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Kirche in WDR 5 | 25.07.2019 | 06:55 Uhr
Pilger sind wir Menschen
Guten Morgen und buen camino!
Dieser Gruß gilt heute Ihnen. Es ist der Gruß der Pilger auf dem Jakobsweg und meint einfach: „Einen guten Weg!“ Der Jakobsweg - oder besser die Jakobswege, denn es gibt viele davon – haben alle ein Ziel: das Grab des Apostels Jakobus in der Kathedrale von Santiago de Compostela im Westen Spaniens. Heute werden dort viele Pilger zusammenkommen, denn heute ist der Festtag des heiligen Jakobus. Sicher gibt es viele Pilgerwege, doch nach Jerusalem und Rom war Santiago de Compostela der wichtigste christliche Pilgerort. Seit der Jahrtausendwende haben viele Menschen diesen Jakobsweg wieder für sich entdeckt, sind ihn ganz oder teilweise gegangen. Ich selbst bin 2003 mit einer Gruppe Jugendlicher zu Fuß nach Santjago gepilgert. Pilgern ist mehr als Freizeitbeschäftigung, ist mehr als sportliche Herausforderung ist mehr als touristische Besichtigung. Pilgern ist für das Leben sinnbildliches Gehen mit einem Ziel. „Pilger sind wir Menschen“ so besingt es ein Lied und liefert damit schon eine Deutung.
Die geistliche Schriftstellerin Andrea Schwarz ist vor 20 Jahren den Jakobsweg gegangen und hat darüber ein Buch verfasst, das ein geistliches Tagebuch ist. Im Vorwort schreibt sie Gedanken zum Pilgern auf, die ich aufgreifen möchte:
Sprecherin: „Pilgern. Menschen brechen auf, machen sich auf die Suche nach dem, was Spuren von Sinn erkennen lässt, ein Ziel für das eigene Leben erahnen lässt, das erklären kann, warum das Leben so und nicht anders ist. … Pilgern heißt eigentlich, sich auf die Suche nach dem Sinn im eigenen Leben zu machen.“
Diese Suche ist nicht immer gleich wichtig für uns. Aber in manchen Lebensphasen sind wir besonders empfänglich, bzw. ist die Suche drängender. Unser Leben will Richtung, bisherige Antworten werden fragwürdig und ich suche Orientierung. Hier schreibt Andrea Schwarz:
Sprecherin: „Pilgern hat immer etwas mit unterwegssein mit suchen und fragen zu tun – und wenig mit angekommen sein, mit Antworten und schon gefunden haben. … Aus meiner Sicht hat solch eine Suche immer mit Gott zu tun, mag man es so sagen oder nicht, mag man Gott beim Namen nennen oder irgendeine Chiffre dafür wählen. Der, der sucht, fragt über seinen jetzigen Lebenshorizont hinaus, er will mehr, ihn treibt eine Sehnsucht auf etwas, was noch nicht ist. – auch wenn er ihr keinen Namen gegeben hat.“
Das Leben als Weg mit Gott verstehen. Ein Pilgerweg des Lebens ist eine geistliche Reise und der bleibt dynamisch, bis ans Ziel. Für die Jakobspilger ist das Ziel die Kathedrale von Santiago de Compostela. Mir persönlich hat sich das alte Portal mit den vielen Figuren in den Bögen, Jakobus an der Mittelsäule und Christus darüber als Zielbild eingeprägt. Ein Bild der himmlischen Herrlichkeit, in die wir am Ziel unseres Lebens eintreten dürfen. Der Glaube an die Existenz dieses Zieles hat Auswirkung auf die Art, wie ich den Weg gehe, wie ich Durststrecken durchstehe, wie ich Hindernisse überwinde oder mich an der Schönheit der Welt erfreue. Noch einmal Andrea Schwarz:
Sprecherin: „Ich will einladen, sich selbst auf den Pilgerweg des je eigenen Lebens zu machen. Dazu muss man nicht leibhaftig nach Santiago gehen. Es geht um eine Haltung und Einstellung zum Leben. Es geht um den Pilgerweg im eigenen Herzen.“
Heute am Fest des Apostels Jakobus lohnt es sich besonders, diesen Tag in der Haltung des Pilgers zu begehen. Suchend, aufmerksam auf die Dinge und Ereignisse am Wegesrand, unter der Zusage eines Gottes, der mitgeht. In diesem Sinne: Buen camino durch diesen Tag! Ihr Dietmar Röttger, Propst in Soest.
Quellenangabe: Schwarz, Andrea; Die Sehnsucht ist größer. Vom Weg nach Santiago de Compostela; Herder 1998. Zitate S. 7; S. 8; S. 11