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Kirche in WDR 5 | 16.02.2016 | 06:55 Uhr
Legitimer Widerstand - Jona
Guten Morgen! Wenn ich jetzt mal so „Jona“ in den Raum rufe, da wird es bei den Bibelkundigeren wohl klingeln: „Ach ja Jona, der mit dem Fisch“; weil es aber - Gott sei’s geklagt - immer weniger Bibelkundige gibt, werde ich Ihnen die Geschichte kurz erzählen und Ihnen dann heute und in den nächsten drei Tagen aufdecken, warum wir Jona sind. Ich lasse es mal bei dieser etwas dunklen Andeutung und fange einfach an:
Jona war ein Prophet; Gott schickte ihn eines schönen Tages nach Ninive. Die Stadt war für damalige Verhältnisse eine Megacity. Der Prophet soll der Stadt nun ihren totalen Untergang mitteilen; denn Gott hatte sich maßlos über ihre Einwohner geärgert.
Wenn wir von unseren Vorgesetzten so deutliche Aufträge erhalten, dann machen wir das. Sonst setzt es eine Abmahnung oder Schlimmeres. Aber Jona denkt nicht daran; er macht sich aus dem Staub. Flieht auf ein Schiff, das ihn aus Gottes Augen bringen soll. Ein bisschen kurz gedacht vom Propheten. Gott entdeckt ihn natürlich und beschließt, ihm eine Lektion zu erteilen. Er schickt einen lebensbedrohlichen Sturm; alle auf dem Schiff geraten in Panik; die Schiffsführung bittet jeden Passagier, seine jeweilige Gottheit anzurufen; vielleicht ist ja eine darunter, die retten kann. Und Jona? Der schläft.
Ich breche mal hier die Erzählung ab. Was haben wir bis jetzt? Da ist ein Mann, dem wird ein Befehl erteilt mit schrecklichem Inhalt. Und er leistet Widerstand. Das ist schon bemerkenswert.
Gerade uns Deutschen tut es gut, uns an Jona ein Beispiel zu nehmen. Galten wir doch zumindest lange Zeit als ein Volk der idealen Befehlsempfänger. Irgendeine übergeordnete Stelle ordnet was an und wir tun es, bedenkenlos. Befehl ist Befehl. Was daraus folgen kann, wissen wir: Schreckliches wie in den 12 Jahren von 1933-1945. Aber diese Mentalität „man tut, was man uns sagt“ ist ja nicht so ganz ausgerottet und auch nicht nur eine deutsche Spezialität.
Gott hat uns doch nicht nur Ohren gegeben, um zu hören sondern auch einen Verstand und ein Herz um zu prüfen, was uns da so ins Ohr geblasen wird. Jona nimmt das und damit Gott ernst und deshalb sagt er nicht spontan und ungeprüft „Jawohl, mein Herr“. Es geht um Hunderttausende; Männer, Frauen, Kinder, Vieh und was sonst noch lebendig ist. Das alles will Gott ausradieren – und Jona soll mit seiner Botschaft dieses Schreckensszenario in Gang setzen. Guter Jona! Er verweigert sich. Und - so sehe ich es -, gibt Gott damit Gelegenheit, seinen furchtbaren Vernichtungsfeldzug gegen Ninive zu überdenken.
Und Jonas Botschaft an uns? Keine Aktion, die in das Leben oder das Lebensumfeld anderer eingreift, dürfen wir ungeprüft und bedenkenlos starten. Keiner von uns darf sich zum Handlanger von Aufträgen machen lassen, wenn wir nicht aus Überzeugung und nach reiflicher Prüfung zustimmen können.
Und sei es nur als hinhaltender Widerstand. Er gibt allen Beteiligten, den möglichen Opfern, den Tätern und den Auftraggebern eine Möglichkeit, das alles noch einmal zu überdenken. Widerstand ist keine Katastrophe; Widerstand ist legitim und kann lebensrettend sein. Für alle.
Dass selbst Gott das versteht und sogar billigt, zeigt der Fortgang der Geschichte. Leider muss ich Sie damit auf morgen vertrösten; denn meine Zeit heute ist um.
Schöne Grüße, Gerd Höft, Pfarrer aus Düsseldorf.