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Das Geistliche Wort | 08.02.2015 | 08:40 Uhr
„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel!“
Guten Morgen!
Wer kennt ihn nicht: den international bekannten russischen Clown am Moskauer Staatszirkus Oleg Konstantinowitsch Popow?! Berühmt wurde er durch einen seiner unvergesslichen Auftritte, der mir seit einem Zirkusbesuch lebhaft in Erinnerung geblieben ist: Ich saß mit hunderten Zirkusbesuchern in einem abgedunkelten Zirkuszelt und erwartete die Eröffnung des Programms. Nach einigen Augenblicken leuchtete ein Scheinwerfer auf und warf einen Lichtspot in die Manege. In viel zu großen Schuhen, einem viel zu weiten Mantel und mit einem Köfferchen in der Hand watschelte Popow, der Clown, aus dem Dunkel und schritt auf den Lichtfleck zu. Kaum hatte er ihn erreicht, ließ er sich nieder und räkelte sich, so als wärme er sich in der Sonne. Doch der Moment war nur von kurzer Dauer; denn das Licht eilte an eine andere Stelle in der Manege. Und der Clown lief ihm hinterher. Als er den Lichtfleck erreicht hatte, legte er sich mit seinem ganzen Körper auf den Lichtfleck, so, als wolle er ihn festhalten. Vergebens! Das Licht eilte schon wieder an eine andere Stelle. Popow gab jedoch nicht auf und lief wieder hinterher. Als er den Lichtfleck erreicht hatte, versuchte er jetzt das Licht mit Hilfe seines Koffers einzufangen. Und als er den Koffer schloss, wurde es im ganzen Zirkus dunkel. Es schien ihm gelungen zu sein, das Licht einzufangen. Schließlich öffnete er den Koffer und schüttete das Licht aus mit weiten Bewegungen in das dunkle Zirkuszelt hinein. Und im Zelt war es auf einmal sonnenhell. Ich war begeistert und die Zuschauer, die klatschten vor Freude über den gelungenen Gag!
Musik I:
Es ist nicht nur ein Gag, den der Clown Oleg Popow vorführt, wenn er versucht, Licht einzufangen. Mir hat es die Augen geöffnet für so manches Verhalten gerade von uns Christen. – Ich weiß natürlich, dass man Licht nicht einfangen kann, aber mir kommt es manchmal so vor, dass wir Christen uns oft so verhalten, als ob wir das Licht der frohen Botschaft verschließen, um es für uns zu behalten, wie der Clown Popow es im Koffer verschließt. – Könnte es sein, dass die Christen hierzulande zu sehr um sich selbst kreisen, dass wir zu sehr in innerkirchliche Querelen und Probleme verstrickt sind, dass wir dabei unsere Aufgabe aus dem Blick verlieren, in die Welt hineinzuwirken? – Um im Bild zu bleiben: Ist das Licht der frohen Botschaft des Jesus von Nazareth unter Verschluss und zwar durch die Christen selber, so dass es nicht nach außen strahlen kann und nicht erkannt werden kann? Licht kann man schließlich nur erkennen im Widerschein. Und das gilt auch von der frohen Botschaft Christi.
Der emeritierte Bischof von Erfurt Joachim Wanke hat einmal den Satz geprägt:
Sprecher:
„Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt etwas. Es ist nicht das Geld. Es sind auch nicht die Gläubigen. Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt die Überzeugung, neue Christen gewinnen zu können. Das ist ihr derzeit schwerster Mangel.“
Das heißt doch: Die Christen strahlen zu wenig nach außen, sie sind sich selbst genug. Dabei haben sie den Auftrag nicht bei sich zu bleiben, sondern nach außen zu gehen und den Menschen eine gute Nachricht zu bringen. – Wer sein Christsein unter Verschluss hält, der kann auch nichts ausstrahlen! Papst Franziskus hat dazu klar Position bezogen:
Sprecher:
„Mir ist eine ‚verbeulte’ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“
Papst Franziskus möchte eine Kirche, die missionarisch ist, die hinausgeht bis an die Grenzen der Welt, bis an die Grenzen menschlicher Schicksale in Leiden, Not und Tod. Wie das Licht erst erfahren wird, im Widerschein, so kommt die Botschaft Jesu erst zur Geltung, im Dienst an den Menschen.
Musik II: „Im Dunkel unserer Nacht“ – Taizé
Beim Auftritt des Clowns Oleg Popow warteten die Besucher im abgedunkelten Zirkuszelt auf die Eröffnung des Programms. Auch diese Erfahrung ist für mich ein Bild: Wie viele Menschen sehnen sich doch nach einem Lichtblick für ihr Leben. Im Zirkus geht das dank des Clowns Oleg Popow gut aus. Und wie ist es im richtigen Leben? Wenn ich in die Bibel schaue, dann steht da ganz am Anfang ein entscheidender Satz, quasi der Programmstart Gottes bei der Schöpfung: Gott eröffnet sein Programm mit den Worten: „Es werde Licht!“ – Das sind die ersten Worte die Gott spricht in der Schöpfungsgeschichte. Und das ist kein Gag, sondern steht über dem Ganzen: über der Schöpfung und der Menschheit. Bei jedem Anbruch eines neuen Tages werde ich daran erinnert, dass Gott der Lichtblick meines Lebens ist, das auch über meinem Leben Gottes steht, wie das Licht über dem Tag. Und das gibt mir Mut und Vertrauen, jeden neuen Tag zu bestehen.
Im Jahresverlauf der Kirche begegnet regelmäßig das Motiv des Lichtblicks. Am Heiligen Abend zum Beispiel wird im Gottesdienst aus dem im Buch des Propheten Jesaja vorgelesen, wo es heißt: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht.“ Für uns Christen ist dieses helle Licht Gott selbst, der in Jesus Christus an Weihnachten Mensch geworden ist. Man könnte sagen: Mit der Geburt Jesu Christi bekommt das göttliche Licht Hand und Fuß.
Auch Ostern spielt das Motiv vom Licht eine zentrale Rolle. In der Osternacht singt der Priester nach dem Entzünden der Osterkerze: „Christus das Licht!“. Für mich ist das der Lichtblick schlechthin: Die Finsternis des Todes Jesu am Karfreitag wird – bildlich gesprochen – überstrahlt vom auferstandenen Christus und das Osterlicht schenkt mir einen neuen Schöpfungsmorgen wie beim ersten Schöpfungsbericht. Da hieß es ja: „Es werde Licht!“
Schließlich gibt die Heilige Schrift einen weiteren Lichtblick. Im Buch der Psalmen heißt es: „Blickt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten.“ Ich verstehe das so: Wer auf Gott setzt, wer auf ihn vertraut, der empfängt sein Licht. Beispiel dafür ist Mose, als er vom Sinai hinabgestiegen ist, nachdem er mit Jahwe gesprochen hatte. Wörtlich heißt es: „Während Mose vom Berg hinunterstieg, wusste er nicht, dass die Haut seines Gesichtes Licht ausstrahlte.“
Ich verstehe das so: Wer sich auf Gott einlässt, der wird selbst zu einem Lichtblick für andere.
Musik III: „Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht…“ – Taizé
Lichtblicke sein für andere. Davon handelt auch das Fest „Darstellung des Herrn“, das in der katholischen Kirche am vergangen Montag gefeiert wurde. Früher wurde es „Mariä Lichtmess“ genannt. Es ist ein Fest, das vierzig Tage nach Weihnachten noch einmal daran erinnert, dass das göttliche Licht in Menschengestalt erschienen ist. In den biblischen Erzählungen wird vom greisen Simeon berichtet, dass er im Jerusalemer Tempel Jesus in seine Arme nimmt und Gott mit den Worten preist:
Sprecher:
„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“
Simeon hat sein ganzes Leben auf diesen Moment gewartet, um den Messias d.h. den Erlöser und Retter der Menschen zu sehen, eben das Licht, welches mehr noch als die Heiden, die Dunkelheit der Welt erleuchtet. Gemeint ist damit das Geschenk der Hoffnung in den Erfahrungen von Not, Leid und Tod.
Als kleines Zeichen dieser Hoffnung, werden an diesem Festtag der „Darstellung des Herrn“ in der katholischen Kirche auch die Kerzen gesegnet, die im Gottesdienst entzündet werden. Mancherorts können die Gläubigen sie auch mit nach Hause nehmen, als Hoffnungslicht, das sie an Christus, den Licht- und Lebensspender erinnern soll.
Die Schriftstellerin Emmy Grund hat in einem Gedicht einen Gedanken formuliert, der noch weiter reicht: nicht nur Kerzen anzünden, sondern vielmehr auch das Lachen:
Sprecherin:
„Zünd das Lachen wieder an.
Bläst der Wind dir ins Gesicht,
fühlt dir einer auf den Zahn,
nimmt der Nebel dir die Sicht,
kreuzt ein Virus deine Bahn,
schickt an den verflixten Tagen
das Finanzamt einen Brief,
hast du Porzellan zerschlagen,
hängt der Haussegen mal schief –
Zünd das Lachen wieder an.
Gib den kleinen Alltagssorgen,
aufgeplustert, gerne groß,
keine Chance auf ein Morgen,
lass sie los.
Aus so manchem Stolpersteinen,
die wie Unkraut blühen,
lassen sich gar oft die kleinen
köstlichen Essenzen ziehen.
Zünd das Lachen wieder an.
Streu es zwischen Sorgenfalten,
Bitterkraut und Schnee,
lass es Licht und Duft entfalten,
lade es zum Tee.
Warm und herzlich, springlebendig,
so, wie heller Sonnenschein
soll es arglos, tief inwendig
Türen öffnen und befrein.
Zünd das Lachen wieder an.“
Immer wieder, wenn ich dieses Gedicht höre, muss ich daran denken: Es gibt so viele Menschen, denen das Lachen vergangen ist: die vielen Flüchtlinge, die Kranken und Obdachlosen, die Armen und Verzweifelten. Ich selber fühle mich oft machtlos. Aber was Emmy Grund in ihrem Gedicht anregt, das kann ich vielleicht am ehesten verwirklichen: Dem anderen ein Lächeln schenken. So gesehen, gewinnt ein anderes Bibelwort für mich noch eine besondere Bedeutung: „Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, sondern auf einen Leuchter, damit es allen im Hause leuchtet.“ Vielleicht wird mein Lächeln heute ein erster Lichtblick für einen anderen Menschen, vielleicht entzünde ich heute sogar in einem Menschen wieder das Lachen an, von dem Emmy Grund spricht.
Musik IV: Jésus le Christ (Christus dein Licht) – Taizé
Licht und Lächeln zu empfangen oder auch für andere zu werden, das wünscht Ihnen aus Paderborn Diözesanjugendpfarrer Stephan Schröder.
*Deutsche Bischofskonferenz: Zeit zur Aussaat – missionarisch Kirche sein. 26. November 2000, S. 35.