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Kirche in WDR 5 | 16.05.2019 | 06:55 Uhr
Europa - gegründet auf Freiheit
Europa wählt. Was das mit „Kirche im WDR“ zu tun hat? Möchte ich Ihnen gerne erzählen.
Vor 15 Jahren bekam ich nämlich eine Einladung. Bei der stimmte alles: Ich sollte reden über mein Lieblingsthema, über „Medien, Macht und Moral“. Veranstaltungsort war Prag. Und mein Gastgeber war die Fokolarbewegung – also eine Gruppe von Christen, für die die familiäre Verbundenheit im Christentum einen besonderen Wert hat. Ich habe deshalb gerne und dankbar angenommen – und bin mit der Gewissheit nach Tschechien gefahren, dass das hier wohl eine Art Heimspiel würde. Dass ich den Vortrag halten würde – und dann noch ein paar schöne Tage in dieser wunderschönen Stadt verbringen würde. Was ich nicht gedacht hätte: Mein Vortrag kam so gar nicht an.
Ich redete darüber, dass Medien eine große Macht gegeben ist – und dass es deshalb Regeln braucht. Dass zu große wirtschaftliche Konzentration bei einigen wenigen Konzernen vielleicht problematisch ist. Dass eine zu große Abhängigkeit von Werbekunden schwierig sein kann. Und ich war mir sicher, dass alles das wohl eigentlich mit viel Applaus bedacht würde.
Doch mein tschechisches Publikum hat mich eines Besseren belehrt. Wenige Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bin ich hier nämlich auf eine Gruppe von Menschen getroffen, die zwar bereit war, über Regeln und Grenzen zu sprechen. Aber für die Europa vor allem und zunächst einmal eines bedeutete: Freiheit. Und diese Leute haben mir klar und unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass Handeln in Freiheit zwar immer gebunden sein muss an Verantwortung. Aber dass diese Verantwortung wohl immer zuvorderst eine des Gewissens ist und nicht gleich eine des Gesetzes sein muss.
Unwillkürlich habe ich an diesem Abend an den Hollywood-Streifen „Bruce Allmächtig“ gedacht. Der war wenige Monate zuvor in den Kinos gelaufen. Und in dem geht es darum, dass ein junger Mann für kurze Zeit mit der Allmacht Gottes ausgestattet wird. Und als er versucht, diese Macht zu gebrauchen, um seine Ex-Freundin wieder für sich zu gewinnen – als er vor ihr steht und sie beschwört: „Lieb mich! Lieb mich! Lieb mich!“ – da muss er feststellen: Das funktioniert nicht. Und verzweifelt wendet er sich an Gott und fragt ihn: „Wie bringt man einen Menschen dazu, einen anderen zu lieben, ohne in seinen freien Willen einzugreifen?“ Die Antwort Gottes fällt ziemlich knapp aus: „Willkommen in meiner Welt.“
Wissen Sie: Manchmal hält Hollywood tatsächlich Wahrheiten bereit. Und manchmal sind Glaube und Gesellschaft sich sehr ähnlich. Weil beides nicht gelingen kann, wenn ich zu sehr auf einen alles klärenden Gott setze oder allein auf die Macht der Gesetze baue. Wenn ich zu sehr auf einen in alles eingreifenden Gott vertraue oder auf alles regelnde Verordnungen. Wenn ich also zu wenig darauf achte, welchen großen, ja: welchen entscheidenden Anteil ich mit meinem Leben und meinem Verhalten darauf habe, ob das Miteinander gelingt. Die Münze meines Glaubens und unseres Zusammenlebens in Deutschland und in Europa – die ist geprägt von Freiheit. Allerdings von einer Freiheit, die sich gebunden weiß. Das ist nicht einfach. Weil es immer leichter ist, nach irgendeiner Instanz zu rufen, die dieses oder jenes regelt. Die ein entsprechendes Gesetz oder eine Richtlinie erlässt. Aber wenn ich möchte, dass etwas wirklich gelingt und das es gut und richtig ist: Dann werde ich mich wohl selber einbringen müssen mit dem, was mir wertvoll und wichtig ist. Dann werde ich bekennen müssen – mit meinem Leben. Und auch da haben Demokratie und Glaube viel gemeinsam: Weil es eben nicht getan ist mit einmal die Woche in die Kirche oder einmal alle paar Jahre ein Kreuzchen auf dem Stimmzettel. Sondern da bin ich jeden Tag, jede Stunde, immer gefragt. Nicht aus Zwang. Nicht wegen irgendwelcher Regeln. Nicht aus Tradition. Sondern in Freiheit.
In diesem Sinne einen schönen Tag in Freiheit, Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.