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Kirche in WDR 5 | 08.06.2020 | 06:55 Uhr

Wer bin ich?


„Wer bin ich?“: Die Frage nach der eigenen Identität treibt nicht nur Jugendliche um, wenn auch die vor allem. Aus der Kommunikationspsychologie des Friedemann Schulz von Thun lernte ich, dass jeder Mensch eine multiple Persönlichkeit ist. Das bedeutet, ich habe viele Persönlichkeitsanteile, die alle in mir zur Sprache kommen wollen. Dazu gehören zum Beispiel bei mir die gute Tochter, oder die fromme Nonne, die gute Christin, die studierte Naturwissenschaftlerin – und jeder kann für sich die eigenen Anteile erkennen. Und all diese unterschiedlichen Rollen, die jeder von uns in seinem alltäglichen Leben einnimmt, können die Wahrnehmung der eigenen Identität schon etwas verzerren. Dazu kommt noch die Fremdwahrnehmung der anderen, die mich unter Umständen ganz anders sehen, als ich mich selbst sehe. Das kann verunsichern.

Ein Gedicht von Dietrich Bonhoeffer[1] kommt mir oft in den Sinn, das er im Gefängnis geschrieben hat. Der evangelische Theologe starb vor 75 Jahren als Widerstandskämpfer gegen das Naziregime. Sein Gedicht beginnt mit der Frage:

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,

ich träte aus meiner Zelle

gelassen und heiter und fest

wie ein Gutsherr aus seinem Schloß. […]


Und in den nächsten beiden Strophen erzählt er weiter, was andere in ihm sehen. Aber dann stellt er die etwas bange Frage:


Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?

Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Bonhoeffer erfährt sich selbst ganz anders, und zwar als


Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,

ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,

hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,

dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,

zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,

umgetrieben vom Warten auf große Dinge,

ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,

müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,

matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Bonhoeffer weiß es einfach nicht, wer er ist: der, den die anderen sehen, oder so wie er sich selbst erfährt? Er fürchtet gar, ein Heuchler vor den Menschen zu sein, der sich vor ihnen stark aufführt und innerlich ein „verächtlich, wehleidiger Schwächling“ – wie er sich nennt – ist.

Diese Gedanken Bonhoeffers sind mir durchaus vertraut. Manchmal komme auch ich mit meiner Selbsterkenntnis an die Grenze. Und es verlangt Demut, zu bekennen, dass ich die Frage nach mir selbst nicht vollständig beantworten kann. Bonhoeffer löst diese Frage nach sich selbst im Vertrauen zu Gott auf:

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.

Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

Das, was trägt in allem Fragen und allen Zweifeln, ist das Vertrauen in die Gegenwart Gottes, der – wie Dietrich Bonhoeffer es in seinem letzten Gedicht sagt – mit uns ist am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Dieses Vertrauen wünscht Ihnen Sr. Ancilla Röttger aus Münster.

[1] Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung,

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