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Das Geistliche Wort | 26.06.2016 | 08:35 Uhr
Und wenn ich da meinen Glauben nicht gehabt hätte...
„Wenn ich da meinen Glauben nicht gehabt hätte…“ Auch nach 40 Jahren brach es ihr noch die Stimme als sie es mir erzählte. Hart war es damals für sie. Von einem Tag auf den anderen war alles anders. „Wie soll‘s denn jetzt weiter gehen?“ Mit der Landwirtschaft und ihren vier kleinen Kindern stand sie nun allein da. Kaum 50 Jahre war er alt geworden, ihr Mann, als er am Krebs gestorben war. Mit Gott hat sie gehadert! „Warum hat er das zugelassen?“ Und es ist weiter gegangen! Anders als sie geplant hatte. Stolz ist sie heute auf sich und darüber, was aus den Kindern geworden ist. Ich habe sie gefragt, woher sie denn die Kraft zum Weitermachen genommen hat. Die Nachbarn und gute Freunde waren ihr Stütze. Sie schaut mich an: „Aber vor allem... Wenn ich da meinen Glauben nicht gehabt hätte…“
Musik 1
Guten Morgen!
„Und wenn ich da meinen Glauben nicht gehabt hätte...“ Die Begegnung mit der alten Dame hat mich nachhaltig beeindruckt. Da werden Menschen von Schicksalsschlägen heimgesucht, die ihnen im wahrsten Sinn des Wortes den Boden unter den Füßen wegziehen. Und doch finden sie Halt und fallen nicht ins Bodenlose. Die alte Dame hat‘s noch einmal auf den Punkt gebracht. Nachbarn und gute Freunde waren ihr eine Stütze. Aber vor allem… Wenn ich da meinen Glauben nicht gehabt hätte. Faszinierend, so ein starker Glaube, der sich vor allem in Krisensituationen als Hilfe und Stütze bewährt. Von der alten Dame habe ich im Kreis von jungen Leuten erzählt. „Bo, so einen starken Glauben wünschte ich mir auch“ war die spontane Reaktion einer Teilnehmerin.
Musik 2
„Und wenn ich da meinen Glauben nicht gehabt hätte…“ Die Bibel ist für mich ein einzigartiges Zeugnis davon, dass Menschen zu allen Zeiten Kraft aus dem Glauben an Gott geschöpft haben. Zwei Bibelstellen sind mir besonders wichtig.
Da ist einmal im ersten Buch der Bibel, im Buch Genesis, der Bericht von Abraham: 75 Jahre ist Abraham alt, als er den Ruf Gottes hört (Gen 12,1): „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.“ Mit 75 Jahren alles zurücklassen, was ihm Sicherheit zu geben scheint: Der eigene Grundbesitz, das eigene Haus, die guten Freunde, die Verwandtschaft. Mit 75 Jahren losziehen in ein fremdes Land... Ja, in welches eigentlich? „In ein Land, das ich dir zeigen will!“ Nicht einmal den Namen des Landes erfährt Abraham jetzt. Erst soll sich Abraham aufmachen, dann will Gott der Herr ihm das Land zeigen. Die Verwandten, die guten Freunde sind entsetzt. Abraham hat den Verstand verloren! So werden sie wohl die Entscheidung Abrahams beurteilt haben, als er tatsächlich aufbrach. Außer dem Befehl Gottes, das Vaterland zu verlassen, hat Abraham aber noch etwas viel Wichtigeres von Gott bekommen: eine wunderbare Verheißung! „Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein“ (Gen 12,2). Abraham weiß sich getragen vom Segen Gottes, er weiß, dass dieser Gott seine Wege mitgehen wird.
Abraham ist für mich ein faszinierendes Beispiel dafür, was Menschen vollbringen können, wenn sie ihr Leben festmachen in Gott. Wenn sie der Verheißung Gottes trauen: Ich bin mit Dir auf dem Weg und ich will dich segnen. Abraham ist für mich ein faszinierendes Beispiel dafür, dass Menschen Dinge vollbringen können wo andere sagen: Das klappt doch nie. Lass da bloß die Finger von.
Musik 3
Die Geschichte von Abraham ist zwar eine alte Geschichte der Bibel. Aber auch heute erlebe ich Menschen, die aus ihren gewohnten Bahnen ausbrechen und andere Wege gehen, weil sie spüren, dass ihr Leben in eine falsche Richtung geht. Da ist Maria, die einen tollen Job in der Industrie hat, die ich im Rahmen einer Geburtstagsfeier kennengelernt habe. Eine glänzende Karriere hätte sie vor sich gehabt. Sie kündigt. Als gläubige Christin spürt sie: Wenn ich so weiter mache, dann werde ich gelebt aber ich lebe nicht. Die Eltern sind entsetzt als sie ihnen mitteilt, dass sie nun erst einmal nach Brasilien geht. Es ist jene innere Stimme, die ihr sagt, du muss ausbrechen. Und vor allem: Gott wird mich führen. Im Kern liegt meine Berufung nicht da, was ich bisher gemacht habe…
Nicht immer ist es der große Aufbruch, wo Menschen Gott an ihrer Seite wissen. Für mich sind es die kleinen Dinge des Alltags, im Beruf z. B. wo ich vor Herausforderungen gestellt werde und es mir manchmal angst und bange wird. Und da weiß ich: Du bist nicht allein. Du Herr, du wirst mich führen, wie es in einem Kirchenlied heißt. Das gibt mir Gelassenheit und innere Ruhe. Es kommt eben nicht allein auf mein eigenes Tun an, da ist an meiner Seite ein unsichtbarer Wegbegleiter.
Musik 4
„Und wenn ich da meinen Glauben nicht gehabt hätte…“ Eine zweite Bibelstelle die es mir angetan hat: Es ist der Psalm 23 ebenfalls aus dem Alten Testament:
Sprecher:
Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.
Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit Öl, du füllst mir reichlich den Becher.
Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.
Ein Text der viele tausend Jahre alt ist. Es ist der Erfahrungsbericht eines Menschen, der gespürt hat: Gott hat sich als ein Schutz und Trost in meinem Leben bewährt, auch und gerade in gefahrvollen Situationen. Der Beter oder die Beterin weiß, dass sie sich selbst im finsteren Tal darauf vertrauen kann: „Du Gott bist bei mir und dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“ Man versteht den Text besser, wenn man den Hintergrund seiner Entstehung kennt: Der Text entstand in einer für das Volk Israel schwierigen Situation. Das Volk Israel war aus seinem bisherigen Lebensumfeld herausgerissen worden und in der Verbannung. Das, was die Menschen bisher getragen hat, war nicht mehr: Kein Tempel in Jerusalem um zu beten und Opfer darzubringen. Stattdessen: ein Volk in der Fremde, harte Arbeit. Ausnahmezustand! Und die brennende Frage: Wie soll‘s denn jetzt weitergehen? Das Volk Israel spürt aber wohl: Gott lässt uns nicht allein, wir dürfen auf ihn und seine Zusagen vertrauen. Er sorgt für uns auch in einer schwierigen Situation. Gott ist bei uns auch in dunklen Stunden. Er gibt uns auch dann Zuversicht und Kraft zum Weitergehen. Das sind die Situation und die Erfahrung des Beters vor vielen tausend Jahren. Für mich ist dieses Gebet ein eindrucksvolles Bekenntnis: Und wenn ich da meinen Glauben nicht gehabt hätte…
Musik 5
Den Glauben zu haben – das ist das eine. Den Glauben zu finden dagegen – das ist etwas anderes.
Auf den Bestsellerlisten des Buchmarktes stand vor einigen Jahren das Buch von Hape Kerkeling, der sich auf den Weg nach Santiago de Compostella gemacht hat,: In seinem Buch „Ich bin dann mal weg“ schildert Kerkelin was er auf diesem Weg erlebt hat. Er hat aufgeschrieben, was ihn unterwegs bewegt hat und welche Gedanken ihm unterwegs gekommen sind. Wer die 346 Seiten gelesen hat, wird feststellen, dass es im Grunde genommen zwei Fragenkreise gibt, die dieses Buch bestimmen: Die Frage ‚Wer bin ich?’ und die Frage ‚Wer ist Gott?’ Und damit verbinden sich dann weitere Fragen, etwa nach dem Sinn des Lebens. An einer Stelle schreibt Kerkeling:
Sprecher:
„Während ich bereits bei weit geöffnetem Fenster im Bett liege, frage ich mich, was Gott eigentlich für mich ist.
Viele meiner Freunde haben sich schon lange von der Kirche abgewendet. Sie wirkt auf sie unglaubwürdig, veraltet, vergilbt, festgefahren, unbeweglich, geradezu unmenschlich und somit haben die meisten sich auch von Gott abgewendet. Wenn sein Bodenpersonal so drauf ist, wie muss er selbst dann erst sein ... wenn es ihn überhaupt gibt! Geh mir weg mit Gott, sagen leider die meisten. Ich sehe das anders. Egal ob Gott eine Person, eine Wesenheit, ein Prinzip, eine Idee, ein Licht, ein Plan oder was auch immer ist, ich glaube, es gibt ihn!“
Einen Gedanken nehme ich persönlich nach dem Lesen des Buches mit. Die Frage: „Wer ist Gott?“ werden Menschen allgemein theoretisch nie abschließend beantworten können. Denn menschliche Worte sind Annäherungen, Versuche, in Sprache zu fassen, was Menschen glauben, wer Gott ist. Vielmehr müsste die Frage doch ganz persönlich lauten: Wer ist Gott für mich? Und damit verbunden die Ermutigung: Erzähle, was dir am Glauben wichtig ist, wo du Gott als wichtige Stütze in deinem Leben erfahren hast, wie dieser Gott dein Leben verändert hat, wo er dich getragen hat. Für mich gilt seit Jahren jener Satz aus dem Psalm 23: „Denn du bist bei mir und dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht ...“
Musik 6
Und das erfahre ich ganz konkret in den kleinen alltäglichen Dingen meines Lebens: Als Personalchef im Erzbistum Paderborn muss ich oft schwierige personelle Entscheidungen treffen. Da ist mir Gott ein wichtiger Ratgeber im Hintergrund. Ich verlasse mich in meinem beruflichen Alltag darauf, dass es nicht allein auf mich ankommt. Da ist noch ein anderer, der mich mit seinem guten Geist begleitet. Das gibt mir Zuversicht Ruhe und Gelassenheit in allen Turbulenzen, die der Alltag mit sich bringt. Wenn ich da meinen Glauben nicht hätte: „Denn du bist bei mir und dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht ...“
Aus Paderborn grüßt Sie Ihr Domkapitular Andreas Kurte