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Das Geistliche Wort | 14.09.2014 | 08:40 Uhr

„Durchkreuztes Leben“

Guten Morgen!

Das Leben des Brian – ein Film, der es in sich hat. Ich habe ihn vor vielen Jahren gesehen und er lässt mich nicht mehr los, vor allem die folgende Sequenz: Ketten klappern an den Füßen der Gefangenen. Eine Reihe von mehreren Verurteilten bewegt sich in Richtung Ausgang. Dramatisch hebt die Musik an und dann sagt der Henker: „Jeder nur ein Kreuz“ zu den Verurteilten im Film „Das Leben des Brian“. „Jeder nur ein Kreuz“. Ein Kreuz – das würde mir schon reichen. Es reicht auch nur ein Kreuz zu haben, aber wenn ich mich so umschaue: Wie viele Kreuze haben heute die Menschen zu tragen – so frage ich mich: Krankheit, Verlust der Arbeitsstelle, Trennung vom Lebenspartner. Brian, der Protagonist des Films, hatte bereits mehrere Kreuze zu tragen: Er wurde missverstanden, sogar von Freunden abgelehnt und hatte Probleme in der Familie. Und er hatte noch dieses konkrete eine Kreuz zu tragen, das zur Hinrichtung. Aber es wird immerhin sein letztes sein. Am Ende des Films wird er zu den Klängen von „Always look on the bright side of life“ gekreuzigt werden. Ironisch und sarkastisch endet der Film der britischen Comedygruppe „Monthy Python“ von 1979 und hinterlässt – zumindest bei mir als Theologen – eine Irritation.

Musik I (Auszug aus „Always look on the bright side of life“)

Wenn heute an ein Kreuz im Leben gedacht wird, dann hat es wenig mit den hellen Seiten des Lebens zu tun wie es Brian im Film besingt. Aber wenn Sie mich fragen: Ich will die Sonnenseiten in meinem Leben – aber nicht das Kreuz, denn das bedeutet Qual und Tod.

Brian hat sein Kreuz nicht gesucht. Es war ihm zugewiesen worden – am Ende einer langen Kette von Missverständnissen. Komisch dagegen – auch wenn es zur Ironie des Filmes passen würde – wenn Menschen nach dem Kreuz suchen.

Tatsächlich – am heutigen Sonntag, dem Fest „Kreuzerhöhung“ erinnert sich die katholische Kirche genau an solch eine Suche nach dem Kreuz – genauer: die Suche nach dem Kreuz Jesu. Eigentlich verrückt: ein Kreuz zu suchen, wenn damit im übertragenen Sinne ein schweres Schicksal gemeint ist.

Die eigentliche Suche nach dem Kreuz Jesu hat es gegeben: Kaiser Konstantin plante im vierten Jahrhundert prächtige Kirchen an den Orten zu errichten, an denen Jesus gewirkt hatte – soweit man das bestimmen konnte. In Jerusalem zum Beispiel will er am Ort der Kreuzigung und dem nahe gelegenen Grab Jesu eine prächtige Kirche bauen – die Grabeskirche. Und beim Bau dieser Grabeskirche findet seine Mutter, die römische Kaiserin Helena – der legendären Überlieferung nach – vor fast genau 1700 Jahren die beiden Kreuzesbalken Jesu. Um diese Kreuzesbalken entsteht sofort ein Kult. Am selben Tag wie die Kreuzauffindung wird im Jahr 335 schließlich die Grabeskirche geweiht. Und das Kreuz wird bereits einen Tag später der Öffentlichkeit gezeigt – sozusagen erhöht, woher das Fest des heutigen Tages seinen Namen hat.

Das Kreuz selbst hat dann eine spannende Geschichte genommen. Es wird schließlich über die Jahrhunderte hinweg in einzelne Partikel zerteilt. Darüber hinaus entstehen unzählige Berührungsreliquien. Diese werden rasch verbreitet und den Menschen an den unterschiedlichsten Orten gezeigt.

So spannend die Geschichte der Kreuzauffindung und -erhöhung auch sein mag. Für mich klingt das eigenartig: die Suche nach dem Kreuz. Immerhin, es ist ein Hinrichtungsgegenstand. Und wir Christen verbinden damit ja noch viel mehr: Nachfolge Christi in Leid und Not. Warum sucht dann jemand ein Kreuz? Ich vermute, damals steckte ganz ursprünglich dahinter: Jesus nahe zu kommen. Eine Erinnerung an ihn zu haben, die zu berühren ist.

Aber was bedeutet die Kreuzsuche heute noch? Auch wenn uns an diesem Sonntag vielleicht kein Kreuz mehr erhöht und gezeigt wird, wie damals bei Helena, so bin ich doch immer wieder erstaunt, wie Menschen – und ich selber auch – mit dem Kreuz umgehen.

Wenn gerade Christen heute davon sprechen, dass sie ein Kreuz in ihrem Leben tragen, dann ist das immer negativ gemeint. Kein Wunder – denn für sich genommen ist es ja eine Tortur: Ein Mensch ist schwer krank oder ein anderer macht sich Sorgen um einen Menschen, den er sehr mag. Menschen sind von Arbeitslosigkeit bedroht oder sind in Abhängigkeiten verstrickt, die das Leben schwer, ja unerträglich machen. Das sind die Torturen, die Kreuze von heute – und ich wünsche keinem solch ein Kreuz.

Interessant ist: Dennoch haben Menschen in ihrem Leben auch das Kreuz gesucht – allerdings anders als Helena. Ein beliebtes Lied aus dem 17. Jahrhundert, das immer noch in Gottesdiensten gesungen wird, erzählt noch heute davon. Es heißt darin: „Mir nach! Spricht Christus, unser Held, Mir nach, ihr Christen alle! Verleugnet euch, verlasst die Welt, Folgt meinem Ruf und Schalle, Nehmt euer Kreuz und Ungemach Auf euch, folgt meinem Wandel nach!“ So schreibt Angelus Silesius vor vielen Jahrhunderten, der dieses Lied gedichtet hat. Was Angelus Silesius sagen will: Wir tragen das Kreuz Jesu mit. Und diese Geisteshaltung prägte dann viele Generationen bis in die Gegenwart.

Musik II (Auszug aus Angelus Silesius)

Noch heute tragen Menschen auch öffentlich ein Kreuz in der Welt – keine Balken, aber im übertragenen Sinne. Ein beeindruckendes Zeugnis für mich war in meiner Jugend Papst Johannes Paul II., der in seinen letzten Lebensjahren sein körperliches Leiden als Weg der Nachfolge Jesu verstanden hat und es auch so in den Medien präsentiert hat.

Von anderen Menschen erfahren ich manchmal erst nach ihrem Tod, mit welchem „Kreuz“ sie durch ihr Leben gehen mussten: Einsamkeit, Depressionen oder einer unheilbaren Krankheit. Nach dem Tod von Mutter Theresa wurde zum Beispiel erst durch ihre Tagebuchaufzeichnungen bekannt, wie groß das Kreuz des Gotteszweifels in ihrem Leben war. Die Gottesferne also ein Kreuz.

Seit dem Tod Christi gilt das Kreuz als Zeichen für Tod, Leiden, Schmerz und Trauer. Ich frage mich: Will ich mich wirklich unter so ein Kreuz stellen? Dieses anscheinend absolut negative Kreuz kann doch nicht das Zeichen von Christen sein. Ich bin doch als Christ nicht zum aktiven Leiden berufen.

Ich habe das Kreuz unter einem anderen Aspekt verstehen gelernt. Immer wieder muss ich doch erleben, wie mein Leben durchkreuzt wird. Das können schlimme Momente wie Krankheit, Tod oder Schreckensnachrichten sein. Dass das alltägliche Leben durchkreuzt wird, kann aber auch bedeuten, dass ich plötzlich in eine Situation komme, in der ich etwas Tolles und Schönes erfahre. Jesus selbst deutet an, dass das Kreuz nicht nur Ort der Hinrichtung ist, sondern auch der Erhöhung zu Gott (Joh 3,14f und Joh 12,32). Wie wäre es, wenn durchkreuztes Leben auch einmal anders verstanden würde, positiv:

Wo ein Mensch seinem Lebenspartner begegnet oder eine neue Arbeitsstelle beginnt, da kreuzen sich ja auch Lebenswege. Da wird Leben durchkreuzt. Das Kreuz im Christentum ist für mich eben nicht nur das Schwere und Dunkle. Es ist mehr. Es ist Offenheit und Weite für jeden Menschen und jede Begegnung. Das Kreuz wird dann für mich ein Zeichen eines Glaubens, der sich öffnet für die echte Begegnung, für Schönes – aber eben auch für Schweres.

Übrigens gibt es für mich ein schönes Zeichen Jesu am Kreuz: Er öffnet durch sein Gekreuzigt-Sein beide Arme. Er ist offen für alles, für jeden – auch für mich. Egal wie mein Leben durchkreuzt wird, es ist immer schon umfangen durch die offenen Arme Jesu. So kann ich mich erst einmal auf dieses Durchkreuzen meines Lebens einlassen – vielleicht sogar freuen indem ich mich diesen neuen Momenten öffne. Ich bin davon überzeugt: Wer sich von den offenen Armen Jesu am Kreuz umfangen weiß, der kann sein Leben jeden Tag durchkreuzen lassen – egal auch, was kommen mag. Die geöffneten Arme Jesu am Kreuz sind für mich ein Bild von der unbegreiflichen Liebe, die Gott zu den Menschen hat. Einer Liebe, die Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth benennt:

Musik III (Lacrimosa – Hohelied der Liebe aus dem Album „Lichtgestalt“, 2005)

„Die Liebe erträgt alles, / glaubt alles, / hofft alles, / hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,7). Kreuz und Liebe gehören eng miteinander zusammen. Nicht umsonst spricht der Volksmund davon: Wer lieben will muss leiden. Auch wenn ich riskiere, dass mich mein Gegenüber „aufs Kreuz legen kann“ möchte ich mich doch nicht verschließen.

Ich lasse mein Leben jeden Tag durchkreuzen, wenn ich Menschen begegne.

Für mich ist es wichtig, dass ich es aus Liebe geschehen lasse so wie es Paulus beschreibt. Es ist so, wenn ich Menschen mit offenen Armen begegne und meine Arme ausbreite wie Jesus am Kreuz. Aber am Kreuz Jesu darf ich lernen, dass jede Begegnung offen ist – offen für das Schwere und das Schöne. Und ich darf lernen, dass jede Begegnung längst umfangen ist von den liebend ausgebreiteten Armen Jesu.

Musik IV (Aus der Matthäuspassion „Komm süßes Kreuz)

Diese Erfahrung wünscht ihnen Ihr Pfarrer Matthias Fritz aus Aachen.

Copyright Vorschaubild: Public Domain Pixabay

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