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Kirche in WDR 5 | 23.05.2020 | 06:55 Uhr
Zusammenhalten
Guten Morgen!
Die kunstvoll geschnitzten Figuren bilden einen Kreis. Die Arme ineinander verschränkt sehen sie aus, als würden sie in großer Schnelligkeit im Kreis tanzen. Doch anders als bei Tänzern lässt sich ihre Verbindung nicht lösen. Nur um den Preis ihrer Zerstörung könnte man diese geschnitzten menschlichen Figuren einzeln haben.
Dieses Kunsthandwerk ist in Ghana sehr beliebt. Fünf, sieben, neun oder mehr menschliche Figuren werden so aus einem Stück Holz geschnitzt. Diese Skulptur gibt ein ghanaisches Sprichwort wieder: „Einer geht nicht allein zur Ratsversammlung“, so lautet es. Nur in der Gemeinschaft, nur im gemeinsamen Suchen nach tragfähigen Wegen, kommt es zu guten Entscheidungen.
Genau das erlebe ich in unserer Partnerkirche in Ghana immer wieder: Die Gemeinschaft spielt eine besondere Rolle. Es wird deutlich: Wir brauchen einander. Niemand darf aus dem Blick geraten. Alle sind aus einem Stück Holz geschnitzt.
Auch viele Menschen hier in Deutschland spüren gerade jetzt, wie wichtig es ist, dass wir zusammenhalten als Gesellschaft. Ein Wir-Gefühl macht sich breit und das ist gut so. Und dazu gehört für mich, dass wir dabei gerade auch auf die Schwächsten Rücksicht nehmen.
Neulich hat mir ein Kollege erzählt: Auf der Straße auf dem Weg zum Einkaufen ist ihm ein Paar begegnet. Die beiden sind gerade aus einem alten Auto ausgestiegen. Der Mann hilft der Frau in den Rollstuhl. Und als der Kollege nun an diesem Auto vorbeikommt, sieht er: Die Rückbank ist zum Schlafplatz umgebaut. Die beiden scheinen in diesem Auto zu übernachten. Urlaub in dieser Zeit? Auf dem Rückweg vom Einkaufen trifft er sie wieder. Sie kommen aus einer Art Ladenlokal. „Fachberatungsstelle für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten“ ist am Eingang zu lesen. Im Gespräch stellt sich heraus: Das Paar schläft schon seit einigen Wochen im Auto. Sie haben ihre Wohnung verloren. Corona verhindert, dass sie irgendwo unterschlüpfen können. In der Beratungsstelle treffen sie auf Menschen, die sie nicht wegschicken, sondern sich ihrer annehmen, ihnen in dem gerade nicht genutzten Café eine provisorische Unterkunft einrichten, ihnen neue Perspektiven eröffnen.
Dass wir in dieser Krise auch die Schwächsten nicht aus dem Blick verlieren, daran zeigt sich, wie wir als Gesellschaft zusammenhalten. Denn: Die Verbreitung der Solidarität unter den Menschen, muss schneller sein als die Verbreitung des Virus – habe ich mal gehört. Ein kluger Satz. Man kann nur hoffen, dass er Wirklichkeit wird.
Vorbilder dafür gibt es genügend: Jesus hat sich immer solidarisch gezeigt mit den Schwächsten. Und für den Apostel Paulus wurde das dann zu einer Art Grundprinzip des Zusammenlebens. Schaut nicht so viel auf euch selbst, sondern darauf, was den anderen dient, hat er einmal an eine Gemeinde geschrieben. Wenn wir lernen, aufeinander zu achten und besonders auf die Schwächsten, dann bleiben wir beieinander.
Die geschnitzte Skulptur aus Ghana erinnert mich daran: Bei all dem ist es wichtig, einen weiten Horizont zu behalten. Die gegenwärtige Krise hat in anderen Ländern oft weit dramatischere Auswirkungen als bei uns. Unsere Partnerkirche in Ghana etwa kann die Gehälter der Mitarbeitenden in den Kindertagesstätten und Schulen oft nicht mehr bezahlen. Auch hier ist unsere Solidarität gefragt. Auch sie verbreitet sich hoffentlich schneller als das Virus.
Das hofft Ihr Dietmar Arends, Landessuperintendent aus Detmold.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze