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Das Geistliche Wort | 26.02.2017 | 08:35 Uhr

„Sag, Kollege, wie hälst Du es mit der Religion?“

Guten Morgen!

Es war beim letzten Katholikentag in der schönen Stadt Leipzig. Im Jahr des Herrn 2016. Mit forschem Schritt führte mich mein Weg in die „Grimmaische Strasse“. Dort, auf einer kleinen Freilichtbühne, direkt am Naschmarkt sollte ich einen unterhaltsamen Vortrag halten. Über Goethe, Gott und die Welt. Wie vereinbart erwartete mich, direkt vor „Auerbachs-Keller“, eine Vertreterin des Katholikentages. Sie wirkte allerdings sehr verlegen. „Herr Pauels“, sagte er, „ich weiß auch nicht was da schief gelaufen ist, aber wir haben weder Bühne noch Lautsprecheranlage. Was machen wir denn nun? – Schließlich warten schon 100 Schaulustige auf Ihren Vortrag.“ – „Mein Frollein, sein se munter“ antwortete ich mit Heinrich Heine. „Keine Panik. Jetz is Improvisation angesagt.“ Sprach’s und sprang auf den Rand des „Löwenbrunnen“, der dort auf dem Naschmarkt steht. Ich setzte mir Pappnase und Clownshut auf. Immer mehr Menschen blieben stehen und schauten gespannt auf den seltsamen Herren der auf dem Brunnen stand.

„Hochverehrtes Publikum“, hob ich an wie ein Marktschreier in mittelalterlichen Zeiten, „Wir befinden uns hieran einem der berühmtesten Orte der Welt! Diese Stufen dort führen hinab zu „Auerbachs-Keller“, jener Schänke, in der einst ein junger Student namens Johann Wolfgang Goethe inspiriert wurde, zu einem der größten Werke der Weltliteratur! „Dr. Faustus“! Jenes Drama, welches in genialen Zeilen und Versen die uralten Fragen der Menschen erklingen lässt.

Zunächst die dunklen Stimmungen in Ängsten und Schwermut. „Weh, weh, wär ich die Gedanken los, die mich hinüber und herüber treiben…!“ Und: „Ihr naht euch wieder schwankende Gestalten …!“ Und dann die Frage aller Fragen: Gibt es einen Sinn hinter den Dingen – oder ist alles Leben letztendlich ein absurdes Schreiten hin zur Endlichkeit in die Verrottung auf dem kosmischen Abfallhaufen des Nichts? Niemals wurde diese Frage treffender zusammengefasst als in Faustens Ruf: „Ich will wissen was die Welt im Innersten zusammenhält!“

Tja – und dann kommt Gretchen, die bedingungslos liebt: Ehrlich, total, unschuldig und wehrlos und die ihm, dem abgebrühten, berechnenden, narzisstischen Nihilisten jene Frage stellt, welche zum geflügelten Wort wurde. „Heinrich, wie hältst Du es mit der Religion?“ Da ist sie also. Die berühmte Gretchenfrage.“

Musik I

„Wie hältst Du es mit der Religion?“ Ich stellte selbige in einer Situation, in der sie zunächst völlig unangebracht erscheint, aber vielleicht gerade deshalb eine ehrliche Antwort hervorrief. Ich stellte sie, mitten im Trubel einer Karnevalssitzung, backstage, an meine Kollegen:

Sag Mal Guido Cantz: „Wie hältst Du es mit der Religion?“

O-Ton Guido Cantz: 00.58 Min. (Track 8)

Leider, vielleicht ein bisschen zu wenig, ich würde gerne der Religion ein bisschen mehr frönen. Gehe immer noch sehr gerne in die Kirche und versuche auch ... Meine Frau übrigens ist vielleicht noch ein bisschen aktiver in der Religion als ich, die nämlich die Kinder-Wortgottesdienste mit vorbereitet. Wir versuchen aber unseren Sohn in die richtige Richtung so ein bisschen zu lenken und der sagt dann immer: „Papa, kann ich denn mit nach vorne gehen wenn die Kommunion ausgeteilt wird“, und dann haben wir einen sehr netten Pastor, der auch dem Paul immer ein schönes Kreuzzeichen auf die Stirn macht und ihn segnet. Also, ich finde Religion ganz wichtig heutzutage, in der Zeit wo die Werte anscheinend immer mehr verschwimmen gehört Religion zu einem Wert dazu den ich sehr sehr hoch schätze.

Und Du Fritz Schopps?

O-Ton Fritz Schopps: 00.46 Min.

Lieber Willibert, zu deiner Gretchenfrage habe ich folgendes zu sagen: „Ich bin kölsch-katholisch wie de Mam und de Pap. Sonntags mit der Messe hat es nur selten geklappt, zur Taufe, Kommunion und Firmung gegangen, also die üblichen drei Sakramente empfangen.“ Ich durfte auch eine Zeit lang Messdiener sein, das kollidierte dann aber mit dem Fußballverein. Mit der Kirche hat ich dann irgendwann nichts mehr am Hut, hatte wegen der Verfehlungen vom Klerus oft nur noch Wut, auch eine Nähe zur Religion habe ich nicht mehr verspürt, in deren Namen sind zu viele Verbrechen passiert. Und weil mir so vieles nicht mehr gefiel machte ich mit dem lieben Gott meinen eigenen Deal, aber mit Franziskus, Woelki und meinem Diaklon sitzt jetzt eine Dreifaltigkeit auf meinem Thron, der könnte es tatsächlich gelingen mit dem ganzen wieder etwas näher zu bringen.

Musik II

Bernd Stelter habe ich auch gefragt: „Wie hältst Du es denn mit der Religion?“

O-Ton Bernd Stelter: 00.40 Min.

Tja, wie halte ich es mit der Religion? Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, mich abends ins Bett zu legen und mich mal in aller Ruhe für die schönen Sachen zu bedanken, die ich an dem Tag erlebt habe. Da waren immer welche dabei und Karneval ganz besonders natürlich. Abgesehen davon gehe ich gerne in Kirchen, dabei ist mir die Konfession fast wurscht und es muss auch nicht im Gottesdienst sein. Ich war mal in der Adventszeit in zwei sehr schönen Chorkonzerten und ich liebe es in einer Kirche zu sitzen und selber nichts sagen zu müssen, das ist natürlich ein bisschen selten im Karneval aber danach fange ich damit wieder an.

Und natürlich auch Jürgen Becker.

O-Ton Jürgen Beckers: 00.42 Min. (Track 13)

Also, die Religion ist einer – wenn nicht DER Mittelpunkt im Leben, hört sich vielleicht ein bisschen hochtrabend an, aber ist mir im Leben durch mehrere schlimmere Schicksalsschläge, durch Vorleben meiner Familie und auch durch meine Ausbildung an einem Katholischen Gymnasium in die Wiege gelegt oder später durchs Leben hinzugefügt worden und ist eine wichtige Stütze. Gerade in schwierigen Situationen aber nicht nur, auch eine wichtige Stütze bei der man sich bedankt wenn es mal besonders gut läuft.

Allen meinen Kollegen aus dem Cabaret ist die Religion also nicht gleichgültig, ja sogar mehr oder weniger wichtig und wertvoll. Der Ehrlichkeit halber muss man aber sagen, dass alle Befragten – und es waren wesentlich mehr als die hier gehörten – christlich sozialisiert sind. Sie sind alle im Rheinland aufgewachsen. – Wie aber sieht es im übrigen Lande aus? Vor allem im Osten, jenem Teil unseres Vaterlandes, wo der Atheismus über Generationen hinweg, Staatsdoktrin war?

Musik III

Zur Beantwortung dieser Frage begeben wir uns in die „Sachsenklinik“, jenem fiktiven Krankenhaus der ARD-TV-Serie, welche ausgerechnet in Leipzig, nur einen Steinwurf von „Auerbachs-Keller“, spielt. Sie heißt „In aller Freundschaft“ und zählt zu den erfolgreichsten Sendungen in unserem deutschen Fernsehprogramm. Kein Wunder, zeigt sie doch Episoden mittels den entscheidenden Emotionen der Menschen: Angst und Freude. Hoffnung und Verzweiflung. Leben und Tod. In allen denkbaren und typischen Räumen eines Krankenhauses werden die Dramen und Geschichten erzählt. Nur ein Raum kommt absolut nicht vor. Ein Raum, der in den Hospitälern meiner Kindheit noch selbstverständlich war. Die Krankenhauskapelle. Würde ich also den Drehbuchschreibern die Gretchenfrage stellen: „Wie haltet ihr es mit der Religion?“ lautete die Antwort offensichtlich: „Überhaupt nicht!“

Und das hat natürlich Konsequenzen.

Ich stelle mir das so vor: Ein erstes Szenario:

Ein Kind wird operiert. Es geht um Leben und Tod. Die Eltern sind halb wahnsinnig vor Angst. Sie laufen den Flur auf und ab, wie „Rilkes Tiger“: „…als wenn es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt…“

Da ist kein Raum der Zuflucht. Da ist kein Ort wo man „aus der Tiefe rufen kann“ keine Madonna – kein Bild des Gekreuzigten. Der einzige Zufluchtsort ist der Kaffeautomat auf dem Krankenhausflur.

Ein zweites Szenario könnte so aussehen:

Die Operation ist gelungen! Das Kind lebt! Voller Glück fallen die Eltern dem Arzt um den Hals. Gut so. Szene abgeschlossen. In meiner Kindheit wäre es so weitergegangen. Schnitt – Der Vater oder die Mutter oder beide in der Krankenhauskapelle. Oder, was natürlich auch möglich wäre, sie haben mit Religion nichts am Hut. Dann eben nicht. – Aber in allen Hunderten bisherigen Folgen der Serie wird die Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht gezogen, weil es diesen Raum der Religion nicht gibt! Er existiert einfach nicht. Wenn Gott tot ist, bleibt nur noch der „Halbgott im weißen Arztkittel“. Was, wenn dieser aber nun selber rat- und trostlos ist?

Jetzt die das dritte Szenario: „Das Kind in den Armen der Mutter ist tot“ – Die OP ist nicht gelungen. Was nun? Wohin in der furchtbaren Verzweiflung? Da ist kein Ort. Kein Raum des – zumindest theoretisch – möglichen Trostes. Gibt es den überhaupt?

Die Ikone dieser entsetzlichsten aller entsetzlichen Szenen, nämlich das tote Kind auf dem Schoss der Mutter, nennt man „Pieta“. Michelangelo schuf die vielleicht berühmteste Darstellung davon. Wie konnte dieser begnadete Künstler es fertigbringen ein Bild zu gestalten in dem das Gesicht der Mutter zutiefst traurig und getröstet zugleich aussieht? Die Antwort liegt in einem Satz den Michelangelo selbst formulierte: „Wenn wir sterben gehen wir nicht ins Nichts, sondern wir wechseln nur die Räume“ – oder wie wir es Margot Käsmann sagt: „Wenn der Arzt sagt „EXITUS“ sagt der Gläubige INTROITUS.“

Musik IV

In dem Moment als Faust die unverdiente, bedingungslose, unschuldige Liebe Gretchens spürte wusste er „was die Welt im Innersten zusammenhält“ und er rief: „Oh Augenblick verweile doch du bist so schön!“ Die Liebe ist der Raum in dem die Zeit aufgehoben wird und sich zur Unendlichkeit weitet. Jeder spirituelle Raum, jede Kirche, jede Krankenhauskapelle ist die steingewordene Sehnsucht nach jenem unendlichen ewigen Raum der Liebe, die selbst der Tod nicht zerstören kann. Es ist die Sehnsucht und die Hoffnung, dass der Glaube des Michelangelo und der Bischöfin Käsmann wahr ist: Die Liebe ist stärker als der Tod! Ihr verwaisten Eltern – ihr werdet eure Kinder wiedersehen! Das ist was die Welt im Innersten zusammenhält!

Und deshalb ist die Religion so wichtig. Merkt euch das-ihr Drehbuchschreiber!

Sagt Diakon Willlibert Pauels aus Wipperfürth

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