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Das Geistliche Wort | 08.12.2013 | 8:40 Uhr

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Eine Vision, die verbindet

Autorin: „Ob evangelisch oder katholisch – das kann doch eh keiner mehr auseinander halten. Für wen ist das eigentlich noch wichtig…!“ Solche Sätze höre ich immer wieder und es ist ja auch was dran: Heute zum Beispiel feiern Christen den zweiten Advent. Egal ob evangelische oder katholische. Wir bereiten uns auf Weihnachten vor. Auch viele Konfessionslose und manchmal sogar Menschen anderen Glaubens zünden heute die zweite Kerze an oder besuchen ein Konzert, auf dem christliche Advents- und Weihnachtslieder gesungen werden. Und sie verbinden damit ihre eigenen Gedanken und Gefühle.

1.Musik Track 1 Tochter Zion, Wolf Codera (Interpret), von CD Codera goes Christmas, Melodie/Komponist: Georg Friedrich Händel (1747), 2002 Creative Kirche im Lutherverlag, LC 11724.

Autorin: Es gibt in der Tat viele Gemeinsamkeiten zwischen evangelischen und katholischen Christen. Und bedeutsame Unterschiede: Dass ich Sie heute Morgen hier als evangelische Pfarrerin mit zwei erwachsenen Kindern begrüßen kann – das wäre in der katholischen Kirche einfach nicht möglich. Mein Name ist Antje Rösener und ich arbeite als Pfarrerin und Studienleiterin im Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe in Dortmund.

1.Musik

Autorin: Evangelisch und katholisch – das sind zwei Spielarten des christlichen Glaubens und für mein Gefühl ist es gut, dass es unterschiedliche Spielarten gibt. So können die Menschen wählen. Und die Kirchen sind immer wieder genötigt, ihre Grundlagen und ihr Handeln zu erklären und nachvollziehbar zu machen. In meiner Arbeit werde ich oft gefragt: Was ist denn Euer Markenzeichen als evangelische Kirche?

Mir ist immer ein wenig unwohl dabei, denn das auffälligste an der evangelischen Kirche ist ja, dass wir fast nie einer Meinung sind. Wir diskutieren immer wieder neu. Im Moment zum Beispiel über die vielfältigen Formen, in denen Menschen heute Familie gestalten oder über Trauungen für homosexuelle Paare. Oder wir sprechen darüber, ob in einem evangelischen Kindergarten nicht auch muslimische Erzieherinnen arbeiten sollten, wenn es in der Einrichtung muslimische Kinder gibt.

Die kirchliche Gesetzgebung und die Theologie immer wieder mit den gesellschaftlichen Entwicklungen ins Gespräch zu bringen und gegebenenfalls zu korrigieren – das ist anstrengend. Denn man muss sich dann ja auch ständig eine Meinung bilden: Man muss sich schlau machen. Und wenn einem etwas wichtig ist, dann muss man mit anderen dafür kämpfen, dass das Anliegen eine Mehrheit bekommt.

Zum Beispiel im Presbyterium, das die Gemeinde leitet oder in der Synode, dem Parlament eines Kirchenkreises oder einer Landeskirche. Immerhin … gut daran ist, dass man für etwas kämpfen kann, dass man mitgestalten kann, dass Positionen der Kirche sich ändern können, weil die Welt sich wandelt und die Herausforderungen für die Menschen auch.

2.Musik Track 8 Advent Meditation, Paul Finley (Komp. und Interpret), von CD The Butterfly, 2002 Wizard Academy Press / 2009 New Bell Recording, LC unbekannt.

Autorin: Ein weiteres besonderes Kapitel der evangelischen Kirche heißt: Die evangelischen Christen und die Bibel.

Es fing bei Martin Luther schon an: Zu seiner Zeit las man in den Gottesdiensten immer aus der Bibel in lateinischer Sprache vor. Das verstand natürlich kaum jemand. Deshalb übersetzte Luther die Bibel ins Deutsche, damals, als er inkognito als Junker Jörg auf der Wartburg in Eisenach hockte. Monatelang kam er aus diesem einsamen Versteck mitten im Thüringer Wald nicht heraus. Viel, viel Zeit hatte er auf einmal. Ganze elf Wochen hat er dann gebraucht, um im Herbst 1521 das Neue Testament ins Deutsche zu übertragen.

Denn Luther und seine Freundinnen und Freunde waren der Meinung, das Volk sollte mitreden können. Die Menschen sollten verstehen und überprüfen können, was ihnen die Theologen an Wahrheiten zum Besten gaben. Sie sollten selbst herausfinden können, wie Gottes Wort in ihrer Lebenslage zu verstehen ist.

Sprecher: „Man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und danach dolmetschen;…“ (in: Sendbrief vom Dolmetschen, Nürnberg, 15. September 1530)

Autorin: Dass Luthers Bibelübersetzung ein großer Wurf war – wird heute von keinem Sprachforscher mehr bezweifelt. Er griff die Worte und Wendungen auf, die die Menschen im Mund führten. Denn er wollte die Bibel so lebensnah wie möglich übersetzen. Wunderschöne Formulierungen sind auf diese Weise entstanden, wie zum Beispiel dieser Satz aus der Weihnachtsgeschichte:

Sprecher: „Maria aber behielt all diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen…“ (Lukas 2,19)

3.Musik = 1. Musik

Autorin: Luthers Zeiten liegen hinter uns, aber es gibt heute noch Traditionen in der evangelischen Kirche, die die Bibel besonders ins Zentrum rücken. Die Herrnhuter Losungen zum Beispiel. Das ist ein kleines Büchlein, in dem für jeden Tag zwei Bibelverse stehen. Einer aus dem Alten Testament, einer aus dem Neuen Testament. Es gibt viele evangelische Christen, die diese Verse jeden Tag lesen. Die damit ihren Tag beginnen oder sie sich am Abend vor dem Schlafengehen zu Gemüte führen.

Es gibt sie auch als App oder für den PC. In der Kirche beginnen wir unsere Sitzungen oft mit diesen Tageslosungen. Das ist zwar manchmal ein etwas starres Ritual. Aber es hat was: Bevor wir den Haushaltsplan für das kommende Jahr beraten, unterbrechen wir uns für zwei oder drei Minuten, halten ein und hören auf ein Wort, das ungefähr 2000 Jahre alt ist. Ein Wort, das uns in diesem Moment zufällt, das sich niemand ausgesucht hat. Etwas Überraschung ist immer mit dabei.

Jedenfalls besser als das, was mir kürzlich ein Freund erzählte, der bei einem großen DAX-Konzern arbeitet: Wenn er seinen PC morgens hochfährt, dann leuchtet da als erstes der aktuelle Aktienkurs des Unternehmens.

Nein, dann doch lieber ein Bibelwort. Nehmen wir zum Beispiel den Spruch für den heutigen Sonntag. Er wird gleich in den evangelischen Gottesdiensten zu hören sein.

Sprecher: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ (Lukas 21,28)

Autorin: „Seht auf und erhebt Eure Häupter“ – die Formulierung klingt ein wenig altmodisch. Sie ist eben auch aus Luthers Zeiten. Aber das Bild dahinter, ich habe es immer geliebt und für meinen Glauben ist es mir ganz wichtig: Es geht in diesem Wort aus der Bibel um Menschen, die aufsehen sollen, die ihre Häupter erheben sollen. Machen Sie das mal: Sie stehen dann aufrecht und gerade in Raum, wenn Sie wirklich aufsehen und Ihr Haupt erheben. Sie schleichen dann nicht mehr geduckt vorwärts. So erwachsen, so aufrecht und frei möchte Gott uns. So erwachsen, aufrecht und frei gibt er uns ein Versprechen: Dass wir Zukunft haben, dass Gott seine Welt nicht im Stich lässt, dass ein gutes und heilvolles Leben möglich ist.

4.Musik: Track 7 Macht hoch die Tür, Wolf Codera (Interpret), von CD Codera goes Christmas, Melodie/Komponist: Berlin 1661 / Halle 1704, 2002 Creative Kirche im Lutherverlag, LC 11724.

Autorin: Es ist Advent. Evangelische und katholische Christen eint sehr viel mehr, als sie trennt. Für viele von uns sind diese Wochen eine besondere Zeit im Jahr. Vielleicht vergleichbar mit der Zeit des Ramadan für die Muslime. Wir haben so schöne Advents- und Weihnachtslieder, die nur in diesen Wochen gesungen werden. Wir bauen Krippen auf, mit Maria und Josef, Ochs und Esel, den Hirten auf dem Felde und den heiligen drei Königen. Wir lesen die alten Geschichten, wie die von dem Engel, der Maria verkündet, dass sie schwanger ist:

Sprecher: Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. (Lukas 1,26ff)

Autorin: Wie aber wird es weitergehen hier in Deutschland mit den Religionen und ihren Traditionen und Festen? Mit den Kirchen und dem Christentum? Den Evangelen und Katholen?

Längst hat sich die Landkarte der Religionen verändert. Allein im Ruhrgebiet leben Menschen aus mehr als 140 Nationen. Wie viele Religionen und Weltanschauungen mag es hier geben? Inzwischen haben wir Migranten der zweiten und dritten Generation unter uns, die sich als die neuen Deutschen verstehen: Sie haben die Chefetagen vieler Unternehmen erreicht, arbeiten als anerkannte Journalisten in Funk und Fernsehen, werden bei Wahlen in den Bundestag gewählt. Viele träumen in Deutsch und bereichern unser Land auf vielfältige Art und Weise.

Die Prognosen sind eindeutig: So einheitlich wie noch in der Nachkriegszeit wird Deutschland nicht mehr werden. Es gibt keinen Weg zurück. Menschen vieler Religionen und Weltanschauungen werden hier miteinander leben, arbeiten, Deutschland künftig gestalten.

Drei Journalistinnen einer großen Wochenzeitung, alle mit Migrationshintergrund, haben kürzlich ein Buch verfasst: „Wir neuen Deutschen“ heißt das. Sie reflektieren diese Veränderungen. Am Ende formulieren sie eine Vision:

Sprecherin: „Deutschland verändert sich von innen und außen. Das ist ein Verlust, aber auch ein Chance. Eine Chance für eine deutsche Identität, die nicht auf Schuld und Scham, sondern auf Erneuerung und Vielfalt beruht. Die ein Gefühl wie Stolz möglich macht, ohne dass es sich schal anfühlt.“ (Zitat aus: Wir neuen Deutschen. Wer wir sind, was wir wollen. Özlem Topcu, Alice Bota, Khue Pham, Hamburg 2012², Seite 171.)

Autorin: Es ist eine große Vision, die diese drei Journalistinnen hier beschreiben: Eine deutsche Identität, die stolz ist darauf, dass unser Land sich erneuert und so vielfältig ist… so weit sind wir an vielen Orten noch nicht. Manche fürchten die Veränderungen. Aber wie stark hat sich die Welt zu Luthers Zeiten gewandelt? Will heute noch jemand zurück?

Das kleine Kind im Stall von Bethlehem wurde zur großen Hoffnung für viele: Denn seine Vision vom Reich Gottes begeisterte die Menschen. Vom Reich Gottes, in dem ein gutes Leben für alle Menschen möglich ist - für die am Rande und die im Zentrum - Frieden und Gerechtigkeit, gegenseitige Achtung und Toleranz gehörten zu dieser Vision, die Jesus verkündet hat und für die er sein Leben gelassen hat.

5. Musik Musik schon vorher ab: Track 2 Gloria in excelsis, Wolf Codera (Interpret), von CD Codera goes Christmas, Melodie: Frankreich 18. Jh., 2002 Creative Kirche im Lutherverlag, LC 11724.

Autorin: Als Christin feiere ich im Advent mit vielen anderen Christen den Anbruch dieser Hoffnung, dieser Vision. Wir sind damit nicht alleine – das macht Mut. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine gesegnete Adventszeit. Es verabschiedet sich Pfarrerin Antje Rösener aus Hattingen.

5.Musik Track 2 Gloria in excelsis, Wolf Codera (Interpret), von CD Codera goes Christmas, Melodie: Frankreich 18. Jh., 2002 Creative Kirche im Lutherverlag, LC 11724.

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