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Kirche in WDR 5 | 05.12.2015 | 06:55 Uhr
Nikolaus
Poch… Poch, Poch, wird man heute gegen Abend an vielen Türen hören.
Klopfzeichen – nicht weil die Türschelle defekt ist, sondern weil ein außergewöhnlicher Gast herein möchte. Natürlich - der heilige Nikolaus.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das in meiner Kindheit gewesen ist. Schon Wochen vor dem Nikolaustag haben mir meine Eltern und Großeltern mit dem strengen Nikolaus gedroht: Warte, wenn der Nikolaus kommt.“ Und dazu gab es den erhobenen Zeigefinger.
Und dann kam er. Manchmal allein – manchmal mit Knecht Ruprecht – dann wurd’s noch unangenehmer. Dann hab ich wirklich Angst bekommen.
Der Nikolaus kam und wir haben mit der ganzen Familie– mehr schlecht als recht: gesungen: Nikolaus, komm in unser Haus, pack die große Tasche aus.
Das hat er zunächst nicht getan: er hat sein Goldenes Buch aufgeschlagen und versucht, meinen Eltern bei ihren Erziehungszielen behilflich zu sein.
Klemens, du räumst dein Zimmer nicht auf? Du streitest mit deinen drei Geschwistern? Du willst abends nicht ins Bett? Versprichst du dem Nikolaus, dich zu bessern? Ja, lieber Nikolaus, das verspreche ich! Dann hat er seinen Jutesack geöffnet und mir ein Geschenk überreicht.
Der Nikolaus als Erziehungsgehilfe meiner Eltern. Schade. Schade auch, dass er heutzutage zu einem Verschnitt zwischen Weihnachtsmann und Coca Cola-Werbung verkommen ist.
Wenn ich Enkelkinder hätte – ich bin so jetzt in diesem Alter – dann würde ich ihnen heute erzählen, dass der Nikolaus einer gewesen ist, der die Menschen gemocht hat, der die Menschen geliebt hat, besonders die Notleidenden, die Armen, die Zukurzgekommenen und die Kinder.
Ich würde meinen Enkelkindern sagen, dass der Bischof Nikolaus Türke gewesen ist, kein Deutscher. Und dass er dort gelebt hat, wo viele von uns Urlaub machen – ungefähr dort, wo der Badeort Antalya liegt.
Und dann würde ich den Kindern die Legende von Nikolaus erzählen, der Menschen aus Seenot gerettet hat, die große Angst hatten unterzugehen – und zu ertrinken.
Nikolaus: Retter in Not, einer der hilft, wo Menschen das Wasser bis zum Halse steht.
Und dann würde ich meinen Enkelkindern natürlich auch ein Geschenk überreichen. Um ihnen damit eine Freude zu machen. Einfach so, weil ich sie gerne habe und Jesus auch, der große Menschenfreund.
Gott sei Dank hat der Mann mit dem roten Mantel und dem Jutesack auf den Schultern als Kinderschreck ausgedient.
Hoffentlich hat er auch eines Tages ausgedient als Unterhaltungsonkel auf Weihnachtsmärkten. Als Packesel der vorweihnachtlichen Werbung.
Nikolaus – ein engagierter Christ. Hochaktuell, dass er sich Menschen in Seenot eingesetzt hat- für Menschen, denen das Wasser bis zum Halse steht.
250.000 sind allein im Mittelmeer in den letzten 15 Jahren vor Lampedusa ertrunken und anderswo.
Ich wünsche Ihnen heute einen nachdenklichen Nikolausabend.
Ihr Klemens Schneider, Pfarrer in Senden