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Das Geistliche Wort | 19.08.2018 | 08:35 Uhr

Unterbrechung

Guten Morgen, liebe Hörer und Hörerinnen,

eine willkommene Unterbrechung sind für viele in diesen Tagen die Ferien. Endlich frei!

Frei von den Verpflichtungen des Alltags, eine Atempause für Körper, Geist und Seele. Einfach raus aus dem alltäglichen Einerlei und tun und lassen, was gut tut. Zeit zum Innehalten und Ausruhen, Zeit für Sport und Spiel, Entspannung und Genuss.

Andere Unterbrechungen sind nicht so wohltuend, sie stören eher. Dabei denke ich nicht nur an das Klingeln des Telefons zur falschen Zeit, sondern an solche Unterbrechungen, die mich herausreißen aus meinen gewohnten Bahnen. Wenn z.B. jemand etwas sagt, das mir nicht „in den Kram passt“ oder über das ich erst einmal nachdenken muss. Das stört.

Trotzdem gehören auch solche Unterbrechungen zu unserem Leben – ja, wir brauchen sie. Wie auch immer sie sich gestalten, sie reißen aus Gewohnheiten, zeigen, dass alles nicht so weiterlaufen muss oder auch weiterlaufen kann wie bisher. Unterbrechungen signalisieren: Es geht auch anders! Es gibt Alternativen.

Musik 1

Wie hilfreich Unterbrechungen sind, erlebe ich fast täglich. Ich arbeite nämlich als Supervisorin, das heißt: Ich berate Menschen in ihrer Arbeit. Sie kommen zu mir, weil sie ihr berufliches Handeln reflektieren wollen, eine neue Stelle bekommen haben, vor einer großen Herausforderung stehen oder sich einer Veränderung im Team stellen müssen.

Solche Beratungen machen mir Spaß, sie sind aber nicht immer leicht. Manchmal ist die Situation festgefahren, da dreht sich jemand im Kreis; da hat ein Supervisand über Jahre ein Verhalten gelernt, das ihm geholfen hat, das jetzt aber nicht mehr funktioniert. Hier etwas Neues zu lernen, ist eine Herausforderung. Als Beraterin brauche ich in einer solchen Situation Fingerspitzengefühl: Ich muss mich auf den Ratsuchenden einschwingen, ihn in seiner Welt abholen. Zugleich muss ich diesem Menschen auch helfen, seine alten Muster zu unterbrechen und Neues zu wagen. Das ist ein Seiltanz. Wenn dieser allerdings gelingt, stellt sich nicht selten ein Aha-Erlebnis ein – wie bei einer jungen Frau, die sich in ihrem Team unauffällig und angepasst verhalten hat. Dieses Verhalten hatte sie als Kind gelernt und lange Jahre trainiert. Vielfach hatte es ihr geholfen. Nun aber war sie damit unglücklich. Sie wollte sich in ihrem Team positionieren, klipp und klar sagen, was sie will und was sie nicht will. Mit meiner Unterstützung hat sie es geschafft. Und siehe: Es ist nicht das passiert, wovor sie Angst hatte. Die anderen haben sie weder ausgelacht noch abgewertet. Im Gegenteil: Sie haben sie wahr- und ernstgenommen. Heute wird sie oft nach ihrer Meinung gefragt. Aus einem grauen Mäuschen ist eine selbstbewusste junge Frau geworden.

Musik 2

Auch wenn ich als Supervisorin berate mithilfe von Unterbrechungen, genannt Interventionen: Ich selbst brauche diese aber auch. Auch ich habe mich in meinem Denken und Handeln eingerichtet, habe meine blinden Flecken, die ich nur mit Hilfe anderer entdecken kann. Deshalb nehme ich selbst auch regelmäßig Beratung in Anspruch.

Vor allen Dingen gönne ich mir auch immer wieder Auszeiten, Zeiten der persönlichen Besinnung, in denen ich mich neu ausrichte. Als glaubender Mensch brauche ich diese Unterbrechungen. Im täglichen Einerlei, in alldem, was auf mich einprasselt, vergesse ich nämlich zu leicht, was mir wirklich wichtig ist und woraus ich lebe, aus der Lebenszusage Gottes. Dass Gott für mich da ist, dass er mich unabhängig von meiner Leistung und meinem Können liebt, dass er mein Leben sogar über den Tod heraus garantiert, daran glaube ich. Trotzdem verfalle ich im Alltag immer wieder in alte Verhaltensmuster, tue ich so, als ob alles von mir abhängt. Diese Muster sind ungemein hartnäckig, sie drängen immer wieder an die erste Stelle. Das aber will ich nicht. Deshalb versuche ich mich regelmäßig, neu auf Gott hin auszurichten. Dabei hilft mir auch ein Gedicht der großen Theologin und Poetin Dorothee Sölle. Es heißt „Du sollst Dich selbst unterbrechen“ und geht so:

Sprecherin:

Zwischen Arbeiten und Konsumieren

soll Stille sein und Freude,

dem Gruß des Engels zu lauschen:

Fürchte dich nicht!

Zwischen Aufräumen und Vorbereiten

sollst du es in dir singen hören,

das alte Lied der Sehnsucht:

Maranata, komm, Gott, komm!

Zwischen Wegschaffen und Vorplanen

sollst du dich erinnern an den ersten Schöpfungsmorgen,

deinen und aller Anfang,

als die Sonne aufging ohne Zweck

und du nicht berechnet wurdest

in der Zeit,

die niemandem gehört

außer dem Ewigen.

Welch eine Zuversicht und innere Freiheit atmen diese Zeilen!

Mich ermutigen sie! Und so nehme ich mir immer wieder Zeit, unterbreche meine Gewohnheiten und spüre in mich hinein, was mir wirklich wichtig ist, mir Kraft gibt und mich lebendig hält.

Musik 3

Dass wir Menschen immer wieder innehalten und aus unseren Beschäftigungen aussteigen müssen, das wusste auch schon ein großer Mann der Kirche im 12. Jahrhundert, Bernhard von Clairvaux, Zisterziensermönch und Ausnahmetheologe. Morgen feiert die Katholische Kirche seinen Namenstag. Der Hl. Bernhard hat um 1150 seinem ehemaligen Schüler, Papst Eugen III., einen Brief geschrieben, der es noch heute in sich hat. Bernhards Worte sind nämlich eine deutliche Mahnung an alle Workaholics.

Sprecher:

Wo soll ich anfangen? Am besten bei deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit dir. Ich fürchte, dass du eingekeilt in deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst und deshalb die Stirn verhärtest.“

So fängt der Brief an und Sie merken schon, Bernhard spricht Klartext. Natürlich ist es sein ehemaliger Schüler, dem er schreibt, aber inzwischen ist dieser eben Papst geworden, Oberhaupt der katholischen Kirche. Trotzdem hat Bernhard keine Manschetten, ihm ein wenig den Kopf zu waschen. Der Arbeitsstil des Papstes gefällt ihm nicht; er taugt nicht für eine gute Arbeit und schadet sowohl dem Papst wie den Menschen. Der Seitenhieb auf die „verhärtete Stirn“ ist deutlich. Am Ende des Briefes wird der Heilige sogar noch deutlicher und schreckt vor einer eindeutigen Mahnung nicht zurück!

Sprecher:

„Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Denk also daran: Gönne dich dir selbst. Ich sag nicht: Tu das immer, ich sage nicht: Tu das oft, aber ich sage: Tu es immer wieder einmal. Sei wie für alle anderen auch für dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen“.

Musik4

„Gönne dich Dir selbst“: Als Supervisorin sind mir die eben gehörte Worte des Heiligen Bernhard durchaus vertraut. Sein Brief wird oft zitiert in diesen Zusammenhängen. Aber dennoch beeindrucken mich diese Worte immer wieder. Zudem fühle ich mich durch sie bestätigt, weil ich das, was der Heilige sagt, nur allzu gut kenne. Wenn ich aufgehe in meiner Arbeit, nichts Anderes mehr im Kopf habe, bin ich nicht nur hart gegen mich, sondern auch gegen andere. Dann kann ich nicht mehr großzügig über kleine Fehler hinwegsehen, regt mich jedes unnötige Telefonat mächtig auf und mein Ton wird scharf. Gönne ich mich hingegen mir selbst, gönne ich auch anderen etwas, kann ich mich mit ihnen auch über kleinste Dinge freuen. Ich bin dann frei, großzügig und spüre auch, was immer in mir und durch mich leben will. Dann mag ich mich auch wieder, kann mich selbst und andere ausstehen.

Und noch etwas Anderes stellt sich ein. Gönne ich mich mir selbst, nehme ich mir Auszeiten für mich und immer wieder auch mit Gott - in der Stille einer Kirche, bei langen Spaziergängen oder anderswo. Dabei werde ich nicht nur gelassener: Oft habe ich plötzlich eine Idee, habe Lust, persönlich oder beruflich etwas Anderes auszuprobieren oder kann mich endlich von einer Sache verabschieden, an der ich mich festgebissen habe.

Musik 5

Darin (im Vorspiel):

Vielleicht kennen Sie, liebe Hörer und Hörerinnen, ja auch solche Erfahrungen. Deshalb wünsche ich Ihnen mit dem Heiligen Bernhard: „Gönne dich dir selbst“: Nehmen Sie sich immer wieder Zeit für Unterbrechungen, damit so Neues aufbrechen und in ihrem Leben blühen kann.

Dies wünscht Ihnen Margret Nemann aus Münster.

Quellen:

Dorothee Sölle: Der siebte Tag ist heilig, in: dies. / Luise Schottroff: Den Himmel erden, München 1996, S. 89.

Bernhard von Clairvaux: Brief an Eugen III, so zitiert in: Wunibald Müller: Gönne Dich Dir selbst, Münsterschwarzach 1995, S.11.

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