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Kirche in WDR 5 | 05.03.2015 | 06:55 Uhr
Ohrwurm
Guten Morgen! Sie hören eine Melodie oder ein Lied und es geht Ihnen nicht mehr aus dem Kopf. Wo Sie gehen und stehen, was Sie tun oder lassen – immer geht es mit.
Ohrwürmer kennt jeder. Allerdings ist Ohrwurm nicht gleich Ohrwurm. Es gibt welche, die schön sind. Und es gibt Ohrwürmer, die können einen zur Verzweiflung treiben. Weil das, was sie in unserem Kopf und Herzen auslösen, alles andere als schön ist.
Meist sind es weniger Töne, sondern eher Worte. Zum Beispiel Worte, die andere zu uns gesagt haben - einmal oder öfter. Oder es sind Worte, die wir in den Blicken und Gesten anderer gelesen haben. Und die sich in uns festgesetzt haben, und auf Schritt und Tritt in uns nachklingen. Du Trampel. - Du Versager. – Mensch, du mit deinen zwei linken Händen – Du lernst es nie. Und selbst, wenn diese Worte einmal in uns verstummen, lassen sie etwas zurück: Enttäuschung, Misstrauen, Traurigkeit, Schuld- oder Minderwertigkeitsgefühle.
Ich kann mir denken, dass der böse Geist, den der König Saul in sich gehabt haben soll, ein solcher Ohrwurm war. So wird es ja in der Bibel erzählt. Kann sein, dass Saul voller Missklänge war, Ohrwürmer, die ihn quälten, die er nicht mehr loswurde, die ihn verzweifeln ließen, niedergeschlagen machten.
Dann kommt David mit seiner Harfe zu ihm und spielt. David hält dagegen, setzt einen Kontrapunkt. Er setzt mit seiner Musik dem Saul einen anderen Ohrwurm ins Ohr. Und genau das hilft. Der König wird ruhig. In ihm wird es wieder ruhig. Zumindest für eine Weile. „Sooft nun der böse Geist über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So wurde es Saul leichter und es ward besser mit ihm und der böse Geist wich von ihm.“ (1. Samuel 16,23)
Was mag wohl David dem Saul vorgespielt haben? Sicher waren es harmonische und beruhigende Harfenklänge und auch tröstende, heilende Worte. Zum Beispiel: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.“ (Psalm 23,1-2)
Gut möglich, dass David an manchen Tagen alle diese Worte gegen die inneren Stimmen des Königs gehalten hat und immer wiederholen musste. Bis das Gedröhne in Sauls Kopf endlich nachgelassen hat und es wieder still in ihm geworden ist. Bis Saul wieder aufatmen, durchatmen konnte.
Es wäre doch schön, wenn wir auch manchmal so einen David hätten. Jemanden, der dagegen hält. Jemanden, der einen Kontrapunkt setzt. Wenn sich negative Worte und Gefühle, wenn sich Missklänge in unserem Herzen festgesetzt haben. Jemanden, der uns einen anderen Ohrwurm ins Ohr setzt.
Worte, die gut tun, und heil machen, trösten und verzeihen. Jemanden, der uns Worte zum Leben und für das Leben sagt. Oder noch besser: singt. Denn das gesungene Wort reicht ja oft tiefer als das gesprochene. Es erreicht nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz, die Seele, alle Zellen des Körpers.
Einen solchen David wünscht Ihnen, wenn Sie ihn heute brauchen, Pfarrer Frank Küchler aus Marialinden.