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Kirche in WDR 5 | 27.05.2019 | 06:55 Uhr
Nur Geduld !
Guten Morgen!
Ich segele für mein Leben gern! Jedes Jahr miete ich zusammen mit lieben Menschen ein Segelschiff, um ein paar Tage auf dem Wasser zu sein – soweit das mein Geldbeutel hergibt. Wir segeln dann auf der Ostsee. Das macht richtig Spaß. Meistens jedenfalls, wenn da nicht mein Mitsegler Peter wäre. Der kann mich manchmal wahnsinnig machen.
Dabei ist er ein herzensguter Mensch; trotzdem stellt er meine Geduld schon mal gewaltig auf die Probe. Folgendes:
Ein sonniger Segeltag. Wir laufen am Abend bei mäßigem Wind in einen Hafen ein. Wir sind zum ersten Mal dort, kennen uns also nicht aus. In einiger Entfernung haben wir einen freien Liegeplatz entdeckt, und ich steuere so langsam wie möglich darauf zu. So haben Peter und die anderen Zeit, das Schiff klar zu machen für das Anlegemanöver. Dazu gehört unter anderem, die Leinen zum Festmachen bereit zu legen und diese mit Knoten zu versehen. Wenn wir den Liegeplatz erreichen, muss alles fertig sein. Denn so wie mit dem Auto mal eben anhalten und warten, geht auf dem Wasser nicht. Da müssen alle zusammenarbeiten, muss jeder Handgriff sitzen. Alles läuft nach Plan. Fast alles, denn bei Peter hakt es wieder einmal – und das zehrt an meiner Geduld. Er bereitet eine Leine vor und braucht dafür endlos viel Zeit. Die Anlegestelle kommt immer näher, aber Peter probiert in aller Seelenruhe aus: Wie ging das nochmal mit dem Knoten? Linksherum? Oder Rechtsherum? Vielleicht nochmal neu anfangen? Ich werde zunehmend rappelig, trommle mit meinen Fingern auf dem Steuerrad, denn in wenigen Sekunden brauchen wir diese Leine! Herr im Himmel! In dem Moment, als ich schon das Anlegemanöver abbrechen will, hat er es dann doch irgendwie geschafft, und wir können festmachen. Puuh – erstmal durchatmen!
Ja, mit Peter muss ich Geduld haben. Aber noch einmal: er ist eine Seele von Mensch und ein treuer Freund. Ich kenne ihn seit unserer Schulzeit. Bei unseren Segeltörns kümmert er sich um Hafengebühren, Stromanschluss und Duschmarken, und besorgt Brötchen und Tageszeitung. Er hat einen Blick für die gesamte Crew. Von daher ist völlig klar: Peter gehört dazu.
Vieles beim Segeln ist wie im richtigen Leben: wir sind aufeinander angewiesen und müssen – für eine kurze Zeit – miteinander auskommen. Dazu gehört auch, Geduld mit den anderen zu haben.
Wenn ich nämlich mal überlege: Im normalen Alltag habe ich als Polizeiseelsorger viel mit anderen Menschen zu tun, und dann bin ich in der Regel sehr geduldig. Menschen bekommen von mir alle Zeit der Welt für ihre Fragen und Anliegen. Bei meinen Kindern ist es dann manchmal schon etwas anders: Wir planen das Mittagessen für den nächsten Tag, und auf die wiederholte Frage, was es denn sein soll, kommt dreimal die Antwort: keine Ahnung. Und ziemlich ungeduldig kann ich im Straßenverkehr werden, wenn jemand vor mir durch die Gegend schleicht.
Andersherum erlebe ich, wie viele Menschen mit mir Geduld haben: wenn ich zum dritten Mal nach einem Namen frage, weil ich ihn mir einfach nicht merken kann.. Für ihre Geduld bin ich dankbar. Denn dadurch kann ich in meinem eigenen Tempo leben und handeln.
Wobei – ehrlich gesagt: Am schwersten fällt es mir, Geduld mit mir selbst zu haben. So nehme ich aktuell an einer langfristigen Fortbildung teil. Was ich dort lerne, kann ich – natürlich! – nicht sofort perfekt anwenden. Das ist ja ein Lernprozess. Trotzdem ärgere ich mich darüber und bin frustriert. Das muss doch schneller gehen! Mir helfen dann liebe Menschen, die mir gut zureden – und eben Geduld mit mir haben. Übrigens, das lese ich auch in der Bibel: Da hat Gott mit seinem Volk, also mit den Menschen, unendlich viel Geduld. So bleibt er im Alten Testament seinem Volk Israel treu, auch wenn dieses sich oft anders verhält als Gott es sich wünscht. Und Jesus Christus sucht sich später den Petrus aus als Fundament, als Basis für die Kirche – obwohl dieser ihn vorher dreimal verraten hat. Er ist mit Petrus geduldig und sieht mehr seine Fähigkeiten als seine Schwächen.
Und ich glaube, dass Gott auch mit mir Geduld hat. Und dass ich mich deshalb in dem Tempo entwickeln darf, das zu mir passt. Das gibt mir Gelassenheit, auch wenn ich diese nicht immer abrufen kann.
Und es macht mich ein bisschen geduldiger mit Andere.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag! Ihr Pastoralreferent Martin Dautzenberg aus Essen.