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Kirche in WDR 5 | 15.08.2020 | 06:55 Uhr
Atme in mir, Gott - „I can`t breathe“
Guten Morgen,
George Floyd, Manuel Ellis, Derrick Scott – drei Namen, drei Schicksale.
Und sie stehen für unzählige mehr, in den USA und weltweit.
Ihr verzweifelter Satz „I can't breathe“ – „ich kann nicht mehr atmen“ geht durch die Welt, ist mittlerweile zu einem Slogan, ja sogar einer Bewegung geworden. Gegen Hass und Gewalt gegen Schwarze und Menschen mit anderer Hautfarbe. „Black lives matter“ - ihr Leben ist genauso viel wert wie alles Leben auf dieser Erde. Wie das Leben jedes und jeder einzelnen auf diesem Globus.
Auf erschreckende und im wahrsten Sinne erdrückende Weise kam George Floyd ums Leben, als ein Polizist ihm ein Knie so auf lange auf seinen Hals drückte, bis er keine Luft mehr bekam und erstickte. „I cannot breathe“...
Sein Tod steht für viele Tode von Menschen, die auf ähnliche Weise ums Leben kamen.
Aus Willkür, Macht der einen über die anderen, Hass und Gewalt. George Floyds letzte Worte „I can't breathe“ halten nun eine ganze Nation in Atem – sie begehrt auf, schreit ihren Unmut, ihre Wut und Empörung heraus. „Ich halte es nicht mehr aus“ - es nimmt mir den Atem.
Sprecher:
(…)
Keiner scheint uns zuzuhören, wenn wir’s sagen
Ich und viele meiner Leute könn’n nicht atmen, könn’n nicht atmen
Ich
hab‘ in den letzten Tagen schlecht geschlafen
Viele dieser mentalen Schäden nicht reparabel
Posttraumatischer Stress bei jedem Mensch, der schwarz ist
Luft knapp, Herz am rasen, wie lang kann man den Schmerz ertragen?
Nein, wir werden nie in Selbstmitleid ertrinken.
Aber die ganze weiße Welt könnt grad in unsern schwarzen Tränen baden.
Keiner
scheint uns zuzuhören, wenn wir’s sagen
Ich und viele meiner Leute könn’n nicht atmen (...) (1)
Autorin: schreibt der Rapper Samy Deluxe in einem Song. In ihm formt sich eine Welt aus Wut und Angst und Schmerz. Fesseln, die einengen. In der Panik und Bedrohung wird spürbar, wie lebensnotwendig Atem ist. Zug für Zug. Solange Atem, Luft und Odem in mich hinein und wieder aus mir heraus strömen, lebe ich.
Am Anfang der Bibel wird davon berichtet, dass Gott dem Menschen „den Odem des Lebens in seine Nase blies“ (1. Mose 2,7).
Durch Ausatmen und Einatmen bleibe ich verbunden mit göttlichem Atem und Wind, mit seinem Geist.
Ich spüre die Weite, wenn er einströmt und die Erleichterung, wenn er ausströmt.
Das kann George Floyd jetzt nicht mehr erleben. Und all die anderen auch nicht.
Aber der Odem, die Inspiration, das, was nun neu aufbricht in vielen Herzen, ist ein großer Seufzer und ein großes Aufatmen. So wie es der Apostel Paulus an die christliche Gemeinde in Rom geschrieben hat:
Sprecher: Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Erlösung unseres Leibes. Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf (und) tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. (Römer 8 22ff.)
Autorin: Aufbegehren, Seufzen über die schreiende Ungerechtigkeit, den gewaltsamen Tod. Wir brauchen einen langen Atem, bis sich und damit sich etwas ändert.
Ich setze auf den Odem Gottes.
Darauf, dass wir zu einer Gemeinschaft derer werden, in denen der Geist Gottes atmet.
Als Seufzer und tiefem Bedauern, dann aber als Atemzug, der mich inspiriert und neu aufbrechen lässt. Damit wir uns nicht länger abfinden mit Diskriminierung und Rassenhass. Uns solidarisieren weltweit.
Das macht niemanden wieder lebendig. Aber es schenkt Hoffnung und Kraft, dass es sich lohnt, einen langen Atem zu haben, auch wenn der Atem immer wieder ins Stocken gerät.
Ihre Pfarrerin Christiane Neufang aus Köln.
(1) Samy Deluxe – „I can’t breathe“ Songtext/ Lyrics
(https://www.youtube.com/watch?v=Fi_-iFGPdbo, 07.06.2020)
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze