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Das Geistliche Wort | 13.12.2020 | 08:40 Uhr

"Ich bin es nicht" - Wer ist es dann?


Guten Morgen liebe Hörerinnen und Hörer!

Als Personalchef im Erzbistum Köln muss ich immer wieder Gespräche führen, bei denen es um Bewerbungen und Berufswahl geht. Interessant finde ich, was die Bewerberinnen und Bewerber so alles können, was sie bisher gelernt haben, mit welchen Erfahrungen sie kommen, wie sie sich in gewissen Situationen verhalten, ob sie schlagfertig, kommunikativ, freundlich, gegen Stress gewappnet oder neuen Herausforderungen gegenüber offen sind. Kurzum: In einem solchen Gespräch achte ich darauf, wie sich die Bewerberinnen und Bewerber „verkaufen“, wie gut sie sich darstellen und ihre Eigenschaften positiv präsentieren.

Es ist nicht leicht am Ende eine Auswahl zu treffen, denn alle wollen genommen werden und müssen deshalb überzeugen. Für mich ist wichtig zu spüren: Der oder die passt zu uns. Der oder die kann was!

Beim Bewerbungsgespräch geht es darum, einen guten Eindruck zu machen. Stellen Sie sich aber einmal vor, die Bewerberin oder der Bewerber würden die ganze Zeit auf die verschiedenen Fragen sagen: Ich kann das nicht! Das bin ich nicht! Ich will das nicht! Das kann ich mir nicht vorstellen! Da sehe ich mich überhaupt nicht! … - das würde dazu führen, dass der- oder diejenige für die neue Stelle mit Sicherheit nicht in Frage käme.

Wie gut, dass Johannes der Täufer, von dem in den Tagen des Advents öfter die Rede ist, sich nicht bewerben musste. Immerhin ist er der Vorläufer Jesu. Er tritt zwar kraftvoll auf, er beeindruckt Menschen, er sammelt die um sich, die ihm nachfolgen, es entsteht eine richtige Bewegung. Das Bemerkenswerte jedoch ist, dass er wirklich gar nichts dafür tut, irgendwie attraktiv zu wirken, sich sozusagen „zu bewerben“ bei den interessierten Zeitgenossen, damit man seinen Weg als besonders anziehend, interessant oder spannend empfindet.

Ja, das glatte Gegenteil ist der Fall: „Ich bin nicht der Messias!“ – „Ich bin es nicht wert“ – „Ich bin es nicht“ – „Nein!“ – Allen Fragen nach seiner Bedeutung angesichts seines wortgewaltigen und irritierenden Auftretens begegnet er im Evangelium des heutigen dritten Adventssonntags in der katholischen Kirche auf überraschende Weise: Ich nicht!

Ein positives „Sich-Verkaufen“ der eigenen Person, eine positive Selbstdarstellung sieht wahrlich anders aus!

Nicht ganz zu Unrecht fordert man von der Kirche gegenwärtig sehr häufig, sie müsse sich in einem besseren Licht präsentieren, attraktiver werden, den eigenen Markenkern viel positiver darstellen.

Wie wäre es wohl, die Kirche würde Werbebotschaften in die Welt bringen nach dem Gusto des Johannes: Wir sind es nicht! Wir sind es nicht wert! Wir sind nicht der Messias, der Weg, die Wahrheit, das Leben... Wir nicht! Sämtliche Marketingexperten, Strategen und Berater würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Während alle möglichen Unternehmen und Firmen mit intelligenten Slogans von sich reden machen, würden wir in der Kirche es einmal mehr vergeigen: Wir sind es nicht!

Und doch. Ich bin überzeugt: Einen besseren Slogan gibt es nicht für unser kirchliches Selbstverständnis! Das ist das erste, was die Kirche heute von Johannes dem Täufer lernen könnte: Es geht nicht um uns Katholiken! Es geht nicht darum, die Kirche zu retten. Es geht am Ende nicht darum, dass wir uns gut verkaufen. So wichtig und anerkennenswert die täglichen und aufrichtigen Bemühungen vieler Seelsorgerinnen und Seelsorger, vieler getaufter Christinnen und Christen für ihre Kirche sind. Es geht am Ende nicht so sehr um die positive Vermarktung des Erscheinungsbildes irgendwelcher Gemeinden, Vereine, Strategien oder Amtsträger in der Kirche.

Zwar sehnen sich viele Christinnen und Christen nach einem positiven Erscheinungsbild ihrer Kirche, die durch die furchtbaren Missbrauchsfälle von Priestern an Kindern und Jugendlichen, durch zerstrittene Bischöfe, mangelnde Reformen oder Verärgerungen über die Gemeinde vor Ort ein völlig negatives Bild hinterlässt. Aber am Ende müssen wir Christen es uns doch eingestehen: Noch so tolle Slogans, Markenprozesse, attraktive Posts in den sozialen Medien und originelle Botschaften bringen nichts, wenn nicht die „eine“ Botschaft wieder leuchtet: Wir sind es nicht. Nein, er ist es! Um ihn und nicht um uns geht's! Er ist kostbar! Er ist der Weg. Er, Christus - um ihn geht’s! Und nichts anderes hat der Täufer Johannes ausgedrückt.

Johannes der Täufer hat nach außen, gegenüber den fragenden Menschen von Christus gesprochen und mit all seinen Worten, seinen Predigten, seinen Ermahnungen und seinen Taten auf den kommenden Messias hingewiesen. Und er hat sich von Jesus Christus irritieren lassen, hat sich und seine vorgefertigten Bilder in Frage gestellt und suchte weiter: innen und radikal.

Hier kommen wir zu einem zweiten Punkt, wo Johannes der Täufer inspiriert und wo er uns in der Kirche dieser Stunde helfen kann: Wir in der Kirche müssen nicht so tun, als hätten wir Christus sozusagen „im Sack“, wüssten ganz genau über ihn Bescheid und könnten ihn anderen wunderbar erklären. – Dafür sind wir immer wieder anfällig.

Bei Johannes dem Täufer erkennen wir, dass er selbst mit einem Widerspruch leben musste: Nach außen war sein Zeugnis eindeutig, klar und beeindruckend, nach innen war er selbst zweiflerisch, unklar, eben ein Fragender, der sich Jesus von Nazareth ausgesetzt sah mit dessen wenig eindeutiger Weise. Im Matthäusevangelium wird eine Begebenheit von Johannes geschildert, der sich im Gefängnis befindet und einen seiner Jünger zu Jesus mit der Frage schickt (Mt 11,3): „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Hier wird deutlich, dass auch Johannes Jesus nicht „im Sack“ hatte, dass bei ihm nicht alles klar ist, sondern dass auch er sich dem Schicksal aller Christinnen und Christen durch Jahrhunderte nicht entziehen konnte: Mit der Uneindeutigkeit Jesu fertig zu werden!

Konkret muss Johannes etwas Schmerzliches und Enttäuschendes erfahren: Der seit Jahrhunderten von den Juden ersehnte Messias, der große verheißene Retter und Friedensbringer seines Volkes, der Befreier von Gewalt und Unterdrückung, kommt nun endlich – und es ändert sich – nichts! Die Gewalt geht weiter, Machtspiele finden weiter statt, die Fremdherrschaft der Römer ist erdrückender denn je – und Jesus, der Sohn Gottes und Messias, beeindruckt eben gerade nicht durch die erwartete und machtvolle Beseitigung der herrschenden Verhältnisse. Das muss man erst mal aushalten: Dass Jesus und damit Gott nicht so eindeutig ist, wie man ihn gerne hätte.

Dass Gott anders ist, als man sich ihn vorstellt, das musste Johannes aushalten. Und das müssen auch wir aushalten, als einzelne Christen und auch als Kirche Christi. Denn die Mitte unseres Glaubens ist keine Sache, kein Dogma, kein Buch und kein Verhaltenskodex, sondern eine lebendig wirkende Person, ein „Du“, Jesus Christus selbst!

Ich denke, dass vielleicht dies genau einer der Schlüssel zur neuen Glaubwürdigkeit der Kirche ist:

Wir müssen als die Kirche Christi radikal fragende Menschen bleiben, die um die Überzeugungen ihres Glaubens ringen und die Uneindeutigkeit Jesu aushalten – so wie Johannes.

Wir müssen mit Jesu vermeintlicher Schwäche umgehen lernen: angesichts der immer mehr erdrückenden Macht der Ungerechtigkeit in dieser Welt, die danach schreit, wo denn die Zeichen von Gottes Gegenwart sind.

Wir müssen wie Johannes wieder neu anfangen, uns Jesus ganz anzuvertrauen, ihm, dem Gekreuzigten, dessen Allmacht in der Liebe besteht, die sogar den Tod besiegt.

In dieser treuen und im besten Sinne des Wortes demütigen Zuversicht kann sich die Kirche neu bilden.

Das kann ich, das kann Kirche von Johannes dem Täufer lernen: Nach außen hat Johannes eindrücklich und ganz und gar mit letzter Konsequenz auf Christus verwiesen, den kommenden Messias. Nach innen, ganz intim und unter dem Druck der letzten Lebensfragen im Gefängnis, hat er seine Zweifel zugelassen und sehnte sich nach Sicherheit. Er war sich als mächtiger und im Volk anerkannter Prophet nicht zu schade, die Dunkelheit der Zweifel zuzulassen, die sicher für ihn erdrückender waren als die Dunkelheit im Gefängnis und sich damit Jesus Christus anzuvertrauen.

Für mich ist Johannes ein ehrliches, ein menschliches und damit aufrichtiges Bild für eine Kirche, die neu fragen muss nach ihrer Bedeutung für die heutigen Menschen und nach dem Umgang mit eigenen, erdrückenden Unsicherheiten und Zweifeln.

Für mich ist Johannes ein Vorbild für alle Christinnen und Christen, die es ernst meinen mit ihrer Taufe und sich mit ihren Worten und Taten ganz auf Christus verlassen! Dazu gehört für mich, ehrlich mit Christus zu ringen, ihm aufrichtig und ungeschminkt das eigene Leben anzuvertrauen mit allen Nöten des Alltags, mit den eigenen Zweifeln und Schwächen.

Für mich ist Johannes ein Vorbild, weil er sich in der glaubenden Hoffnung auf seinen Nachfolger verlassen hat, dass er und seine leidenschaftlichen Liebe sich durchsetzen werden.

Alles von Gott zu erwarten, ohne zu wissen, ob und was sich davon erfüllt. Eine solche Lebenshaltung und eine solche Glaubenshaltung ist letztlich adventlich. Und genau diese Haltung wünsche ich Ihnen für die verbleibenden Tage des Advents.

Aus Köln grüßt sie Pfarrer Mike Kolb

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