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Das Geistliche Wort | 01.06.2020 | 08:40 Uhr

Pfingsten-Vom Angsthasen zum Verschenker



„Pfingsten ist ein wunderbares Fest“, erklärte mir vor Jahren eine Kassiererin beim Aldi, während sie meine Waren einscannte. „Man hat drei Tage frei – und braucht niemandem etwas zu schenken!“ Ich musste schmunzeln und beim Rausgehen dachte ich: Sie hat Recht! Weihnachten und Ostern sind völlig kommerzialisiert, Gott sei Dank ist der Werbeindustrie zu Pfingsten noch nichts eingefallen. Dabei ist Pfingsten für uns Christen das Fest der Geschenke: Wir werden nämlich beschenkt: mit dem Heiligen Geist. Guten Morgen!

Wie schwer zu begreifen ist, das Pfingsten ein Geschenk ist, wurde mir
bei einem Gespräch mit einem Jugendlichen deutlich. Ich bin Weihbischof im Erzbistum Köln. Und zu meinen Aufgaben als Weihbischof gehört es das Sakrament der Firmung zu spenden – oder, um es anders zu sagen, das Geschenk Gottes, den Heiligen Geist weiter zu geben.

Damit ich die Jugendlichen, die ich firme, ein bisschen besser kennenlernen kann, lade ich sie gerne vor der Firmung zu mir nach Hause ein. Bei einem dieser Besuche fragte ich also einen dieser Jugendlichen: „Warum willst du dich eigentlich firmen lassen?“ Seine Gegenfrage: „Ehrliche Antwort?“ „Ja!“ „Weil meine Oma gesagt hat: Wenn Du Dich firmen lässt, bekommst du von mir ein Geschenk!“ Ich bin ziemlich neugierig, darum fragte ich weiter: „Und? Was bekommst du?“ Seine Antwort: „Ich bekomme 500 Euro!“ Da rutschte mir raus: „Och, nur so wenig? Du bekommst bei deiner Firmung doch viel mehr! Du bekommst doch mehr als Geld! Du bekommst doch den Heiligen Geist!“

Nie werde ich den Blick des Jugendlichen vergessen, der mir jetzt direkt in die Augen schaute und stammelte: „Weihbischof! Was ich mit 500 Euro anfangen kann, weiß ich aber: Ich kaufe mir ein paar neue Klamotten, ich geh mit meinen Freunden essen; im Übrigen spare ich für das neuste I-Phone. Und jetzt sag mir mal: Was um Himmels willen soll ich denn mit dem Heiligen Geist anfangen?“

„Wow“, dachte ich, „eine wichtige, eine entscheidende Frage. Denn wenn unklar bleibt, was ich mit diesem Geschenk Gottes, mit dem Heiligen Geist anfangen kann, werde ich auch keine Sehnsucht nach ihm haben.“

Diese Problematik ist nicht neu. Der heilige Paulus kannte sie anscheinend auch schon. Denn er antwortet auf die Frage, was man mit dem Heiligen Geist anfangen kann, im Brief an die Galater (Gal 5,22 f): „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Freundlichkeit und Selbstbeherrschung“. Aber was heißt das genau. Ich bin bei dem Begriff „Liebe“ hängen geblieben, weil mich eine Vorstellung von Liebe sehr bewegt. Die hat der lateinamerikanische Theologe, Priester und Dichter Ernesto Cardenal formuliert. Sie ist in deutscher Sprache vertont worden von dem Sacro-Pop-Komponisten Peter Janssen.

Ernesto Cardenal hat Recht: Zu unserem Menschsein gehört eine unendliche Leidenschaft, ein unstillbarer Durst nach Liebe. Zugegeben: Liebe ist ein schwieriges Wort. Einen Menschen lieben bedeutet ja: an ihm einen solchen Gefallen zu finden, dass ich aus mir selbst herausgehe und mich ihm schenken kann und will.

Es geht darum, zuerst „Du“ zu sagen und erst danach „Ich“! Das tue ich auch – bis zu einer gewissen Grenze. Ich kann charmant, zugewandt, freundlich und liebevoll sein. Ich kann mich für einen geliebten Menschen verausgaben. Aber wenn ich mich an den alltäglichen Macken meines Gegenübers wund reibe, wenn ich mich ausgenutzt fühle, wenn der andere mich verletzt hat, dann warnt mich eine innere Stimme: Vorsicht! Es wird sehr wehtun, wenn du dich diesem Menschen weitern öffnest. Er wird dich verletzen, zieh Dich besser zurück! Jetzt musst du an dich denken! Die Schauspielerin Angelina Jolie sagte kurz vor ihrer Trennung von Brad Pitt: „Die Wahrheit ist doch: Wir sind alle nicht gut in Beziehungen!“[1]

Stimmt leider. Aber im Gegensatz zu uns Menschen ist Gott gut in Beziehungen. Der theologische Begriff für gelingende Beziehungen ist: Heiliger Geist. Allerdings genügt es Gott nicht, nur in sich selbst gelingende Beziehung zu sein; er will auch zu jedem Menschen eine gelingende Beziehung leben. Darum riskiert er – mehr als wir Menschen – über die „Schmerzgrenze“ hinweg zu lieben: Er liebt sogar die am Kreuz, die ihn im Stich lassen und die ihn brutal foltern. Im Tod am Kreuz nimmt Jesus die Bosheit und Gewalt, die ihn leiden lassen, mit so viel Liebe an, dass das Böse seine zerstörerische Macht verliert. Ein Prozess von Verwandlungen wird in Gang gesetzt: aus Schuld wird Vergebung, aus Furcht Hoffnung, aus Tod wird Leben. Den, der noch am Kreuz lieben konnte, hat Gott aus dem Tod auferweckt, damit klar ist: Liebe in der Dimension des Kreuzes ist die stärkste Macht der Welt; sie entmachtet sogar den Tod! Und hat Auswirkungen auf unseren Alltag.

Der Theologe Romano Guardini formuliert das so:

Sprecher: „Der Heilige Geist trägt den lebendigen, verherrlichten Herrn in das Leben des Glaubenden hinein. Was dieser als Glaubender auch tun mag: Christus ist dabei. … Christ sein bedeutet viel mehr, als dass man eine bestimmte Lebensauffassung hat. Es bedeutet, dass der lebendige Christus in allem dabei ist!“[2]


Anders formuliert: Gelingende Beziehungen sind den Glaubenden möglich, denn sie sind vom Geist Gottes bewohnt. Glaubende vertrauen auf den Heiligen Geist, dass er sie stärkt, um Beziehungen zu leben und zu gestalten. Und diesen Geist gilt es immer wieder zu erbitten, so wie es eine alte Bitte formuliert: „Komm Heiliger Geist und entzünde das Feuer deiner Liebe!“

Was kann ich mit dem Geschenk des Heiligen Geistes anfangen? Das war die Frage eines Jugendlichen bei einem Vorbereitungstreffen zur Firmung. Meine Antwort war: Beziehungen aus Liebe gestalten. Wie das konkret geht? Erstens: Du lernst eine Sprache, die jeder versteht. Egal ob du einem Akademiker, einem Obdachlosen, einem Geflüchteten oder der Schwiegermutter begegnest: Jeder versteht deine Sprache. Denn du beherrschst die Sprache der Liebe! Es ist die Sprache des freundlichen Lächelns, der kleinen liebevollen Geste, die Sprache der Hilfsbereitschaft, die Sprache des geduldigen Ertragens lästiger Menschen. Wo diese Sprache gesprochen wird, führen Worte nicht mehr zu zerstörerischen Missverständnissen.

Zweitens: Du lernst deine Schwächen anzunehmen und die Begrenztheiten anderer zu akzeptieren. Jeder Mensch ist ja aufgrund seiner beruflichen Möglichkeiten, seiner Intelligenz oder seiner Gesundheit begrenzt. Jeder hat ja auch die eine oder andere Charakterschwäche. Der Heilige Geist ermöglicht die Erfahrung, dass ich wegen meiner Schwäche oft mehr geliebt werde als wegen meiner vermeintlichen Stärke. Ich brauche weder mich selbst noch andere zu überfordern. Ich muss nicht perfekt sein und andere müssen für mich nicht Gott werden. Trotzdem kann ich voller Zuversicht und Freude leben: denn ich darf mit den größeren Möglichkeiten Gottes rechnen – eben mit seinem Heiligen Geist.

Und drittens: Du lernst furchtlos zu sein. Dich lähmt keine Angst mehr. Ich muss mich nicht mehr aus Furcht vor Verletzungen durch Menschen, die ich liebe, in mich selbst zurückziehen! Es ist wie bei den Aposteln am Pfingsttag: als die sich vor lauter Angst versteckt hatten. Da kam Jesus in ihre Verschlossenheit, hauchte sie an und sagte: Empfangt Heiligen Geist! Und auf einmal fassten die Apostel Mut und konnten aus sich herausgehen, verschenkten sich an andere! Kurz gesagt: Aus Angsthasen wurden Verschenker!

Das hört sich zu schön an, um wahr zu sein. Wo finde ich denn den Heiligen Geist in meinem Leben? Die Sprache der Liebe kann ich nur stammeln. Meine Begrenztheiten kann ich kaum ertragen. Ich ziehe mich vor lauter Angst immer mehr in mich zurück! Wo ist da der Heilige Geist?

Ich denke mir oft: Vielleicht ist der Heilige Geist auf stand by gegangen, weil ich ihn eine Zeitlang nicht aktiviert hatte. Ich kenne das ja aus dem Bereich der Technik: Wenn ein technisches Gerät eine Zeitlang nicht benutzt wurde, geht es automatisch auf stand by. Aber es funktioniert noch! Das englische Wort „stand by“ bedeutet ins Deutsche übersetzt: „Beistand“ und das genau ist ein Name des Heiligen Geistes. Wenn ich den Heiligen Geist eine Zeitlang nicht um Hilfe gebeten habe, geht er auf stand by, aber er ist dennoch da! Und wie bei dem technischen Gerät muss ich einfach nur einschalten, indem ich bitte: Komm, Heiliger Geist, entzünde in mir das Feuer deiner Liebe! Mach aus mir Angsthasen jemanden, der sich verschenken kann.

Aus Köln grüßt Sie Ihr Weihbischof Ansgar Puff


[1] Vgl.: Spiegel Interview 5.12.2015.

[2] Romano Guardini: Predigten zum Kirchenjahr, 2. Auflage 1998, Mainz, S. 163f.

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