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Das Geistliche Wort | 01.03.2020 | 08:40 Uhr
Fastenzeit - 40 Tage ohne ...
Guten Morgen!
Ich stöbere gerne in Buchläden, bin neugierig auf interessante Neuerscheinungen. Letztens stieß ich auf folgenden Titel: „Steinalt und kerngesund- 100 Jahre erfüllt leben“. Der Traum eines jeden Menschen: erfüllt leben! Das spricht mich als Priester an, der ich ja viel über so etwas nachdenke und auch was dazu sagen muss. Ich blättere. Ich möchte auch wissen wie das geht: Wie kann ich steinalt und kerngesund 100 werden? Und ist das dann erfülltes Leben?
Der Autor des Buches hat eine Reise zu den Hundertjährigen dieser Welt gemacht, um herauszufinden wie man steinalt wird und kerngesund bleibt. Neben interessanten Ernährungstipps bleibe ich an einer Stelle kleben. Da heißt es: Regelmäßig einen Fastentag einlegen.
Steinalt und kerngesund- 100 Jahre erfüllt leben – und zwar durch regelmäßiges Fasten. Fasten liegt offenbar wieder im Trend: Körperkult, schlank werden, gesund Leben und Essen, Lifestyle.
Wie eine Umfrage im letzten Jahr zeigte, die Zahl der Fastenanhänger steigt kontinuierlich an. Vor acht Jahren sprachen sich 53 Prozent für den Verzicht aus, heute sind es schon 63 Prozent. Besonders in der Altersgruppe der 18- bis 29-jährigen wird gerne gefastet. Das finde ich interessant.
Und was tröstlich ist und zu den guten Ratschlägen in der Fastenliteratur auch zu finden ist: Wenn du dich selbst im Verzicht üben willst und nach einigen Wochen strauchelst, gib nicht auf. Selbst wenn du das ganze Fasten nicht zu 100 Prozent durchhältst, kann dein verbessertes Bewusstsein deinen Lebensstil auch in Zukunft positiv prägen. Was für eine tolle Perspektive!
Dabei ist Fasten auch ein uraltes religiöses Motiv. Für Juden ist z. B. der Jom Kippur Tag mit Fasten verbunden und im Islam gibt es den Ramadan. Und auch das Christentum kennt das Fasten. Seit letzten Mittwoch, dem Aschermittwoch begehen katholische Christen die Fastenzeit. Und die dauert 40 Tage lang bis Ostern – die Sonntage werden da nicht mitgerechnet. Das ist eine ganz schön lange Zeit. Dabei geht es nicht ums Schlankwerden oder um körperliche Fitness. Auch werden inzwischen strenge Regeln, wie es sie früher in der katholischen Kirche gab, kaum noch befolgt. Vielmehr entscheidet jeder und jede selbst, auf was er oder sie verzichten will: ob auf Süßes, Fleisch, Alkohol, oder Zigaretten oder auf übermäßigen Handygebrauch. Hinter dem Verzicht steckt etwas Tieferes: Christen versuchen so Gott näher zu kommen, selbst zur Ruhe zu kommen, sich neu auszurichten ja wieder bewusster zu leben. Dabei orientieren sie sich am Beispiel Jesu: Der hatte sich laut Bibel 40 Tage lang in die Wüste zurückzogen.
Jesus fastet in der Wüste – 40 Tage! Egal, wie man sich seinen Verzicht vorstellt. Es muss ihm irgendwie Kraft gegeben haben, muss ihn stark gemacht haben. Denn laut biblischem Bericht ging Jesus nach Galiläa um zu predigen und zu heilen. Jesus fastet in der Wüste, um sich auf seinen Auftrag vorzubereiten. Er benötigt diese Auszeit, um Kräfte zu sammeln, ja letztlich um sich zu orientieren, welchen Auftrag er von Gott hat. Fasten wird so, wie ich das Beispiel Jesu verstehe zu einer Zeit um hinzuhören: Was ist mir wichtig? Was ist mein Auftrag heute und wie kann ich die nötigen Kräfte dafür sammeln? Wie ist meine Beziehung zu Gott? Wie und wo muss ich Korrekturen auf meinem Lebensweg vornehmen?
Das hört sich gleich schon wieder nach Überforderung an: Was ich nicht alles tun oder besser lassen soll. Ich bin da etwas zurückhaltend. Zu viele gute Vorsätze gehen nämlich erfahrungsgemäß daneben. Ich habe mir vorgenommen, dass ich mir täglich einen kleinen Zeitraum gönne, um bewusst auf das eigene Leben zu schauen. Zehn Minuten am Abend sind da völlig ausreichend, um den vergangenen Tag vor meinem inneren Auge vorbeiziehen zu lassen und sich zu überlegen, was ich am nächsten Tag besser oder anders machen möchte. Dieses Hinhören in kleinen Schritten verändert mein Leben. Anders formuliert: Wer so nachdenkt und sein Leben verändert, der kehrt um. Umkehr im christlichen Sinne heißt zunächst nämlich nichts anderes, als sein eigenes Leben anzuschauen und neue Wege zu wagen, dort, wo es nötig ist. Fastenzeit wird so gesehen zu einer Zeit, in der ich mein Tun und Verhalten neu auslote. Was ist für mein Leben wichtig?
Bin ich noch auf der Spur, die zu mir passt oder verrenne ich mich gerade? Mir geht es dabei so: Wenn ich mich bewusst einschränke und auf Dinge verzichte, werde ich sensibler für das, was ich wirklich brauche. Ich kann neu entdecken, was mir gut tut und wer und was in meinem Leben wirklich wichtig ist. Wenn ich die Fastenzeit für mich bewusst gestalte, dann ist das so etwas wie eine Entschlackung. Fehlhaltungen und schlechte Gewohnheiten werden dann korrigiert. Und genau das ist gemeint, wenn Christen von Umkehr sprechen: Erkenne dich selbst und ändere dein Leben.
In der Fastenzeit will ich aber nicht nur auf mich schauen. Es geht auch um das Einüben von Solidarität und Mitmenschlichkeit. Es wird immer deutlicher: Wir Menschen leben wie auf einer Insel. Wenn mich zum Beispiel Nachrichten über die Kriege, über Gewalt, Tod und Zerstörung erreichen, dann fühle ich Traurigkeit in mir. Und auch Wut und Ohnmacht: Warum lernen wir Menschen eigentlich nicht aus der Geschichte? Was ist unser persönlicher, gesellschaftlicher und kirchlicher Anteil an Kriegen und was ist unser Beitrag zum Frieden? Wie können wir neue Perspektiven für ein Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Identität enzwickeln? Ich glaube, man muss konkrete Erfahrungen machen des guten Zusammenlebens. Bei mir war das so:
Ich selbst habe einige Jahre eine Gruppe begleitet, die jährlich am Beginn der Fastenzeit zu einer Wallfahrt aufbricht und zwar zu Fuß. Mehrere Tage geht die Wallfahrt und trägt ein so genanntes Hungertuch mit sich, Zeichen der Solidarität mit hungernden und leidenden Menschen in der Welt. Allein hätte ich die Wegstrecke nur schwer geschafft. Aber die Gemeinschaft in der Gruppe hat mich jeden Tag neu motiviert, weiter zu gehen. Die Impulse über den Tag und der Austausch auf dem Weg haben mir gezeigt, wie vielfältig heute Menschen versuchen, die Botschaft Jesu in ihrem Leben lebendig werden zu lassen. Und das hat mich für meinen Weg als Christ ermutigt. Und hier wird Solidarität unter Christen gelebt, die weit über mein eigenes Lebensumfeld hinausgeht. Meine tiefe Erfahrung dabei: Christsein geht in der Gemeinschaft leichter, bei der Wallfahrt, in der Fastenzeit, ja eigentlich im ganzen Leben.
Speziell die Fastenzeit will mir nicht die Freude am Leben nehmen. Ganz im Gegenteil! Sie will mich ermutigen, mit Gewinn zu leben für mich und für andere. Sie will mich ermutigen, neue Akzente in meinem Leben zu setzen. Ohne die Fastenzeit wäre mein Leben ärmer. Ich habe festgestellt: Es lohnt sich, Jahr für Jahr neu dieses Geschenk des Neuanfangs anzunehmen und im eigenen Leben immer wieder Aufbrüche zu wagen. Das Fasten, die Solidarität mit den Mitmenschen und auch das Gebet helfen mir, neu den Blick auf Jesus zurichten und mich zu einem Leben zu ermutigen, das vom Evangelium Jesu durchdrungen ist. So gesehen bedeutet die Fastenzeit einen Gewinn. Verzicht ist nicht Verlust der Lebensfreude. Verzicht hilft mir, den Reichtum meines Lebens neu zu entdecken. Und das gilt auch, wenn du dich selbst im Verzicht üben willst, aber nach einigen Wochen strauchelst: Gib nicht auf! Selbst wenn du deine Vorsätze nicht zu 100 Prozent durchhältst, kann dein verbessertes Bewusstsein deinen Lebensstil auch in Zukunft positiv prägen. Ich finde: eine tolle Perspektive – und eine tröstliche zugleich! Denn ich weiß nicht, ob ich es schaffe, bis Ostern meinen Vorsätzen treu zu bleiben. Aber eines weiß ich sehr genau:
Ich brauche Zeiten, in denen ich Raum habe für das Hören auf Gott. Ich brauche Zeiten, um die Routine des Alltags zu durchbrechen. Ich brauche Zeiten, um mein Leben neu auszurichten. Die 40 Tage sind dazu eine willkommene Gelegenheit. Und sie sind für mich eine gute Zeit der Vorbereitung auf Ostern. Egal, was Sie sich vorgenommen haben für die Fastenzeit. Ich wünsche Ihnen alles Gute dabei – und wenn Sie straucheln und Ihren Vorsatz nicht halten, dann geben Sie trotzdem nicht auf.
Aus Paderborn Grüßt Sie Ihr Domkapitular Andreas Kurte