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Kirche in WDR 5 | 29.03.2016 | 06:55 Uhr

Mit weitem Herzen leben

Guten Morgen! Karneval. Erinnern Sie sich noch? Auch wenn Veilchendienstag heute sechs Wochen zurück liegt - ich seh sie noch vor mir: die zarte Indianerin aus dem dritten Schuljahr, den Fünfjährigen mit Cowboystiefeln und Revolver im Halfter und die Jugendliche: überhaupt nicht zu erkennen in ihrem Zebrakostüm und mit weiß-schwarz geschminkten Gesicht. Ihre Kostüme zeigten, was in ihnen steckt, ihre geheimen Träume wurden sichtbar. Im Alltag sind sie hellhäutig und ein bisschen ängstlich, eher einfarbig als gestreift, tragen Turnschuhe und keine Stiefel, haben geflochtene Zöpfe statt Teufelshörner auf dem Kopf, Jeans statt Star Wars-Kostüm am Leib. Karneval ist wie ein Spiegel, der zeigt, was Menschen auch noch sein können.

Welches Kostüm haben Sie als Kind am liebsten getragen? Ich war als 8-Jährige Indianerin, suchte im Garagenhof nach Blutspuren, mein Fahrrad wurde zum Pferd und ich ritt über Prärien und Berghügel hinauf. Spürte unter meinem Sattel das gedörrte Grizzly-Fleisch und machte mit meinen Indianerfreunden auf dem staubigen Boden am Präriefeuer Pause. In Wirklichkeit hätte ich mich nur zögernd auf ein Pferd getraut, Tiere oder Menschen mit Pfeil und Bogen zu treffen, war auch nicht meins, aber unterwegs zu sein mit leichtem Gepäck und am Lagerfeuer zu sitzen, das finde ich noch heute faszinierend.

Auf Karneval folgte die Passionszeit. Sieben Wochen, in denen ich ausprobieren konnte, anders zu leben. Dieses Jahr forderte eine Aktion auf, mit großem Herzen zu leben. 7 Wochen ohne Engstirnigkeit, Angst, Geiz, Neid und Eingesperrt-Sein – stattdessen sieben Wochen Weitherzigkeit, Zutrauen, Großzügigkeit, Wohlwollen und Befreiung ausprobieren. Dabei spüren, wie sie mein Leben verändern und ich mich verändere. Für diese Fastenaktion musste niemand sein Karnevalskostüm ausziehen. Im Gegenteil: Das Karnevalskostüm konnte manchem zeigen, wohin die Reise gehen kann bei dem Motto Sieben Wochen „Großes Herz!“:

Die Indianerin will mutiger sein, der Cowboy zupackender. Das Zebra will Schwarz und Weiß im Leben zulassen und die Haremsdame hat sich vorgenommen, großzügig andere Lebensformen zu akzeptieren, die ihr fremd sind. Natürlich ist es nicht so ganz leicht, solche Enge zu überwinden und Neues auszuprobieren. Ich kenne Menschen, die haben sich in den Wochen vor Ostern in einer Fastengruppe getroffen. Einmal in der Woche haben sie sich erzählt, wie sie ihr Herz geöffnet und welche Enge sie überwunden haben. Aber auch, was schwerfiel und nicht klappte. „Zusammen geht das besser“, hat mir eine Frau erzählt. „Die Gruppe trägt mich und spornt mich an. Wir nutzen diese Zeit, um das zu leben und zu tun, wozu wir uns sonst die Zeit nicht nehmen.“ Die Fastenzeit endete mit Ostern. Und manch eine braucht nun die Maskerade nicht mehr, um mutiger oder zupackender oder offener zu sein.

Und Ostern selbst? Da ruft Gott Jesus aus dem Tod. Jesus, der mit weitem Herzen lebte. Und mit weitem Herzen starb, als er selbst da noch auf Gott hoffte und für seine Feinde eintrat. Gott hat diese Hoffnung erfüllt und damit gezeigt: Gott sagt nein, wenn einer mundtot gemacht wird. Wenn Macht und Gewalt eingesetzt werden, um Leute auszuschalten. Gott lässt nicht zu, dass der, der wie tot am Boden liegt, dort liegen bleiben muss. Bis zum letzten Atemzug singt Gott selbst das Lied vom großen Herzen: Lebe dein Leben offener, weitherziger, liebevoller und friedlicher.

Gute Erfahrungen damit wünscht Ihnen Kathrin Koppe-Bäumer, Pfarrerin in Meschede.

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