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Vergnügt, erlöst, befreit...

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Das Geistliche Wort | 17.04.2017 | 08:35 Uhr

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Vergnügt, erlöst, befreit...

Autorin:

Behutsam brachte der Fahrer den Wagen zum Stehen. Es war stockfinster hier auf dem Land, in dieser Nacht vor Ostern. Irgendwo unten im Dorf bellt ein Hund. Der Mann auf dem Planwagen sieht ängstlich um sich. Schritte, ein Rascheln. Tatsächlich, da kommen sie wie verabredet: Zwölf junge Frauen, tief verschleiert, in langen Gewändern. In Windeseile klettert eine nach der anderen auf den Planwagen. Zwischen leeren Fässern finden sie am Ende alle einen Platz. So geräuschlos wie möglich setzt sich der Wagen wieder in Bewegung. Eng zusammengekauert blicken die Frauen ein letztes Mal auf das Gebäude, hinter dessen Mauern sie so lange gelebt haben. Niemand sagt auch nur ein Wort. Endlich... nach vielen Kilometern beginnt sich die Anspannung auf ihren Gesichtern zu legen. Der Fahrer blickt zum Himmel und atmet tief durch. Auf Beihilfe zur Flucht stand die Todesstrafe. Er hatte viel riskiert. Die Flucht minutiös geplant, damit kein Verdacht aufkam.

In der Morgendämmerung erreichen sie ihr Ziel. Es ist Ostern. Für zwölf junge Frauen ist es der erste Tag in Freiheit. Der erste Tag in einem unvorstellbar neuen Leben. Sie sind dem Kloster Nimbschen bei Grimma für immer entkommen, lassen ein Leben hinter sich, für das sie sich nicht freiwillig entschieden haben. Sie sind dem Wunsch nach Freiheit gefolgt. Für einen Moment scheint alles wieder möglich.

Wir schreiben das Jahr 1523. In deutschen Landen predigt Martin Luther von der Freiheit eines Christenmenschen.

Sprecher:

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Autorin:

Die Schriften des Reformators Martin Luther wurden in jenen zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts hundertfach gedruckt und verbreiteten sich in Windeseile in Europa. Sie gelangten verbotenerweise auch hinter die dicken Mauern des Frauenklosters bei Grimma in Sachsen. Dort begeisterten sich die jungen Nonnen an eben genau dieser Idee: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge."

Dass Frauen in diesem Satz nicht eigens erwähnt werden, ist vermutlich kein Zufall. Denn die Freiheit von erwachsenen Frauen im 16. Jahrhundert bestand aus exakt aus zwei Möglichkeiten: Kloster oder Ehe.

Nichts desto trotz: Ostern 1523 stürzen sich diese zwölf Nonnen - zusammen mit vielen anderen übrigens, die in diesen Jahren die Kloster verließen - in das Abenteuer der Freiheit. Sie fliehen aus einem Alltag, in dem alles geregelt war, in eine ungewisse Zukunft.

Wenige Monate später sind die meisten von ihnen verheiratet. Eine ist darunter, die braucht länger. Katharina von Bora. Sie heiratet erst 1525. Zwei Jahre später. Den großen Reformator Martin Luther. Sie ist 26, er 41.(1,10)

Musik: Marius Müller Westerhagen: Freiheit (0:00-1:16)

Westerhagen, Unplugged, Berlin 2016, 0 602557 120998

CD 2, Track 10: Freiheit

Text und Musik: Marius Müller Westernhagen

Virgin Records (Universal Music); LC 33687

Die Verträge sind gemacht / Und es wurde viel gelacht / Und was Süsses zum Dessert /

Freiheit, Freiheit. Die Kapelle, rum-ta-ta / Und der Papst war auch schon da / Und mein Nachbar vorneweg

Freiheit, Freiheit, / Ist die einzige, die fehlt. / Freiheit, Freiheit, / Ist die einzige, die fehlt.

Autorin:

Im Oktober 1990 landete dieses Lied von Marius Müller Westerhagen in den deutschen Charts. Die Mauer, die Deutschland fast dreißig Jahre geteilt hatte, war gefallen. Was kaum jemand für möglich gehalten hatte, war Wirklichkeit geworden. Die Grenzen waren offen. Deutschland war nicht länger geteilt.

"Die Verträge sind gemacht und es wurde viel gelacht" sang der Mann mit dem Hut auf großen Konzerten und die Menschen jubelten ihm zu, grölten den Refrain, während sie die leuchtenden Feuerzeuge in den Himmel hielten. Der Vertrag zur deutschen Einheit war geschlossen. Um Mitternacht am 3. Oktober läutete die Freiheitsglocke auf dem Schöneberger Rathaus.

Ob 1523 oder 1989, ob in Sachsen oder Berlin: Wenn Mauern überwunden werden, wenn Freiheit zum Greifen nah ist, wenn man keine Angst mehr haben muss, seine Meinung zu sagen, dann ist das - zumindest im ersten Moment - ein überwältigendes Gefühl, ein Riesen-Glück. Wie ein helles Licht nach langer dunkler Nacht. Wie Ostern. Wie Aufstehen, um neu zu leben.

Auf den zweiten Blick schaut es dann bereits anders aus:

Die lang ersehnte Freiheit ist oft unübersichtlich und anstrengend. Sie birgt Risiken. Ständig muss ich Entscheidungen treffen, abwägen, mich kümmern, für mich sorgen.

Die lang ersehnte Freiheit hat enge Grenzen. Viele sichtbare und noch mehr unsichtbare Mauern: Hast du Geld, den richtigen Pass, ein gutes Elternhaus, die richtige Hautfarbe, etwas Glück, dann geht vieles. Andernfalls nur sehr wenig.

Freiheit...gibt es die überhaupt?

Musik/instrumental: Chris Botti, Ever Since We Met

CD: A Thousand Kisses Deep, Track 5

Text und Musik: Bridget Benenate, Chris Botti

Columbia, LC 00162

Sprecher:

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.

Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Autorin:

Dieser Satz von Martin Luther ist paradox. Er klingt verrückt.

Wie soll das gehen? Gleichzeitig? Auf der einen Seite niemandem untertan zu sein, ein freier Mann, eine freie Frau und zugleich jedermann untertan zu sein, ein Knecht, eine Magd?

Mich faszinieren paradoxe Sätze.

Sie sind wie ein Rätsel, wie eine Nuss, die ich knacken muss.

Am Ende - so habe ich es oft erlebt - treffen sie die Sache auf den Punkt. Die großen Fragen des Lebens können oft gar nicht anders beantwortet werden. Alles andere ist zu einfach, zu billig.

Ein freier Herr und ein dienstbarer Knecht, beides zugleich, meinte Martin Luther.

Wir Menschen sind nie ganz frei, da gebe ich dem Reformator recht.

Wir sind auf gewisse Weise immer gefangen. In unseren Ängsten, Sorgen, Verstrickungen. Wir schleppen unsere Geschichte mit uns herum, unsere schlechten und guten Erfahrungen. Wir können nur selten über unseren Schatten springen.

Luther hatte dafür ein schönes Wort. Selbstverkrümmung.

Es gibt da vieles, was uns krumm macht, was unseren Blick eng macht. In uns drin, aber natürlich auch um uns herum. Wenn jemand zweimal überraschend seinen Arbeitsplatz verloren hat, dann ist er ein gebranntes Kind. Die Angst zu versagen oder zu verarmen - sie sitzt dann unter Umständen tief. Er oder sie will, aber kann da gar nicht raus. Das meinte Martin Luther wohl.

Um das zu spüren, muss man nicht im Kloster oder einer Diktatur leben. Ich spüre das jeden Tag im meinem Alltag. Wenn ich mir zum Beispiel vornehme, in Konflikten gelassener zu bleiben, ruhiger zu antworten...! Eine Stunde später ist es schon wieder passiert. Wieder ist es nicht gelungen. Wieder gingen die Pferde mit mir durch.

Martin Luther beschrieb das so:

Sprecher:

So hilft es der Seele nicht, wenn der Leib heilige Kleider anlegt, wie es die Priester und Geistlichen tun, auch nicht, wenn er leiblich betet, fastet, wallfahrtet und alle guten Werke tut, die nur immer durch den Leib und in dem Leib geschehen können.

Martin Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen; in: Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hrsg. von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Frankfurt 1982, Band 1, S. 240

Autorin:

Ich habe aber auch andere Momente erlebt. Diese Augenblicke, wo ich spüre, ich kann anders. Wo ich die große, schöne Freiheit schmecke und auf einmal einen großen, neuen Schritt wage. Wo ich mich selbst und andere überrasche, über mich hinauswachse, mutig werde.

Martin Luther war der festen Meinung, dass wir diese Momente nicht aus uns selbst heraus schaffen können. Nicht mit noch so viel guten Vorsätzen, nicht mit noch so viel Gebeten und frommen Übungen. Was uns herausbringt aus unserer Selbstverkrümmung, Selbstbezogenheit - das wird uns geschenkt. Von Gott. Im Glauben. Einfach so. Durch Gottes Gnade.

Luther hat das in seiner berühmten Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" 1520 so ausgedrückt:

Sprecher:

Damit du aber (...) aus deinem Verderben herauskommen möchtest, deshalb setzt er dir seinen lieben Sohn Jesus Christus vor und lässt dir durch sein lebendiges tröstliches Wort sagen: Du sollst dich in ihm mit festem Glauben ergeben und frisch auf ihn vertrauen."

Martin Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen, in: Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hrsg. von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Frankfurt 1982, Band 1, S. 241

Autorin:

Luthers Welt ist mit der unsrigen kaum noch zu vergleichen. Natürlich war er ein Kind seiner Zeit, des späten Mittelalters. Trotzdem dürfen wir uns inspirieren lassen von diesem bedeutsamen Reformator und den Frauen und Männern seiner Zeit. Luthers Gedanken zur Freiheit sind zwar von gestern, aber sie sind so feinsinnig, dass wir heute immer noch davon profitieren.

Was ist der Mensch und was kommt von Gott? Der Dichter und Kabarettist Hans Dieter Hüsch hat eigene Worte dafür gefunden.

Sprecher:

"Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.

Gott nahm in seine Hände meine Zeit,

mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen, mein Triumphieren und Verzagen,

das Elend und die Zärtlichkeit.

Was macht, dass ich so fröhlich bin in meinem kleinen Reich.

Ich sing und tanze her und hin vom Kindbett bis zur Leich.

Was macht, dass ich so furchtlos bin an vielen dunklen Tagen.

Es kommt ein Geist in meinen Sinn, will mich durchs Leben tragen.

Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält,

weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt."

Musik: Ich bin vergnügt, erlöst, befreit

Text: Hans Dieter Hüsch

Musik: Christoph Spengler

Eigenproduktion Evangelische Kirche im Rheinland.

Autorin:

"Ich bin vergnügt, erlöst, befreit" - Hans Dieter Hüsch braucht genau fünf Worte, um zu beschreiben, was Martin Luthers große Entdeckung war. Befreit zu werden von Angst, erlöst zu sein von Schuld, vergnügt durch das Leben zu ziehen.

Ich habe in den letzten Monaten gespürt: Die Freiheit, mit der wir groß geworden sind, die viele errungen haben auch durch eine friedliche Revolution und den Fall der Mauer, die Freiheit, die wir genießen - ist nicht selbstverständlich. Es gibt Demagogen auf allen Seiten, die die Menschen einteilen in Gute und Böse, in Schwarz und Weiß, die wieder Mauern und Zäune bauen wollen. Zuerst nur mit Worten und dann auch mit Taten.

Die Freiheit braucht Menschen, die nicht selbstverkrümmt durch das Leben gehen.

Die nicht gefangen sind in ihrer eigenen Weltsicht. Die Gott befreit hat zum aufrechten Gang. Die ringen um einen guten und gerechten Weg in die Zukunft von möglichst vielen Menschen auf dieser Welt. Einfach ist das nicht. Aber wir sind dazu in der Lage. Vergnügt, erlöst, befreit.

Musik: Yvonne Catterfeld, Guten Morgen Freiheit

CD: Guten Morgen Freiheit, Track 1

Text und Musik: Sera Finale & Alexander Freund

Veritable Records (Rough Trade), LC 05661

?

Sprecher:

Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.

So hilft es der Seele nicht, wenn der Leib heilige Kleider anlegt, wie es die Priester und Geistlichen tun, auch nicht, wenn er leiblich betet, fastet, wallfahrtet und alle guten Werke tut, die nur immer durch den Leib und in dem Leib geschehen können.

Damit du aber (...) aus deinem Verderben herauskommen möchtest, deshalb setzt er dir seinen lieben Sohn Jesus Christus vor und lässt dir durch sein lebendiges tröstliches Wort sagen: Du sollst dich in ihm mit festem Glauben ergeben und frisch auf ihn vertrauen.

Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.

Gott nahm in seine Hände meine Zeit,

mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen, mein Triumphieren und Verzagen,

das Elend und die Zärtlichkeit.

Was macht, dass ich so fröhlich bin in meinem kleinen Reich.

Ich sing und tanze her und hin vom Kindbett bis zur Leich.

Was macht, dass ich so furchtlos bin an vielen dunklen Tagen.

Es kommt ein Geist in meinen Sinn, will mich durchs Leben tragen.

Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält,

weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt.

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