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Kirche in WDR 5 | 22.07.2020 | 06:55 Uhr
Maria Magdalena
Guten Morgen!
Jeder von uns hat verschiedene Rollen im Leben – das erlebe ich täglich, auch bei mir: Je nachdem, mit wem ich gerade im Gespräch bin, bin ich Ehefrau, Mutter, Kollegin, beste Freundin und vieles mehr. Einige Rollen habe ich bewusst gewählt und einige bekomme ich einfach so zugeschrieben.
Eine, die sicher auch ein Lied davon singen könnte, ist die hl. Maria Magdalena, deren Festtag heute in der katholischen Kirche begangen wird.
Ich habe ein bisschen über sie recherchiert: Eigentlich ist sie eine einfache Frau mit Namen Mirjam. Sie stammt aus der galiläischen Stadt Magdala, ist Jüdin und gilt als krank, will heißen: von Dämonen besessen. In der Bibel ist zu lesen, dass sie mit Jesu Hilfe diese Dämonen überwunden hat. Seit diesem Zeitpunkt ist sie davon überzeugt: Dieser Jesus handelt mit göttlicher Vollmacht und so wird sie seine Anhängerin. Jesus erscheint ihr nach seiner Auferstehung zuerst. Das macht sie zur Hauptzeugin der Auferstehung.
Als sie seinen Jüngern davon berichtet, wird ihr – weil sie „bloß“ eine Frau ist – nicht geglaubt: Hier ist sie eben eine Schwätzerin. Im Laufe der Kirchengeschichte erlebt Maria Magdalena dann weitere Rollenzuschreibungen: Sie wird mit einer namenlosen Sünderin in der Bibel gleichgesetzt. Später weiß man, dass die Sünde darin bestand, dass sie sich mit vielen Männern eingelassen hat. Spätestens mit dieser negativen Rollenbeschreibung war ihr Ruf in der Kirche so festgelegt, dass darauf nur eine Gegenrolle passte: Maria Magdalena wurde zur Büßerin schlechthin. Kein Wunder, dass sogenannte Besserungsheime für Prostituierte im Laufe der Geschichte oft den Namen „Magdalenenheime“ trugen. Naja - und schließlich schreibt dann Dan Brown in seinem Bestseller „Sakrileg“ ihr die Rolle als die Geliebte von Jesus zu, mit dem sie sogar ein Kind gehabt haben soll.
Aus dem Rollensumpf kommt die Frau kaum wieder raus. Sie kann sich ja auch nicht mehr wehren, denn sie ist lange tot.
Allerdings muss man sie gegen alle diese traditionellen Rollenzuschreibungen verteidigen: Ein frühchristlicher Bischof mit Namen Hieronymus schreibt ihr eine Glanzrolle zu. Er nennt sie die Apostelin der Apostel.
Sie haben richtig gehört: Apostelin!
Und das in der Tradition einer männlich
geprägten Kirche. Man denkt sonst bei Aposteln nämlich immer nur an die 12
männlichen Apostel, Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes und so. Dabei bedeutet der
Begriff „apostolos“ aus dem Altgriechischen zunächst einmal Gesandter, Sendbote.
Und genau diese Funktion spricht Jesus der Maria Magdalena am leeren Grab zu
und beauftragt sie: „Geh aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich gehe hinauf
zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ Und weiter
heißt es in der Bibel (Joh 20,17f.): „Maria Magdalena kam zu den Jüngern und
verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr
gesagt hatte.“ Aus diesem kurzen Gang durch die Heiligengeschichte nehme ich vor
allem das mit: Ja – Menschen haben viele Rollen, aber ich sollte sie nicht
vorschnell auf nur diese oder jene festlegen. Denn jeder Mensch ist viel mehr
als die Summe aller seiner Rollen.
Aus Gladbeck grüßt Sie Meike Wagener-Esser