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Das Geistliche Wort | 25.03.2018 | 08:35 Uhr

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Schürzenträger (statt Schürzenjäger)

Autorin:

Vielleicht haben Sie jetzt gerade eine um. Vielleicht würden Sie auch nie eine tragen.

Der Bibel zufolge ist sie das älteste Bekleidungsstück der Welt: Die Schürze.

Im Paradies waren sie ja bekanntlich nackt gewesen. Adam und Eva haben das nicht bewusst wahrgenommen – bis ihnen nach dem Essen der verbotenen Frucht die Augen aufgehen. Da werden sie es gewahr. „Sie flechten Feigenblätter zusammen und machen sich Schürzen“ – so heißt es in der biblischen Geschichte.

Seitdem gehört die Schürze zu uns.

Als junge Frau fand ich Schürzen peinlich; ich wollte das Image nicht, das sie mir zu verkörpern schienen. Und als ich mir später doch einmal eine umgebunden habe, weil es einfach praktisch war, bekam ich prompt einen Spruch von meiner pubertierenden Tochter: „Mama, du siehst ja aus wie eine Hausfrau!“

Musik: Ahmad's Blues (instrumental), Interpret: Philly Joe Jones, CD: Workin', Track 6/8, Komposition: Jamal, Label: Compulsion

Die Schürze war zu Jesu Zeiten die Dienstkleidung der Sklavinnen und Sklaven. Sie banden sie sich über ihre Hemden, wenn sie abends von der Feldarbeit zurückkamen. Dann mussten sie ihren Herren die Füße waschen und sie bei Tisch bedienen. Meine Mutter trug ihre Hausfrauenschürze immer, um ihre eigene Kleidung zu schonen. Aber die Sklavenschürze schonte nicht die Sklaven; sie schonte ihre Herren – und zwar davor, mit dem Schmutz und Schweiß eines Sklavenalltags in Berührung zu kommen. Jesus kannte dieses Alltag, er hat davon in einigen Gleichnissen erzählt:

Sprecher:

Wer von euch hat einen Sklaven, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen zu, bind dir die Schürze um und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst du auch essen und trinken? Dankt er etwas seinem Sklaven, dass er getan hat, was befohlen war?

(Lukas 17, 7-9)

Autorin:

Nein, natürlich dankt ein Herr niemandem, der eine Schürze trägt, nicht wahr?

Das Wort „Schürze“ hat seither eine interessante kulturgeschichtliche Entwicklung genommen.

Obwohl auch Männer Schürze trugen – bis heute, als Schmied, Schuhmacher, Schlachter – wurde die Schürze zum Synonym für die Frau. Anders hätte sich der Begriff „Schürzenjäger“ kaum durchsetzen können. Man denkt sofort an einen Mann - und wie er sich Frauen gegenüber verhält.

Dabei war die große „Gleichmacherin Schürze“ bei näherem Hinsehen ein Mittel, die Frauen mit bloßem Auge zu klassifizieren.

An der Schürze konnte man von weitem erkennen, ob sie unverheiratet, verheiratet oder verwitwet waren. Sie markierte den Stand und die Stellung. In einem herrschaftlichen Haushalt trugen die Köchinnen farbige Schürzen, die Kindermädchen weiße Schürzen aus Leinen, und die Zimmermädchen und Zofen Schürzen aus feinem Batist. (1)

Das Nachkriegsdeutschland verschaffte den Trägerinnen der Schürze das Prestige der tüchtigen Hausfrau: Die versorgte die Kinder, wusch und kochte und backte und hielt das Zuhause blitzeblank. Erst wenn abends der Mann nach Hause kam, band sie die Schürze ab. Dann hielt sie ihm die Puschen hin.

Die Schürze war der sichtbare Beweis dafür, dass eine Hausfrau arbeitete. Aber für viele war die Schürze auch ein Zeichen für die Enge einer erzwungenen Abhängigkeit. Meine liebe Tante, die eine tüchtige Hausfrau war und bei der Arbeit immer Schürze trug, hat sich vielleicht auch deswegen ihrer Schürze geschämt. Wenn wir lange vor ihrer Haustür warten mussten, wussten wir immer, dass sie erst ihre Schütze abband und im Küchenschrank versteckte. Möglichst unsichtbar musste ihre Arbeit sein.

Heute kenne ich nur noch wenige Frauen, die eine Schürze bei der Hausarbeit tragen. Das hat auch seinen Preis. Ich meine nicht die Flecken am Pulli, sondern die Tatsache, dass Hausarbeit immer weniger als Arbeit gilt. Ohne Schürze muss sie „nebenher“ geleistet werden: Essen rühren, Treppe wischen und gleichzeitig mit dem Chef telefonieren. Moderne Frauen tragen keine Schürze mehr, sie haben einen Beruf und sind selbstständig, aber das Gros der Hausarbeit leisten sie immer noch. Männer tragen Schürzen am Wochenende, zum Grillen. Ok, das ist jetzt ziemlich verallgemeinernd. Aber ein bisschen Wahrheit ist doch im Klischee, oder?

Musik: Ahmad’s Blues, Text: Bob Williams, Musik: Ahmad Jamal; Interpretin: Marlena Shaw, CD: Midnight Jazz, Track 8/16; Label: Universal Music, LC: 10651

Autorin:

Vor 130 Jahren lud Friedrich von Bodelschwingh Männer ein, die das Studium der Theologie abgeschlossen hatten, für einige Wochen oder Monate in den von ihm gegründeten Heil- und Pflegeanstalten mitzuarbeiten. In den Häusern Bethels sollten sie als „Kandidaten mit der blauen Schürze“ an der Seite der „Brüder“ – so hießen die Diakone – die epilepsiekranken Jungen sowie alkoholkranke oder wohnungslose Männer versorgen und Erfahrungen in der sogenannten „Inneren Mission“ sammeln. „Praktische Theologie“ nannte das einer dieser Studenten. (2) Wenn sie in Bethel ankamen, mussten sie den Anzug, der sie als zukünftigen Pfarrherrn auswies, ablegen und gegen eine blaue Bluse und eine blaue Schürze eintauschen. Aus dem „Kandidaten der Theologie“ wurde ein schlichter „Brüderhelfer“. So lernte er, das große Wort „Dienen“ nicht nur im Mund zu führen. Hier bekam es Hand und Fuß.

Einer der „Kandidaten“ erinnert sich mit etwas verklärtem Blick an seine Schürze:

Sprecher:

„Das Ehrenkleid.

Da hängt es an der Wand, das liebe Ehrenkleid und will mir aus vergangenen schönen Tagen erzählen. Ein überaus unansehnlich Ding: es hat nichts gemein mit der Farbenzier der studentischen oder militärischen Ehrenzeichen. Nicht weiche Wolle, nicht köstliche Leinwand, geschweige denn Samt oder Seide schwer, ist sein Gewebe, sondern Baumwolle von gröbster Art. Viel gebraucht und verwaschen, hat es sogar den Glanz der Farbe eingebüßt, den es hatte, als der Hausvater es aus dem Magazin in Nazareth hervorgeholt und den hoffnungsvollen Lehrling […] mit bedeutsamen Lächeln darein gekleidet.“

Autorin:

Als der junge Mann ins Kandidatenkonvikt aufgenommen wurde, hieß es in der schriftlichen Zusage: „Wir wollen sehen, ob wir Ihnen auch zur blauen Schürze verhelfen können.“ Er erinnert sich...

Sprecher:

„Damals hatte ich der Rede Sinn noch nicht verstanden. Aber nun ich eingereiht war in die Schar der Helfer, nun lernte ich die Arbeitsbluse und Schürze schätzen als wirksames Mittel gegen Attentate, die Wasser und menschliche Unreinigkeit beim Diakonendienst auf die Kleider ausübten, und nicht nur als Schutzmittel gegen Unrat, sondern als Ehrenkleid. Da mag jemand lächeln, wenn er die Schürze ein Ehrenkleid nennen hört. Ja, wenn’s noch die blendend weiße Schürze des Chirurgen wäre, der am Operationstisch die Eingriffe in den menschlichen Körper vornimmt, welche über Gesundheit oder Tod entscheiden. Oder das schwere lederne Schurzfell des Schmiedemeisters an der sprühenden Esse! Aber die blaue Schürze des Diakons und die niedrige Arbeit, die er darin verrichtet? Doch kein Ehrenkleid, sondern ein Knechtsgewand, nur eines Knechts Gewand.“ (3)

Autorin:

Im Saal sitzen zwölf zum festlichen Abendessen. Da steht ein dreizehnter auf und legt sein Obergewand ab. Es ist Jesus. Er nimmt sich eine Schürze und bindet sie sich um. Dann gießt er Wasser in eine große Schüssel und fängt an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknet sie mit der Schürze ab, die er sich umgebunden hatte. Jetzt kommt er zu Simon Petrus. Aber der spricht: „Herr, solltest du mir die Füße waschen?“ Jesus antwortet: „Was ich tue, das verstehst du nicht; du wirst das später erfahren.“ Da spricht Petrus zu ihm: „Herr! - du – mir? – Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ Und Jesus sagt: Wenn ich dich nicht wasche, dann gehörst du nicht zu mir.“ Darauf Simon Petrus: „Ok, Herr, dann wasch’ mir nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und den Kopf!“ Aber Jesus sagt: „Füße waschen reicht…“ (Johannes 13, 4ff) So erzählt es das Johannesevangelium als Auftakt zu den sogenannten Abschiedsreden Jesu.

Der „Kandidat mit der blauen Schürze“ deutet diese Szene:

Sprecher:

„Jesus hätte nicht nötig, es zu tun. Irgendeinem von ihnen hätte er den Befehl geben können, diesen Dienst, der als ein Sklavendienst angesehen wurde, zu versehen. […] Zu jener Nacht, als Jesus sich die Schürze umband, hat er dies Kleid zum Ehrenkleid gemacht. […] Der Jünger wird vom Meister gewürdigt, ihm die Schürze nachzutragen und in seinen Fußstapfen wandelnd den Geringen als Geringer zu dienen.“ (4)

Musik: Someone to watch over me, Komposition: George Gershwin/Ira Gershwin; Interpret: Rahsaan Roland Kirk, CD: Midnight Jazz, Track 11/16; Label: Universal Music, LC: 10651

Autorin:

So viele Menschen mit Schürzen! Alte und Junge, Frauen und Männer! Das ist das erste, was mir auffällt, als wir die Leonhardkirche in Stuttgart betreten. Seit 1995 wird sie in jedem Winter für sieben Wochen zur Vesperkirche umgebaut. Die Vesperkirche wirbt damit, ein Zuhause auf Zeit zu sein für bedürftige, ausgegrenzte, wohnungslose, drogenabhängige, und einsame Menschen. Sie macht die versteckte Armut sichtbar und die sichtbare Armut unübersehbar. Dass Armut zunimmt, sagt die Diakonie schon lange. (5)

Sieben Wochen lang gibt es in der Innenstadtkirche Mittagessen und mehr:

Sprecher:

„Jeder, der unsere Leonhardskirche betritt, wird willkommen geheißen. Wir Mitarbeitenden tragen alle eine Schürze. Na ja, das hat Jesus ja auch getan. Und man kann uns so besser ansprechen. Wir machen übrigens keine Unterschiede bei unseren Gästen: Der Bürgermeister wird nicht anders begrüßt und behandelt wie die wohnungslose Frau, die im Eingang von Karstadt schläft.

Morgens um halb zehn Uhr gibt’s erst einmal heißen Kaffee und Tee. Wer eine Nacht im Freien hinter sich hat, kann eine Decke bekommen und sich auf die Kirchenbänke schlafen legen. In der Magdalenenkapelle können sich unsere Besucherinnen und Besucher ab 13.00 Uhr medizinisch versorgen lassen. Einmal in der Woche kommt ein Tierarzt. Der kümmert sich um die vierbeinigen Freunde unserer Gäste. Es gibt sogar einen Friseur, der jeden Montag die Haare umsonst schneidet.“

Autorin:

Die Vesperkirche gibt täglich etwa 500 Essen aus. Manche Gäste wollen dann für sich sein, Zeitung lesen oder Musik hören. Andere unterhalten sich, oder sie spielen Schach oder Skat. Für Gespräche und Beratung stehen Diakoninnen und Diakone zur Verfügung.

Sprecher:

„Der Bedarf an Seelsorge ist groß. Unsere Gäste haben viele Probleme, manchmal auch untereinander. Wir müssen immer wieder überlegen, was der richtige Weg ist, wie wir mit ihnen die Probleme lösen, und im Gespräch bleiben. Das ist nicht immer einfach.

Einmal in den sieben Wochen machen wir einen Erinnerungsgottesdienst für die Gäste, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Das berührt uns sehr. Unsere Gäste sterben ja nicht alle im Bett.

Ab halb zwölf Uhr kommt das Mittagessen. Wer will, kann einen Nachschlag bekommen und Kaffee hinterher. Ab 3 Uhr gibt es Vesperbrote zum Mitnehmen. Mit einer Andacht schließt die Vesperkirche täglich um halb fünf. Das ist so etwas wie Durchatmen, alles vor Gott bringen. Um Kraft bitten für alle. Ah ja, und manchmal gibt’s hier auch Konzerte und Lesungen: Der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein. Und ein paar von unseren Gästen haben eine Band gegründet: „Rahmenlos und frei“! Das ist doch toll, oder?!“ (5)

Musik: Have a Little Faith, CD: Have a Little Faith, Track 3/12, Text+Musik: WEIDER, JAMES JEFFREY / TULLIO, JAMES E.; Interpretin: Mavis Staples, Label: Alligator (in-Akustik) LC: 05297

Autoirin:

Die Schürze hat eine lange Geschichte. Als Adam und Eva sich die erste Schürze aus Feigenblättern umbanden, wurde sie zum Zeichen dafür, dass etwas zerbrochen war. Plötzlich mussten sich die Menschen voreinander schützen. Vielleicht wollten sie sich auch vor Gott schützen. Die Beziehung war ja nun auch angeknackst. So wurden die einen Herren, die anderen Sklaven. Die Schürze wurde zum Synonym für die Frau, die zum Dienen gezwungen war, und der Mann wurde Schürzenjäger. An all das Zerbrochene denken viele Christinnen und Christen in der kommenden Karwoche. Aber eben auch daran, dass es einen anderen Weg gibt. Da sind die Herren Theologen, die mit der „blauen Schürze“ Klos und Schlafsäle schrubbten. Freiwillig. Die Frauen und Männer, die sich Urlaub nehmen und in den Vesperkirchen die Armen der Stadt bedienen. Freiwillig. Jesus, der sich die Schürze umbindet und seinen Freunden die dreckigen Füße wäscht. Freiwillig. Als Beispiel für den anderen Weg, der auf Zerbrochenes hinweist, der Unrecht und Leid lindert – und manchmal heilt.

Jesus hat übrigens gesagt, dass er sich am Ende der Tage noch einmal die Schürze umbinden wird. Dann wird er die bedienen, die immer andere bedienen mussten.

Ich habe sie schon fast lieb, die Schürze.

Einen guten Sonntag wünscht Ihnen Christel Weber von der evangelischen Kirche.

Musik: When Love Comes to Town; Komposition: Adam Clayton, David Evans, Paul David Hewson & Laurence Mullen; Interpret: Torsten Goods; CD: Love Comes to Town, Track 2/14, Label: ACT Music

Anmerkungen:

(1)Ulrike Rückert, Die Schürze – Eine kleine Kulturgeschichte. Stand: 03.01. 2016. http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/land-und-leute/kulturgeschichte-der-schuerze-rueckert100.html

(2)Etappendienst, in: Als wir die blaue Schürze trugen : Erinnerungen an unsere Kandidaten-Zeit in den Bielefelder Anstalten / mit einem Geleitwort von Friedrich vob Bodelschwingh zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum der Westfälischen Brüderanstalt Nazareth hrsg. von einigen ihrer Brüderhelfer. Bethel bei Bielefeld : Buchh. d. Anstalt Bethel, 1902, Seite 18ff.

(3)Das Ehrenkleid, in: ebd., Seite 5 ff.

(4)Ebd.

(5)Weitere Informationen unter: http://www.vesperkirche.de

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