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Das Geistliche Wort | 28.09.2014 | 08:40 Uhr

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Eingang zum Dom – Durchgang zum Himmel?

Zum 750järigen Jubiläum des Sankt-Paulus-Domes Münster

Guten Morgen!

750 Jahre – so alt ist der Dom in Münster. Und dieses Jubiläum gilt es zu feiern. Genau heute ist der Höhepunkt des Festes, das drei Tage lang dauert und viele Menschen hier in der Stadt Münster versammelt. Als Motto steht über diesem Jubiläum „Willkommen im Paradies“. Ein ungewöhnliches Motto, das an vieles denken lässt – jedoch kaum an ein Kirchengebäude. Wer jedoch den Dom zu Münster betritt, kommt dem Motto auf die Spur. Manche Dome betritt man durch große Portale, die mit vielen plastischen Bildern gestaltet sind. Und dann findet man sich sogleich im Kirchenraum wieder. In Münster ist das anders. Man gelangt durch eine Pforte erst in eine Eingangshalle, bevor man den Dom betritt. Eben diese Vorhalle heißt „Paradies“.

Das Wort selbst stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Garten“. Dass die Vorhalle eines Domes nun als Garten bezeichnet wird, das hat seinen guten Grund: Ursprünglich lag vor der Eingangsseite einer mittelalterlichen Basilika ein Vorhof oder Atrium. Meist war solch ein Vorhof von Säulengängen umschlossen und im Inneren mit Grün und Blumen bepflanzt, mitunter rund um einen Brunnen – wie ein gepflegter Garten eben. Kein Wunder, dass solch eine Anlage im Volksmund dann „Paradies“ genannt wurde. Im Laufe der Zeit wurde der Vorhof zu einer geschlossenen Eingangshalle und in den Kirchenbau einbezogen. Der so entstandene geschlossene Raum ist immer noch Eingangsbereich. Er ist mit großen Portalen und mit einem besonderen Bildprogramm ausgestattet. Wer in die Kirche eintreten will, der muss durch das Paradies und damit an diesem Bildprogramm vorbei.

Musik I

Paradies – das Wort ist im heutigen Sprachgebrauch nicht fremd. Es taucht sogar in letzter Zeit häufig auf. Da ist vom Einkaufsparadies die Rede, vom Spielparadies, vom Ferienparadies, vom Steuerparadies. Bei der Rede von solchen Paradiesen schwingt immer eine Sehnsucht mit, eine Sehnsucht, die an Orte denken lässt, wo Zufriedenheit, Sorglosigkeit, Glück, ja ein unbeschwertes Dasein im Einklang mit allem Lebendigen zu finden ist. Aber diese Paradiese sind in der Regel bezogen auf das „Hier“ und „Jetzt“ oder gelten manchmal wehmütig als „verlorenes Paradies“.

Ich frage mich: Haben heute diese Paradiese mit ihren Sehnsüchten den Himmel ersetzt, den frühere Generationen als das Paradies verstanden? Oder gibt es auf den zweiten Blick doch noch Verbindungen zwischen dem Paradies der vielen Sehnsüchte heute und dem Paradies des Himmels von damals? Ich meine, dass die Vorhalle des Domes eine Brücke darstellen kann und der Gruß „Willkommen im Paradies“ durchaus attraktiv ist. Ich lade Sie ein, virtuell mit mir durch das Paradies des St. Paulus Domes zu Münster zu gehen und sich eine alte Bildwelt neu zu erschließen.

Musik II

„Willkommen im Paradies“ Das Paradies im Dom zu Münster mit seiner reichen Bildgestaltung hat eine Botschaft. Es geht um das grundlegende Anliegen, das sich wie ein roter Faden durch die Bibel zieht. Die Bibel verheißt dem Menschen: „Damit es dir wohl ergehe“ (vgl. Dtn 4,40; 5,16.29; 12,28; Rut 3,1; 3 Joh 2). Was dazu verhilft, das kommt in der Vorhalle vielfach ins Bild.

Zunächst einmal: Das Paradies mit seinen offenstehenden Türen ist Übergang von draußen nach drinnen und umgekehrt: Ein- und Ausgangsbereich. Gerade beim Eintreten gehen viele geradewegs durch die Halle hindurch. Dabei lädt sie ein, den schnurgeraden Weg zu unterbrechen, indem sie an diesem Übergang vermittelt: Achte darauf, woher du kommst, wie du kommst und wohin du willst. Nimm deine Lebenszeit und deine Lebensgestalt wahr, jetzt.

Dann: Wer sich so auf-halten lässt, der wird sich vielleicht auch – offen halten. Dann könnte er bemerken: Ich werde angeschaut. Und: Ich kann mir etwas sagen lassen.

Über den Türen, die in den Dom führen, noch über der Figur des dort sitzenden Paulus, thront Jesus Christus als prächtige Skulptur. Es ist, als wende er sich den Eintretenden zu. Er heißt sie willkommen. Von seiner Zuwendung sprechen sein Angesicht und seine ausgestreckte rechte Segenshand. In seiner linken Hand hält er ein Buch, das Buch. Für mich ist dieses Buch die Heilige Schrift, die Jesus den Eintretenden so entgegenhält wie einen Spiegel. Der Blick in den Spiegel, der Blick in dieses Buch kann helfen, sich selbst zu erkennen, wer man ist und wohin man geht. Und genau für diesen Weg ist er der Bezugspunkt: Jesus Christus.

Dieses Christusbild ist genau betrachtet das Bild des Weltenrichters Christus. Auch das hat seine tiefe Bedeutung: Der Überlieferung nach diente das Paradies nicht nur als Sammlungs- und Einstimmungsraum, sondern auch als Gerichtshalle. Unter dem Bild des Weltenrichters Christus saß im Mittelalter der Bischof oder sein Stellvertreter, um Gericht zu halten. Er tat es im Vorraum vom Dom, der das himmlische Jerusalem versinnbildlicht.

Der Aufblick zum Weltenrichter Jesus Christus zeigt das Herzstück des Paradieses im Dom zu Münster an. In diesem Aufblick soll nämlich das Leben des Betrachters geklärt und gereinigt werden, da soll es auch geprüft und neu ausgerichtet werden. Es geht darum, unter den Augen Christi das eigene Leben, ja diese Welt so in den Blick zu nehmen, dass eine Verbindung von Erde und Himmel erahnt werden kann. Es soll motivieren, die Welt dann auch zu gestalten, so dass diese Erde paradiesische Züge bekommt, dass es dem Menschen wohl ergeht.

Das ist die Kernaussage der Komposition des Paradieses im Dom zu Münster: Jesus Christus ist der Richter der Welt. Mancher mag bei diesem Thema zurückschrecken. Doch ist Er als Richter der, der auch aus den Evangelien spricht, – kein düsterer Unbekannter, der womöglich Lust daran hätte, Menschen zu strafen. Er will die Menschen dazu bewegen, sich mit Gott zu versöhnen und damit über sich hinauszuwachsen. Er will ihr Leben in Gott gründen, indem sie sich auf ihn verlassen können. Ich bin davon überzeugt: Wenn Gott die Realität meines Lebens geworden ist, dann kann ich mich anderen angstfrei zuwenden, das heißt ihnen „dienen“. Genau das ist die Sprache der Bibel, die die Christusskulptur ja den Menschen im Paradies entgegenhält.

Übrigens: Im Umfeld der Christusskulptur stehen im Paradies des Domes die Figuren, die Jesus leibhaftig erlebt haben, und auch solche, die durch die Heilige Schrift in der Kirche mit ihm vertraut geworden sind: die Apostel und andere Heilige, die für die Geschichte des Bistums Münster von großer Bedeutung sind. In Gesicht, Haltung, Kleidung und beigefügten Erkennungszeichen bewahren alle Gestalten ihre Individualität. Sie strahlen die Dankbarkeit eines gelungenen Lebens aus und vermitteln die Zuversicht, dass auch das Leben der anderen Menschen gelingen kann. So sind sie Zeugen, dass Gott beim Wort genommen wird, wie Gott die Menschen beim Wort nimmt.

In diesem Leben geht es den Christen ja darum, unter dem Blick Jesu Christi nicht auf Kosten anderer Menschen zu leben, sondern sich mit anderen auf den Weg zu Jesus zu machen. Wo aber lässt sich Jesus heute finden? Jesus selbst erklärt die Kinder, die Schwachen, die Kranken, die Verkrümmten, die Abgeschriebenen zum Ort der Gottesbegegnung. Er sagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). So bringt er die Würde und Einmaligkeit jedes Menschen ans Licht.

Musik III

Im Paradies des Münsteraner Domes ist eine Darstellung des Gerichts-Christus. Bleibt die Frage: Was ist denn das Gericht? Ich erkläre es mir so: Das Gericht Jesu Christi ist nichts anderes als die Hilfe zur Selbstfindung des Menschen, zur Befreiung aus Unschuldswahn, zur Herauslösung aus der Lebenslüge, zur Weckung aus dem Schlaf des Gewissens.

Und - wie kann das geschehen? Es bedarf eines wahrhaftigen Gegenübers. Nur ein solches Gegenüber kann dafür sorgen, dass ich mich dem Geschehen, den Taten meines Lebens, meiner Lebensart stelle, um aufzuwachen aus der Befangenheit im eigenen Befinden und Rechthaben. Dieses Gegenüber tritt dem Menschen nicht nur in Jesus Christus entgegen, sondern auch durch wache Menschen und durch das Wort der Heiligen Schrift. Ich bin überzeugt, dass das eine Hilfe ist. Sie kommt dem Menschen entgegen: unausweichlich, wirksam, in heilsamer Weise schmerzhaft und verwandelnd. Am Ende des menschlichen Lebens geschieht sie sogar endgültig im Tod. So kann sich ein Mensch – Sie wie auch ich – ganz gewinnen lassen, wahr werden, liebesfähig und aufnahmebereit für die volle Gegenwart Gottes. Wer wir in Wahrheit sind, das erfahren wir im Angesicht Jesu Christi.

Viel Angst und Schrecken ist mit der Vorstellung vom Gericht lange unter den Christen verbreitet worden. Ich stelle mir dieses Gericht Jesu Christi so vor: Es macht die Menschen transparent, also lichtdurchscheinend, so wie es in der Geheimen Offenbarung des Johannes vom himmlischen Jerusalem gesagt wird: eine lichtvolle Stadt, die weder Sonne noch Mond braucht, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie (Offb 21,23). Diese Idee des himmlischen Jerusalem erahnt man vielleicht, wenn man den Münsteraner Dom endlich betritt: ein lichtdurchfluteter Raum, ein Glanz und eine Weite.

Was ist dagegen die Finsternis, die ein Bild für die Hölle ist? Wenn man erst einmal einen Blick bekommen hat für die Hölle, die sich Menschen hier auf der Erde gegenseitig bereiten können, wenn einen das Leiden der Opfer menschlicher Gewalt und Lüge aufwühlt oder wenn skrupellose Täter viel zu glimpflich davonkommen, - dann ist das schon eine Hölle. Und wer sehnt sich dann nicht nach einer „höheren Gerechtigkeit“, die jeden erreicht, die die Schuldigen richtig richtet und die ein jedes mutwillig zerstörtes Leben heilen kann.

Zurück zur Vorhalle des Münsteraner Doms: Der Gerichts-Christus im Paradies über dem Eingang in den Dom, das Symbol des Himmels, sagt: Bei Gott gehören Liebe und Gerechtigkeit unlöslich zusammen. Ihm ist nicht gleichgültig, wie wir leben, auch alltäglich leben – heute und morgen. Er unterscheidet sehr klar zwischen Gut und Böse, und er wird jeden Menschen damit konfrontieren, wie es in seinem Leben zuging. Und genau auf diese Begegnung will die Situation im Paradies des Münsteraner Domes vorbereiten.

Musik IV

Das Paradies am Dom zu Münster ist ein Eingang zum Dom. Ist es aber auch ein Durchgang zum Himmel? Die bauliche Anordnung des Domes in Münster ist als Gesamtkunstwerk ein Sinnbild: Der Weg in den Himmel schon hier und jetzt braucht Stationen des Innehaltens, der Reinigung, der Neuausrichtung. Im Paradies werden dazu zwei Hilfen angeboten: wahrhaftige, glaubwürdige, echte Menschen, die in der Nähe zu Jesus Christus leben, und das Buch des Lebens, die Heilige Schrift. Das waren immer die Hilfen für die eigene Lebensarbeit, als deren Ziel im Mittelalter der Himmel stand.

Kann man das auch noch heute sagen?

Für mich verbindet sich die Vorbereitung auf diese „Innenansicht“ des Domes – das Abbild des himmlischen Jerusalem – noch mit einem anderen Weg. Und der beginnt draußen. Kommt man über die etwas erhöht liegenden Zufahrtsstraßen der Stadt Münster näher, bietet sich ein beeindruckendes Panorama dar. Die Innenstadt wirkt wie zum Greifen nah. Der Weg ist klar ausgerichtet auf die Türme des Domes, umgeben von etlichen anderen Kirchtürmen ganz in der Nähe. Dieser Blick auf die Stadt erinnert mich an ein Gedicht von Reiner Kunze, das zwar von Lübeck spricht, jedoch leicht auf Münster übertragbar ist:

DIE SILHOUETTE VON LÜBECK

Damit die erde hafte am himmel, schlugen die menschen

kirchtürme in ihn

Sieben kupferne nägel, nicht aufzuwiegen

mit gold

(Reiner Kunze, auf eigene hoffnung. gedichte, Frankfurt am Main 1981, 44)

Kirchtürme als Nägel, die die Erde an den Himmel heften. Besonders strapazierfähig wirken dabei in meiner Vorstellung die Domtürme, als ob sie viel von dem halten müssen und können, was da aneinander „haften“ soll. Erde und Himmel zu verbinden, - darum geht es dem Dom, darum geht es der Kirche. Das ist mit Gold nicht aufzuwiegen. Die Kirche ist der Ort, an dem Menschen ihre Geschichte mit der Geschichte Gottes verweben, mehr noch, an dem die so unterschiedlichen Menschengeschichten mit dem Geheimnis Gottes unlösbar in Berührung kommen und Klärung finden.

Diese Berührung wünscht Ihnen Paul Deselaers, Spiritual und Pfarrer, aus Greven-Gimbte. Einen guten Sonntag!

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