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Kirche in WDR 5 | 25.04.2018 | 06:55 Uhr
Ein Interview mit...
Sprecher: Ich arbeite gerne mit den Händen.
Autorin: Kraftvoll und sanft kneten seine Hände den Ton bis er die gewünschte Konsistenz hat. Angst, sich schmutzig zu machen, hat er keine. Sechs Tage die Woche geht er jeden Morgen in sein Atelier und setzt sich an die Töpferscheibe.
Sprecher: Langweilig wird mir nie. Es ist einfach so: Jedes meiner Gefäße ist einzigartig. Jedes Teil braucht und bekommt meine volle Aufmerksamkeit.
Autorin: Seine Liebe zu Geschirr hat sich erst mit der Zeit entwickelt.
Sprecher: Ich habe mich früher auch sehr für Erdkunde, Sternkunde, Natur und Tiere interessiert, aber ich wäre ein schlechter Lehrer gewesen (er lacht), also deswegen: Töpfer. Da bin ich Handwerker und Künstler.
Autorin: Ein besonders guter Geschäftsmann ist er allerdings auch nicht.
Sprecher: Ich produziere nicht für Geld und ich gebe meine Schätze nur in andere gute Hände. Leider habe ich immer wieder schlechte Erfahrungen machen müssen. Selbst eine Liste mit zehn einfachen Hinweisen, wie man mit meinen Schüsseln, Tellern, Untersetzern, Tassen - einfach (mit) allem – umgehen soll, hat daran nur teilweise was verbessert.
Autorin: Jeden Tag hat er das vor Augen. Nachdem er sich die Hände gewaschen und eingecremt hat, geht er in sein Wohnzimmer. Ein Panoramafenster Richtung Osten und Süden gibt es dort. Und einen Kamin.
Sprecher: Wärme und viel Licht sind heilsam.
Autorin: Und zu heilen gibt es viel. Das ganze Zimmer ist voller Scherben.
Sprecher: Ich bin ja froh, dass sie wieder hier bei mir sind. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie einfach weggeschmissen würden, weil sie kaputt und zerbrochen sind. Manchmal setze ich mich in den Sessel und muss erstmal ein bisschen weinen über all das Ungeschick. Aber es ist ja nun mal so: Die zerbrechlichsten Gefäße sind zumindest äußerlich auch die schönsten. Und die praktischsten werden am häufigsten benutzt.
Autorin: Er weiß um die Risiken. Er sieht keine Alternativen.
Sprecher: Wenn man allerdings ganz bewusst schlecht mit meinen Gefäßen umgeht, dann packt mich der Zorn! Also, ich weiß wie sich Rachegelüste anfühlen… Aber das hilft meinen zerbrochen Schätzen hier auch nicht weiter.
Autorin: Also tut er, was er tun kann. Sortiert die Scherben, mischt den Kleber, verziert die Risse.
Sprecher: Ich repariere nie so, als wäre nichts gewesen, Als wäre alles wieder perfekt. Ich will, dass man sieht: Ich kann aus einem Unglück etwas Schönes machen. Ein bisschen will ich ich auch, dass man den Gefäßen ansieht, dass sie hier bei mir waren, dass sie mich nicht vergessen…
Autorin: Wie jeder Künstler hat er seinen Stil, aber seine Eitelkeit hält sich in Grenzen.
Sprecher: Es muss ja nicht für jeden erkennbar sein. Aber grundsätzlich will ich zeigen: Risiken und Risse gehören zu jedem Leben dazu. Und deshalb muss man mit ihnen leben. Manchmal wird ein Gefäß nie wieder was es einmal war. Aber ich habe auch schon aus kompliziert abgebrochenen Tassenhenkeln die schönsten Kerzenhalter gemacht und aus Eierbechern Salbenschälchen. Das dauert dann länger, aber wir haben hier alle Zeit der Welt.
Autorin: Das ist sein Stil. Sich Zeit nehmen, nie aufgeben, Einzigartigkeit, Handarbeit.
Manchmal glaube ich an Gott, den Töpfer.
Ihre Katrin Berger, Pfarrerin der Jugendkirche Hamm