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Kirche in WDR 5 | 31.05.2019 | 06:55 Uhr
Manchmal kommt es anders
Bevor ich mit meinen Freunden einmal im Jahr zum Segeln in See steche, überlegen wir grob, wo wir überhaupt hin wollen: Welche Häfen und Orte können wir mit unserem Schiff erreichen? Wo warten malerische Landschaften und gemütliche Städtchen auf uns? Welches Wetter kommt auf uns zu?
Jeden Morgen kommt dann die Feinplanung: Wir hören den Wetterbericht und studieren die Seekarte: Ist das Wasser auf der Strecke tief genug, so dass wir immer die berühmte „Handbreit Wasser unter dem Kiel“ haben? Welche Seezeichen, also Tonnen und Leuchttürme zeigen den richtigen Weg? Wo gibt es Ausweichhäfen, falls mal was dazwischen kommt? Wenn das alles geklärt ist, kann’s losgehen. Und trotz aller Planung: Manchmal kommt es doch anders. Letztes Jahr zum Beispiel:
Strahlend blauer Himmel, ein schwacher Wind, wenig Wellen. Ich nenne das „Kaffeesegeln“: Wir lümmeln uns hinten auf der Bank, schlürfen Kaffee, lesen was oder genießen die Sonne und die Landschaft. Einfach herrlich! Der Nachteil aber ist: Wir kommen nur langsam voran.
Für diesen „Bilderbuchsommersegeltag“ haben wir uns einen kleinen versteckten Anleger als Ziel ausgesucht, wunderschön und ziemlich einsam am Ende einer Bucht. Das nächste Dorf ist etwa fünf Kilometer entfernt. Und je mehr der Tag dahingeht, steigt ein Problem auf: „Was essen wir heute“? Diese Frage holt alle aus den Träumen. „Ähm… wir müssen noch einkaufen.“ Ich ahne bereits, was jetzt kommt: „Ich hab keine Lust, nachher eine Stunde ins Dorf zu laufen und eine Stunde zurück, um dann an Bord noch zu kochen!“ – „Außerdem gibt’s keine Duschen. Können wir nicht doch woanders hinfahren?“ Das Ende vom Lied: Damit die schöne Stimmung nicht ganz umkippt, schmeißen wir unsere Planung über den Haufen, ändern das Ziel und laufen eine Stadt mit Hafen an. In dem Fall war das gut möglich, noch einmal anders zu planen; immer geht das nicht. Und wie schnell kann es anders kommen, als ich es plane und will?
Genau diese Erfahrung hat auch mit meinem Alltagsleben zu tun:
Ich möchte mich beruflich verändern, und ich weiß auch, in welche Richtung. Mein Ziel ist also klar, die Planung steht. Außerdem bin ich überzeugt: Ich kann alles, was die neue Aufgabe verlangt. Das vergleiche ich mit dem Tiefgang: so wie das Schiff in das flache Fahrwasser passt, passe ich zu der angestrebten Position. Und der Wind steht auch gerade günstig, die Bedingungen sprechen also für mich. Die Leuchttürme zeigen mir den Weg: ich weiß, auf welchem Weg ich mein Ziel erreichen kann. Und schließlich passt die Veränderung in mein Leben, im Vergleich: die Tagesetappe passt in den gesamten Törn.
Ich mache mich also auf den Weg, knüpfe Beziehungen, nehme an einer Fortbildung teil… und dann läuft etwas schief: Die Firma braucht mich doch woanders, wie wenn der Wind plötzlich seine Richtung ändert. Werde ich mein Ziel noch erreichen? Oder erreiche ich das Ziel auf einem anderen Weg, oder suche ich ein neues Ziel? Pläne über den Haufen zu werfen ist nicht leicht. Neu anfangen schon gar nicht. Aber: Wer weiß, wozu das gut ist.
Mir jedenfalls hilft eine solche Haltung, mein Leben flexibel zu gestalten, offen zu sein für Veränderungen. Manchmal kommt es eben anderes – aber wer weiß, wozu das gut ist? Und: Vielleicht tut es meinem Leben ja auch mal gut, die Richtung zu ändern, umzudenken, neu zu planen.
Ich glaube, dass Gott mich durch mein Leben führt, mir manches Abenteuer zumutet. Und gerade das macht mein Leben auch interessant.
In der Bibel lese ich nämlich beim Propheten Jesaja (Jes 55,8): „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn.“ Das bedeutet für mich: Ich darf nicht nur, sondern ich muss sogar mit Überraschungen rechnen, die mein Leben verändern und hoffentlich auch interessant machen. Ich weiß nicht alles im Voraus. Ich verstehe auch nicht alles. Aber ich vertraue darauf, dass Gott mich auch in abenteuerlichen Lebensabschnitten begleitet.
Kommen Sie gut durch den Tag – mit all seinen Überraschungen. Martin Dautzenberg, Pastoralreferent aus Essen