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Kirche in WDR 5 | 20.03.2019 | 06:55 Uhr
Es ist nicht, wie es scheint!
Es ist nicht, wie es scheint
Erwachsen werden lässt sich ja auf unterschiedliche Weise feiern. Im bürgerlichen Leben mit einer ordentlichen Party zum 18ten. Und bei Kirchens mit einer schönen Feier zur Firmung oder zur Konfirmation. Da sage ich als junge Christin oder junger Christ „Ja“ zu meinem Glauben – und in vielen christlichen Kirchen wird dieses Bekenntnis dann durch Handauflegung eines Geistlichen bekräftigt. Bei uns Katholiken kommt dazu sogar eigens der Bischof – selbst in den hintersten Winkel seines Bistums. Will damit sagen: Das ist schon eine ziemlich große Sache. Und die jungen Frauen und Männer nehmen das entsprechend ernst. Guter Anzug, schönes Kleid, ordentliche Schuhe. Sie wissen schon…
Die Firmpaten gehören übrigens ebenfalls dazu. Auch sie für den Anlass entsprechend gekleidet. Und es ist ein besonders feierlicher Moment, wenn dieser Firmpate dann dem Firmling die Hand auf die Schulter legen, der Bischof seine Hände auf deren Kopf breitet und in Stille ein Gebet spricht. Die ganze Gemeinde schaut dabei zu. Und ich gestehe: Mich hat das besonders berührt, als meine Tochter vor ein paar Jahren so vor der Gemeinde gestanden und ihren Glauben bekannt hat.
Nach der Firmung damals haben wir übrigens noch eine Weile beisammen gestanden. Haben darüber gesprochen, wie gelungen, wie würdig die Feier war. Wie schön der Bischof gepredigt hat. Und dann sind wir auf diesen einen Firmpaten zu sprechen gekommen. Einen, der so gar nicht ins Bild gepasst hatte: Graues, faltiges T-Shirt. Kein Jacket. Dafür Oberarme wie Oberschenkel. Nach hinten gegeltes Haar. Nicht rasiert – also wie gerade von der Straße geholt. Und wir waren uns einig: Das war wohl ganz sicher nicht dem Anlass angemessen. Ich gebe zu: Wir haben da gelästert. Wir waren uns einig: So ist das wohl heutzutage. Man kann halt nicht mehr erwarten, dass die Menschen wissen, was sich in der Kirche gehört …
Und während wir so über diesen Typen gesprochen haben, kam einer der Geistlichen hinzu, der gerade die Messe mitgefeiert hatte. Er grüßte freundlich und meinte dann: „Ihr glaubt ja nicht, was da vor Beginn des Gottesdienstes passiert ist. Wir waren schon auf dem Weg in die Kirche, da ist ein völlig aufgelöster junger Mann zu uns in die Sakristei gestürzt. Sein Firmpate sei nicht gekommen. Ob nicht sein Freund hier den Ausfall ersetzen könne. Der sei zwar nicht vorbereitet, hätte jetzt auch keinen schicken Anzug und sie hätten ihn gerade erst von zu Hause abholen müssen, aber …“
Wahrscheinlich ist diesem Freund die ganze Sache auch ziemlich unangenehm gewesen – vorne auf dem Präsentierteller, zwischen all den Geschniegelten und Gestriegelten. Aber: Er hatte sich in die Pflicht nehmen lassen – wohl wissend, dass er da wahrscheinlich auffallen würde. Nur ist ihm das egal gewesen. Sein Freund brauchte ihn jetzt. Er wurde gerufen – und er ist gefolgt. Ohne Zögern. Trotzdem.
Ja, vielleicht hat sich dieser Mann wegen seiner Klamotten geschämt. Ganz sicher bin ich mir allerdings, dass er sich nicht halb so viel geschämt hat, wie ich mich in unserer kleinen Lästerrunde …
Kommen Sie gut in den
Tag! Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Wenden.