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Kirche in WDR 5 | 25.06.2018 | 06:55 Uhr
Hochzeitssaison im Frühsommer
Guten Morgen. Der Frühsommer ist „Hochzeitssaison“. Das war auch am vergangenen Samstag wieder in meinen Gemeinden so. Und als jemand, der wenn man immer wieder solche Gottesdienste feiern darf, schaue ich hier und da nach neuen Trends Rein aus professionellen Gründen also habe ich im Mai Teile der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle auf Schloss Windsor verfolgt. Denn Fakt ist: Trendsetter in Sachen Hochzeit sind auch für Deutschland oft die Königshäuser. Und wer getragenen englischen Pomp erwartet hatte wurde – nennen wir es so: überrascht. Gospel-Chor und Elton John in einem wundervollen Gotteshaus aus dem 16. Jahrhundert sowie ein afro-amerikanischer Bischof, der so gar nicht die eigentlich wundervoll getragene Sprache der High-Church, spricht. Denn bei diesem Gottesdienst war vor allem eines diskutiert: Die Predigt. Die war echt Curry – echt scharf! Michael Curry hatte gepredigt, der Primas der Episkopalkirche der USA. Und der Afroamerikaner hat begeistert. Restlos alle begeistert. Ich weiß ja nicht, mit welcher Erwartung die gut 600 geladenen Gäste in die Schlosskapelle von Windsor gekommen waren. Die Fernsehbilder belegten allerdings deutlich: überraschte Gesichter, leichtes Kopfschütteln oder ratlose Blicke zu Beginn, dann aber immer mehr gelöstes Lächeln, immer öfter auch befreites Lachen im Verlauf der Ansprache von Michael Curry, der seinem Namen alle Ehre machte und richtig „Pep“ in die St. George’s Chapel brachte. Sein Thema – wie könnte es bei einer Hochzeit auch anders sein: die Liebe. Ihre Kraft nannte Curry schwer unterschätzt. Ihre Kraft könnte alles ändern – und knüpfte damit an die Worte eines berühmten Predigers der 60er Jahre an: Martin Luther King. „Die Liebe ist der einzige Weg!“ rief er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern zu. Und erinnerte an das „Feuer der Liebe“, das man nicht fesseln und schon gar nicht einsperren dürfe. Wenn nichts mehr helfe – dann helfe nur noch die Liebe.
Ich gestehe: ich war skeptisch. In diesem Augenblick zogen an mir Bilder aus Syrien vor-bei, Bilder von Konflikten, Hass und Gewalt – und nicht nur da. Ich habe mich gefragt: Glaubt Bischof Curry das eigentlich selbst, was er da sagt? Er lebt doch ganz und gar in der Welt von heute – hat seine Predigtnotizen auf einem iPad vor sich auf dem Lesepult liegen. Und im nächsten Augenblick wurde mir klar: Ja, er glaubt das – und er ist so be-geistert von dieser Kraft der Liebe, dass er ihr alles zutraut. Er nennt sie „unterschätzt“, warnt aber auch davor, sie sentimental zu überhöhen. Den Beweis dafür liefert er auf dem Fuße: Da lieben sich zwei junge Menschen – und deshalb kommen alle in der Kirche zusammen, Millionen sitzen vor dem Fernseher, weil sie von dieser Liebe fasziniert sind. Wenn das keine alles bewirken könnende Kraft ist.
Michael Curry reißt seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit, weil er ihnen den Beweis seiner These nicht schuldig bleibt: Seht her, an diesem kleinen Beispiel merkt ihr es deutlich: Die Kraft der Liebe bewirkt, dass wir alle hier friedlich beisammen sind. Und wenn das funktioniert, dann funktioniert mit dieser Kraft der Liebe noch viel mehr!
Was würde es eigentlich kosten, das einfach einmal auszuprobieren, der Liebe, wo sie erfahrbar wird, diese Kraft auch zuzutrauen. Jenseits aller Berechnung, jenseits aller Voraussagen. Ich glaube auch, dass da viel mehr geht. Michael Curry hat mir jedenfalls mit seiner Predigt Mut gemacht, diesen Weg zu beschreiten.
Ich wünsche ihnen einen guten Tag. Vielleicht hören wir uns in dieser Woche ja öfter noch, wenn sie mögen. Ihr Ulrich Clancett, Pfarrer in Jüchen.