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Das Geistliche Wort | 13.05.2018 | 08:35 Uhr

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Verantwortung

Autorin: Vor kurzem fuhr ich abends mit dem Regionalexpress von der Arbeit zurück. Die Bahn war übervoll. Ein Waggon verschlossen, unbenutzbar. Viele Menschen mussten stehen, manche hatten Einkaufstüten in der Hand, andere Koffer oder Aktentaschen.

Ich stand neben einer jungen Mutter, die mit ihrem Kinderwagen in die Bahn eingestiegen war. Darin lag ein kleines Kind, erst wenige Wochen alt. Trotz des Geruckels: das Baby schlief. Der Schnuller war ihm aus dem Mund gefallen. Seelenruhig schlummerte es vor sich hin. Um ihn herum debattierten Jugendliche die letzten Fußballergebnisse, quetschten sich Menschen durch den Gang, quietschten die Bremsen der Bahn, verkündete die Stimme aus dem Lautsprecher den Halt an der nächsten Station.

Dem Baby machte das alles nichts. Seit Atem war tief und ruhig, ging auf und ab. Unerschütterliches Vertrauen lag in seinem Gesicht. Als ob es nur Glück und Frieden gäbe auf dieser Welt. Als ob niemand ihm was antun könnte.

Wenn dieses Kind wüsste, wie das Leben ist, wirklich ist, dachte ich für einen Augenblick. Was für Gefahren drohen, wir hart es ist, sich in der Arbeitswelt durchzuschlagen, eine Wohnung zu finden, dass es Krankheiten gibt, Krieg, Terror? Wenn dieses Kind wüsste, was ihm noch alles passieren kann...?

Ich war wie gebannt von seinem winzigen Gesicht mit den geschlossenen Augen.

Auf einmal schoss es mir durch den Kopf: Ja, dieses unbekannte Kind und mit ihm so viele andere...sie wollen leben, sie wollen hineinwachsen in eine Welt, die lebenswert ist, die ihnen Möglichkeiten gibt. Sie sind so klein und hilflos. Sie brauchen uns. Sie können nicht groß werden ohne uns. Wir haben Verantwortung. Wir Erwachsene.

Heute ist Sonntag, liebe Hörerin, lieber Hörer. Ein Tag, um im besten Fall zu ruhen von der Arbeit, ein Tag für Besuche, Ausflüge, Sport, die Familie, den Gottesdienst vielleicht. Ein Tag, um durch zu atmen. Ein Tag, um nachzudenken über Fragen, die uns unter der Woche überfallen. Wie diese: Verantwortung zu haben - ist das eigentlich was Schweres oder was Schönes?

MUSIK 1: "Mensch" von Herbert Grönemeyer

Autorin: Verantwortlich zu sein, die Verantwortung selbst in den Händen zu halten, keinen zu haben, hinter dem man sich im Zweifel verstecken kann...ist das eigentlich was Schönes? Wie geht es Ihnen damit?

Verantwortung zu übernehmen kann toll sein: Wenn man zuhause auszieht und dann endlich so laut sein kann, wie man will und essen kann, wann und was man will. Oder wenn man aus der Lehre, dem Studium kommt und endlich selbstständiger arbeiten kann. Alleine entscheiden darf...

Verantwortung kann aber auch belasten...wenn man eine schwere Entscheidung zu treffen hat und niemand da ist, der sagt: "Mach es so. Das ist der richtige Weg. Ich übernehme die Verantwortung."

Es kann bedrücken. Meine Mutter z.B. ist so alt, dass sie vieles nicht mehr erinnert. Sie kannte so viele kleine Hausrezepte, bei Schnupfen und Husten, bei schmerzenden Knien oder Magengrummeln. Manchmal würde ich so gerne bei ihr anrufen und fragen: Hör mal, was könnte ich jetzt machen? Sag es mir einfach. Dir vertraue ich. Dann weiß ich, wo es lang geht. -

Das geht nicht mehr, ich muss jetzt selbst entscheiden. Meine Mutter ist zwar körperlich noch da, ich kann sie besuchen, in den Arm nehmen, aber in gewisser Weise lebt sie schon oft in einer anderen Welt.Ich muss selbst entscheiden, für mich, unsere Kinder. Die Verantwortung tragen, ob ich will oder nicht.

Sprecher: Zitat Bonhoeffer (Ethik, DBW Band 6, Seite 219 ff):

"Der Mensch lebt notwendig in einer Begegnung mit anderen Menschen und ihm wird mit dieser Begegnung eine Verantwortung für den anderen Menschen auferlegt. Geschichte entsteht durch das Wahrnehmen der Verantwortlichkeit für andereMenschen. Beziehungsweise für ganze Gemeinschaften und Gemeinschaftsgruppen. Der Einzelne handelt nicht für sich allein...!"

Autorin: So der Theologe Dietrich Bonhoeffer. Für mich klingt das groß und bedeutsam, was er hier beschreibt. Denn er spricht dabei nicht von den berühmten Männern und Frauen der Geschichte, sondern über uns.

Wir Menschen können gar nicht anders, meint er. Sobald wir in Beziehungen leben- in der Familie, in der Nachbarschaft, auf der Arbeit - tragen wir Verantwortung. Geschichte entsteht daraus, dass ich mir darüber in Klaren bin, mich beteilige und verantwortlich handele. -

Als ich das so friedlich schlafende Baby in der Bahn beobachtete, wurde mir genau das bewusst. Dieses Kind will leben, so wie ich. Und so wie meine Eltern und Großeltern nach dem Krieg Deutschland wieder aufgebaut haben, damit ich in Frieden leben, zur Schule gehen, etwas lernen konnte, so bin auch ich heute gefragt. Vor mir...da waren andere, die verantwortlich gehandelt haben...und nach mir kommen auch welche, die leben wollen...! -

Es gibt ein Text, der mir in den letzten Jahren sehr wichtig geworden ist. Er liegt auf meinem Schreibtisch im Büro, ich kann ihn täglich sehen.

Er ist von einem Mann, der vor mir gelebt hat. Helmut Gollwitzer. Der in unserer Kirche Verantwortung getragen hat in der Zeit des Nationalsozialismus. Als es viel gefährlicher war als heute, seine Meinung zu sagen. Er hat protestiert gegen die Rassenpolitik von Adolf Hitler und Juden zur Flucht verholfen. Er wurde mehrmals verhaftet und bekam Redeverbot. Nach dem Krieg, als Deutschland in Trümmern lag, hat erweiter gemacht. Er wird einer der wichtigsten Prediger seiner Zeit, im Berlin der 50'er und 60'er Jahre.

Er ermutigte - trotz allem Schrecklichen, was er erlebt hatte - viele junge Menschen: Dass es sich lohnt, für ein neues, anderes Deutschland zu arbeiten, sich stark zu machen für den Frieden in der Welt.

Sprecher:

"Nichts ist gleichgültig, ich bin nicht gleichgültig,

alles was wir tun hat unendliche

Perspektiven, Folgen bis in die Ewigkeit (...).

Wir kommen aus dem Licht und wir gehen ins Licht,

wir sind geliebter als wir wissen,

wir werden an unvernünftig hohen Maßstäben gemessen,

wir sind nicht allein, wir sind nie allein,

dieses Leben ist ungeheuer wichtig (...).

Es lohnt sich zu leben."

Aus: Helmut Gollwitzer, Krummes Holz – aufrechter Gang, München 1971, 4. Aufl., S. 382

Musik 2: Thrombone Shorty: Backatown, Track 9: In the 6th

Autorin: Ich bin evangelisch und freue mich auf den Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund, in der Stadt, in der ich nun schon seit vielen Jahren arbeite.

Aber heute, an diesem Sonntag geht nicht weit von Dortmund, in Münster der Katholikentag zu Ende. Mehrere Zehntausend Menschen versammelten sich dort vier Tage lang unter dem Motto: "Frieden suchen." Heute feiern sie den großen Abschlussgottesdienst.

Gemeinsam debattieren, singen, feiern, mit Menschen diskutieren, die Verantwortung tragen in der Politik, der Wirtschaft, der Kirche - das ermöglichen die Kirchentage, und das hat auch der diesjährige Katholikentag wieder möglich gemacht.

Wir müssen uns jeden Tag neu fragen, was leisten wir für den Frieden - sagte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx kürzlich.

Im Alltag höre ich oft ganz andere Worte:

"Die da oben, die sind doch alle korrupt. Da können wir kleinen Leute gar nichts machen." Oder: "Es ist doch völlig egal, was wir denken. Die da oben machen, was sie wollen."

Im letzten Bundestagswahlkampf, da diskutierten wir mit Freunden die Lage und da war jemand, der ganz klar sagte: Politik interessiert mich nicht. Für mich ist das schwer zu verstehen. Vielleicht wegen dieser Verantwortung, die ich spüre.

Politik bestimmt unser Leben und die der nächsten Generationen. Ich lebe nicht nur für mich. Ich lebe, damit andere auch leben können. Deshalb interessiert mich Politik.

Deshalb finde ich es gut, wenn auf dem Katholikentag diskutiert werden kann, über den Frieden, über die Armut hierzulande und weltweit, darüber, wie wir unsere Umwelt besser schützen können...für die, die jetzt noch klein sind und sich heute noch nicht wehren können.

Denn nicht nur ich trage Verantwortung, auch Deutschland trägt Verantwortung als eines der reichsten Länder dieser Welt. Es ist nicht egal, wer unser Land regiert. Es ist nicht gleichgültig, was wir tun für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt.

Musik 3: Thrombone Shorty: Backatown, Track 7: Neph

Autorin: Vor wenigen Wochen haben wir Ostern gefeiert. Dieses Fest erzählt vom Sieg des Lebens über den Tod. Von der Auferstehung Jesu von den Toten. Von dieser großen Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit, die nicht sterben soll. Von diesen Traum, dass eines Tages alle satt werden können und kein Kind mehr fliehen muss vor Hunger und Krieg.

Ostern - alles, was Jesus sich wünschte für diese Welt, ist mit seinem Tod nicht zu Ende. Auch wenn Jesus für uns Menschen auf dieser Welt körperlich nicht mehr zu greifen ist. Auch wenn Jesus nicht mehr sichtbar unter uns den Ton angibt oder vorne weg marschiert und die Richtung anzeigt.

Nächste Woche feiern wir Christen Pfingsten.

Das war der Tag, an dem Jesu Freunde und Freundinnen damals ihre Kraft spürten: Ja, wir tragen Jesus in unserem Herzen. Wir sind beseelt von seiner Botschaft. Wir sind von seinem Geist erfüllt. Davon können wir erzählen. Wir können handeln in seinem Geist. Wir sind gar nicht so klein und schwach, wie wir eben noch dachten. Wir bleiben dabei, wir mischen uns ein, wir übernehmen Verantwortung.

Heute morgen geht der Katholikentag in Münster mit einem großen Gottesdienst zu Ende. Die Menschen kehren von Münster aus an ihre Wohnorte zurück. Mit Kraft erfüllt, vermute ich. Denn dort, mitten im Alltag, geht es weiter. Schritt um Schritt. Nichts ist egal. Nichts ist gleichgültig. Wir sind gefragt. Wir bleiben wachsam, wir mischen uns ein, übernehmen Verantwortung. Wir suchen den Frieden. Wir sind nicht allein.

Einen guten Sonntag wünscht Ihnen Pfarrerin Antje Rösener aus Hattingen.

Musik 4: Walk around me, von der CD: The night shines like the day; von Kristin Asbjornsen; Track 8

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