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Das Geistliche Wort | 16.04.2017 | 08:35 Uhr

„Bis der Tag anbricht“

Einen schönen guten Morgen – heute an diesem Ostersonntag!

Für die Christen ist Ostern das Fest der Auferstehung Jesu. Schon heute Nacht haben sich viele weltweit zum Gottesdienst versammelt, um dieses Ereignis nicht nur zu feiern, sondern um es symbolisch mitzuerleben. Denn eigentlich soll der Gottesdienst auf den Moment zulaufen, wenn die Sonne aufgeht. Der Tagesanbruch wird zum Bild für die zentrale Botschaft des Osterfestes: Christus ist von den Toten auferstanden! Und so wie das Licht der aufgehenden Sonne die Finsternis vertreibt, sollen alle Menschen eines Tages wieder auferstehen, soll neues Leben den Tod überwinden!

Auferstehung der Toten! Ist das ernst gemeint? Kann es einen solchen Sieg über den Tod geben? Ein ganz großes Erwachen aus dem „ewigen Schlaf“, für mich und für alle Menschen? Ist eine solche Zusage nicht viel zu hoch gegriffen?

Musik I: Mendelssohn-Bartholdy, Hebriden-Ouvertüre

Die Auferstehung der Toten. Diese Vorstellung beruft sich im Christentum auf Jesus von Nazareth, der den Tod überwunden hat.

Aber wie kann ich mir das eigentlich vorstellen? Wie soll das gehen, den Tod überwinden, vom Tod auferstehen? Und was bedeutet überhaupt „Tod“?

Meine persönliche Erfahrung mit dem Tod ist bislang vor allem an einen Menschen gekoppelt: an meinen Vater. Er starb fast auf den heutigen Tag genau vor fünf Jahren. Ich erinnere mich noch sehr gut: Er lag aufgebahrt auf seinem Bett zuhause, im Schlafzimmer meiner Eltern. Frühlingslicht durchflutete den Raum. Auf der Kommode am Kopfende seines Bettes lag ein Palmzweig, daneben brannte eine Osterkerze aus der gerade eine Woche zurückliegenden Osternacht.

Mein Vater sah aus, als ob er schliefe, so friedlich lag er da. Eine große Ruhe strahlte er aus. Fast hätte ich glauben können, er erwache jeden Moment wieder. Aber natürlich wusste ich: er war tatsächlich tot. Das Bild vom Tod als ewigem Schlaf fiel mir ein.

Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen dem Tod und dem Schlaf: Beides knüpft an das Bild der Dunkelheit der Nacht an: Die Dunkelheit der Nacht bedeutete Jahrtausende lang für die Menschen Gefahr und Unsicherheit. Bis heute steht sie für das Unbekannte, dem der Mensch ausgeliefert ist. Das gilt vor allem im Schlaf und noch viel mehr: im Tod. Denn sowohl im Schlaf wie im Tod muss ich das Hier und Jetzt loslassen und mich einer anderen Wirklichkeit überlassen, die meinem Einfluss entzogen ist; in der ich ohnmächtig bin und damit wehr- und schutzlos. Im Schlaf spiegelt sich das zum Beispiel in meinen Träumen.

Meine Träume erfahre ich Nacht für Nacht – auch wenn ich mich nicht immer an sie erinnern kann. Sie sind eine Wirklichkeit, die mir eine Scheinwelt eröffnet und mein Denken sogar dann noch beeinflussen kann, wenn ich am nächsten Morgen wieder aufwache.

Anders der Tod. Von seiner Wirklichkeit weiß ich nicht, wie sie ist und wie ich sie mir vorstellen kann. Wenn ich mich schlafen lege, erwarte ich, dass ich am nächsten Morgen wieder aufwache. Aber was erwarte ich vom Tod? Dass er ebenfalls irgendwann endet? Und wenn er endet, wirkt er sich dann auch noch aus - so wie der Traum beim Erwachen?

Die Vorstellung vom Tod als dem „ewigen Schlaf“ ist da für mich erst einmal greifbarer, selbst wenn ich mir die Ewigkeit im Grunde auch nicht besser vorstellen kann als den Tod. Aber den Schlaf, den kenne ich.

Musik II: Mendelssohn-Bartholdy, Schottische Sinfonie 1. Satz

Der Tod als „Schlaf“. Davon spricht auch Jesus an mehreren Stellen im Neuen Testament. Einmal wird erzählt: Die Tochter eines Synagogenvorstehers ist gestorben. Jesus wird geholt. Bis vor das Haus hört man die Angehörigen klagen und weinen. Aber Jesus sagt: „Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben. Es schläft nur.“ Die Reaktion der Angesprochenen auf diese Einschätzung folgt spontan: „Da lachten sie ihn aus.“

Bei einer anderen Gelegenheit wird berichtet, wie Jesus zu seinen Jüngern sagt: „Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken.“ Daraufhin kommt es zu einem Missverständnis, denn die Jünger Jesu gehen nach diesen Worten davon aus, dass Lazarus tatsächlich nur schläft. Sie sagen: „Herr, wenn er schläft, dann wird er gesund werden.“ Die Richtigstellung liefert der Evangelist: „Jesus aber hatte von seinem Tod gesprochen, während sie meinten, er spreche von dem gewöhnlichen Schlaf.“

Ganz offenbar prallen hier zwei Sichtweisen aufeinander: Die menschliche Perspektive der „gewöhnlichen Sterblichen“, zu denen die Jünger Jesu gehören, und die göttliche Perspektive Jesu, der als der Sohn Gottes auftritt. In der menschlichen Perspektive ist der Tod ein Endpunkt, in der göttlichen gerade nicht. Für Gott, in dessen Plan die Auferstehung vorgesehen ist, ist der Tod nur ein Umbruch in eine andere Wirklichkeit. Und dieser Umbruch – so stelle ich mir das vor – bedeutet Ruhen, Loslassen, Keine-Kontrolle-mehr-über-mich-haben; mit einer Lösung von der Zeit als fortlaufendem Prozess.

Der Tod wäre ein Umbruch in ein neues Bei-sich-Sein – in ein Bei-Gott-Sein.

An dieser Vorstellung gefällt mir, dass ich mich so getrost dem Tod überlassen kann. Dass ich ihn vertrauensvoll über mich kommen lassen kann. So, wie wenn ich mich abends schlafen lege.

Um aber ruhig schlafen zu können, muss ich mich sicher fühlen. Das ist nicht immer einfach. Einen Hinweis, wie es dennoch gelingen kann, habe ich im Buch der Psalmen gefunden. Dort beschreibt König David, wie er sich selbst in größter Bedrängnis, trotz Verfolgung und Bedrohung dem Schlaf hingeben kann: „Ganz ruhig kann ich mich schlafen legen, weil du mich beschützt, bis ich morgens erwache.“ David schläft, indem er sich Gott überlässt. Er ruht in Gott. Voller Zuversicht. Bis Gott ihn wieder aufwachen lässt, ihn wieder erweckt, wenn der neue Tag beginnt.

Davids Psalm ist hoch poetisch und er klingt wunderschön. Aber wie geht es mir, wenn ich nicht in den Psalmen vom Schlafe Davids lese – sondern wenn der Tod eines geliebten Menschen, die letztlich unbekannte Dimension des „ewigen Schlafs“ mich ganz unmittelbar berührt? Kann ich dann genauso glauben, dass dieser Mensch nur ruht, bis Gott ihn erweckt? Und wie sieht es mit meinem eigenen Tod aus? Glaube ich wirklich, dass ich einem ganz großen Erwachen entgegen schlafen werde?

Musik III: Schottische Symphonie, 3. Satz

Glaube ich wirklich, dass ich einem ganz großen Erwachen entgegen schlafen werde? In einem Urlaub bin ich dieser Vorstellung ein Stück näher gekommen.

Im Sommer vor fünf Jahren machten mein Mann und ich Ferien an einem der äußersten Zipfel Europas: in Schottland, auf den Äußeren Hebriden, einer Inselgruppe hoch oben im Atlantik. Die Natur dort ist karg und rau, die Witterung „frisch“. Kein Urlaub für Sonnenanbeter! Wir machten Spaziergänge am steinigen Strand, umtost vom Wind, der eine Unterhaltung schier unmöglich machte. Auf diese Weise hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Ich dachte viel an meinen verstorbenen Vater.

An einigen Tagen fuhren mein Mann und ich die Inselgruppe mit einem Mietwagen ab; die Inseln sind durch Brücken verbunden. Während mein Mann sich für die Natur begeisterte, hatte ich vor, mir die Kirchen der kleinen Ortschaften anzusehen. Aber ich hatte kein Glück. Die Kirchen waren außerhalb der Gottesdienste geschlossen – und als sie am Sonntag endlich offen waren, stellte ich fest, dass sie weitgehend schmucklos waren. Nicht einmal Friedhöfe gab es in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Denn auf den Äußeren Hebriden befinden sich die Friedhöfe in Küstennähe, dort, wo die Felskuppen mit Sand und Erde bedeckt sind. Nur dort stößt man nicht mit dem ersten Spatenstich auf Stein, nur dort kann man beerdigen.

Auf einer der zahlreichen kleinen Inseln fanden wie einen alten Friedhof auf einem Felsvorsprung, sozusagen mitten im Meer und beinahe drei Kilometer vom nächsten Dorf entfernt. Kaum ein Mensch verirrt sich wohl dorthin. Dennoch – oder vielleicht gerade wegen seiner einsamen Lage am Meer – ist dieser Friedhof für mich einer der schönsten Plätze, die ich je gesehen habe. Hier, so schien es mir, ist der Mensch, auch der tote Mensch, der Schöpfung ganz nah – ganz nah an seinem Schöpfer selbst. Es ist ein Ort der Ruhe. Und zugleich – so kam es mir zumindest vor – ein Ort der Erwartung. Denn die Grabsteine sind zum Meer hin ausgerichtet, zum östlichen Horizont, wo jeden Morgen die Sonne aufgeht und ein neuer Tag beginnt.

Ich schritt zwischen den Grabsteinen hindurch, sah sie mir an. Auf den meisten stand nicht mehr als der Name und das Geburts- und das Sterbedatum. Auf einem dieser zum Horizont gerichteten Grabsteine aber las ich die Worte: „Until the day breaks“ – „Bis der Tag anbricht“.

Musik IV: Schottische Symphonie, 2. Satz

„Bis der Tag anbricht“. Diese Worte haben mich tief berührt – und sie berühren mich bis heute. Sie drücken für mich die Hoffnung aus auf den jüngsten Tag, der zugleich der allererste Tag von etwas ganz Neuem, etwas gänzlich Unfassbarem ist: Ein Leben nach dem Tod. Ein neues Leben, das sich all unseren bisher gekannten Kategorien entzieht. Ein ganz neues Leben, in dem der Tod keine Macht mehr hat, in dem er besiegt und die Freude unendlich ist!

Dieser Stein auf den Äußeren Hebriden ist fest in meine Erinnerung eingeprägt, als ein Ausdruck für eine Zuversicht, oder mehr noch, für eine Gewissheit: Einmal wird alles neu beginnen. An diese Zusage Gottes will ich glauben und warten bis das Licht kommt, „bis der Tag anbricht“.

Und so, wie ich mich abends schlafen lege und loslasse, in der Gewissheit, dass ich wieder aufwachen werde, so will ich mich verlassen, nicht nur auf den nächsten Morgen, sondern auf das ganz große Erwachen – das mir im Osterfest versprochen ist.

Musik V: Schottische Symphonie, Fortsetzung 2. Satz

Ein gesegnetes, hoffnungsfrohes Osterfest wünscht Ihnen Dorothee Haentjes-Holländer aus Bonn.

*Mk 5, 38-40, zitiert nach der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Kath. Bibelanstalt Stuttgart 1980.

Joh 11,11.

Joh 11,12.

Joh 11,13.

Ps 3,6

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