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Kirche in WDR 5 | 19.02.2019 | 06:55 Uhr
Man darf alles ...
„Man darf alles, man darf sich nur nicht erwischen lassen!“
Wie bitte? - Habe ich richtig gehört? „Man darf alles, nur nicht sich erwischen lassen!“? Eine junge Frau hatte diesen Satz in einem Gespräch mit mir als Pastor vor ihrer Firmung gesagt - mit leicht ironischem Lächeln natürlich.
Sie war gar nicht selbst darauf gekommen: ihr Patenonkel soll es ihr als seine Lebensweisheit mit auf den Weg gegeben haben! „Ja ham' wir heute denn Vollmond?“ - dachte ich damals.
Auch wenn dieses Mädchen einigen Leuten möglicherweise aus der Seele spricht,
war und bin ich völlig anderer Meinung: „Ja, möchtest Du denn in so einer Welt leben?“ habe ich sie gefragt - der Onkel war leider nicht zugegen.
Was wäre das für eine Gesellschaft, in der jeder macht, was er will, keiner, was er soll, aber alle mitmachen und niemand erwischt wird? Das ist überhaupt nicht mehr lustig! Das wäre so, wie es im Buch Richter der Bibel beschrieben wird: „Jeder tat, was in seinen Augen recht war!“ (Ri 21.25b)
„In seinen Augen“ kling vielleicht auf's erste Hören interessant und individuell doch möchte ich wirklich dabei sein, wo keiner sich an Absprachen und Regeln hält und alle versuchen, unauffällig nur ihr Ding zu machen? Sind das nicht alles Spielverderber?
Bin ich nicht viel lieber dort, wo man sich nicht übel mitspielt, sondern mitspielen lässt, aufeinander einspielt und den Ball zuspielt? Das Mädchen, das kurz vor der Firmung stand, sah dies nach kurzem Nachdenken ein. Sie wollte doch auch nicht ausgetrickst und übers Ohr gehauen werden. Sie suchte doch selbst Verlässlichkeit und Vertrauen.
Ich habe ihr damals ein anderes Lebensmotto nahegelegt. Es klingt ähnlich,
bewirkt aber doch ganz anderes. Dem Heiligen und Kirchenlehrer Augustinus
wird das Wort zugeschrieben. „Liebe und dann tu was du willst!“
Denn wer liebt, der tut nicht mehr, was in seinen Augen recht ist, sondern der versucht, dem anderen gerecht zu werden – und das ist ein großer Unterschied. Wo Menschen fair bleiben und auch im Verborgenen danach handeln, da wächst eine neue Welt heran, in der man gut und gerne lebt, und wo sie sich ausbreitet, da möchte ich jedenfalls durchaus mitspielen und mich auch gerne erwischen lassen.
Einen guten Tag aus Köln und einen friedlichen Vollmond heute Abend wünscht Pfr. Jürgen Martin.