Freiheit, der Liebe und der Erkenntnis. Der Toleranz und des Respekts.

5. Musik: Ode an die Freude, Medlz, CD aufgetaucht, Track 12, 2008

Autor: Es verabschiedet sich von Ihnen, liebe Hörerin und lieber Hörer, Pfarrer Klaus Eberl. Ich wünsche ihnen einen gesegneten Pfingstmontag.

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