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Kirche in WDR 5 | 03.01.2018 | 06:55 Uhr
Leben mit sich selbst
Guten Morgen!
Finden Sie sich gut?
Also, wenn Sie mich das fragen würden, ob ich mich selbst gut finde, dann würde ich rot werden.
Und ich würde irgendetwas stammeln, wie: „Ja, also, naja, ich weiß auch nicht… Vielleicht finde ich einzelne Sachen an mir gut. Es gibt ein paar Dinge, die kann ich gut. Aber, ob ich mich selbst gut finde, einfach so im Ganzen, tja...“
Dabei ist das für mich als evangelische Pfarrerin doch eigentlich die oberste Regel: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!“ (Matthäus 22,39), heißt es doch.
Und ich würde das auch sofort unterschreiben, theoretisch, aber praktisch ist das mit dem „Lieben ...wie dich selbst“ nicht immer so ganz leicht. Jedenfalls für mich nicht.
Beispielsweise an einem dieser Tage, an denen ich mich fühle wie ein Maulwurf, der mit seinen verquollenen Augen am liebsten den ganzen Tag in der Erde verbringt.
Wenn ich vor dem Kleiderschrank stehe und nicht weiß, was ich anziehen soll. Und das, obwohl der Kleiderschrank voll ist.
Ich finde dann meine Arme zu lang, meinen Bauch zu dick, meine Haare zu fein.
Und es bringt auch überhaupt nichts, dass andere das nicht so finden.
Wenn mein Blick auf mich selbst so getrübt ist, dann fällt es mir schwer, ein gutes Haar an mir selbst zu lassen.
An solchen Tagen finde ich mich selbst nicht gut und ich bin weit entfernt von „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.
Für alle, die mir etwas verkaufen wollen - Klamotten, ein super Konzept zum Abnehmen, das ideale Shampoo, das feine Haare voluminös macht -, ist das ja sehr gut, dass ich mich selbst manchmal nicht gut finde. Ich bräuchte den ganzen Kram ja nicht, wenn ich mit mir selbst zufrieden wäre.
Für die Geschäftsleute wäre es nicht besonders lukrativ, wenn sich plötzlich alle so gut finden würden, wie sie sind.
Und deshalb gilt unausgesprochen: “Sich ganz okay finden“, das kann man über sich selbst sagen. Denn mittlerweile weiß man, dass ein gutes Verhältnis zu sich selbst die Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben ist. Aber über sich zu sagen, dass man sich selbst liebt, sich richtig gut findet, das geht zu weit.
Nur Kinder machen das ohne mit der Wimper zu zucken. Die meisten jedenfalls. Und sie scheuen sich auch nicht, ihrer Umgebung mitzuteilen: „Schau mal, wie gut ich das kann“ oder „Schau mal, wie schön ich bin.“
Ich konnte ein Kind beobachten, das saß auf dem Boden und guckte sich in Seelenruhe seinen Körper an. Und es stellte fest, was da so alles dran ist. Zum Schluss sagte das Kind: „Boah, ganz schön toll, mein Körper, oder?“
Und das war überhaupt nicht überheblich gemeint, sondern wahrhaft staunend.
Fasziniert davon, dass das Leben so ist, wie es ist: Mit Füßen, die laufen können und Händen, die tasten und fühlen können, mit einem Bauch, der verarbeitet, was man zum Leben braucht, und Beinen, die einen tragen, Augen, die sehen und Ohren, die hören.
Wann habe ich das eigentlich verlernt? Ich meine, mich selbst anzuschauen und festzustellen: „Boah, ganz schön toll, wie ich bin, oder?“ Trotz Falten, feinen Haaren und Speck am Bauch.
Mich gibt es nur einmal auf der Welt „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. “ (1. Mose 1,31)
Aus Düsseldorf grüßt Sie, Pfarrerin Judith Uhrmeister.