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Kirche in WDR 5 | 09.12.2020 | 06:55 Uhr
Durch das Dunkel hindurch
Guten Morgen!
Kalt ist es draußen. Morgens ist es lange dunkel. Und nachmittags auch schon wieder. Der Winter ist nicht gerade mein Favorit, was die Jahreszeiten angeht. Und in diesem Jahr nervt er besonders: Corona hier, Corona da – ich kann’s nicht mehr hören! Kein Tag ohne Corona-Nachrichten, die Politik schwört uns auf harte Wochen ein. Ich frage mich, ob das Leben jemals wieder normal wird. Corona macht mir den Dezember noch dunkler, innerlich jedenfalls. Dabei gibt es auch Lichtblicke – und von einem möchte ich erzählen:
Ich bin Polizeiseelsorger, und vor kurzem gratulierte ich – wie ich es immer tue – einem Beamten zur Geburt seiner Tochter. Wir kommen kurz ins Gespräch. Es ist sein erstes Kind. Er – ein gestandener Mann – war bei der Geburt dabei. Und die Rührung darüber ist ihm auch Wochen danach noch ins Gesicht geschrieben. „Das war der schönste Moment in meinem Leben“, sagt er, „ich hatte Pipi in den Augen.“ –Ich sehe und spüre, wie der Beamte sich über das neue winzige Leben freut. Und das springt über. Mir wird warm ums Herz, wie man so sagt. Ich muss an die Geburt meiner eigenen Kinder denken. Das macht auch meinen Tag gefühlt irgendwie etwas heller.
Wenn in gut 14 Tagen Weihnachten gefeiert wird, dann geht es auch um die Geburt eines Menschen. Und schön finde ich, dass das Datum von Weihnachten bewusst so gelegt wurde, dass von da an die Tage länger werden, es also auch heller wird. So soll deutlich werden: Dadurch, dass Gott Mensch wird, kommt wieder mehr Licht in die Welt, auch in mein Leben. Mit Jesu Geburt, und vor allem, mit dem was er tut, wird es hell.
Diese Vorstellung von der Geburt eines Lichtbringers hatten übrigens bereits die Menschen im alten Israel. So schrieb der Prophet Jesaja vor etwa 2700 Jahren diesen verheißungsvollen Text: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ (Jes 9,1).
Mir macht dieses Prophetenwort Mut. Heute, im Winter 2020. Weil ich Parallelen sehe: Wir gehen in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt auch durch vielfache Finsternis: Unser biologisches und wirtschaftliches Leben ist nicht nur durch die Corona-Pandemie bedroht, sondern auch durch die klimatischen Veränderungen, nationale Egoismen, Ausbeutung von Natur und Menschen. Aber ich glaube an dieses Licht, das über uns strahlt, auch wenn ich es im Moment nicht sehe. Ich will nicht glauben, dass es nur noch bergab geht, dass wir nie mehr zur Normalität zurückkehren können. Ich bin überzeugt, dass wir eine Zukunft haben, weil Gott sie verheißen hat. Das hat er bereits gezeigt, als er seinen Sohn Jesus Mensch werden ließ. Der hat sein irdisches Leben als Baby begonnen, so wie jeder Mensch. Er hat als Baby die Welt verändert, wie jedes Baby die Welt seiner Eltern verändert. Und er hat der Welt eine neue Zukunft eröffnet, so wie jedes Baby der Welt Zukunft eröffnet. Und der Beginn dieser Zukunft wird an Weihnachten immer wieder neu gefeiert.
„Jedes Kind bringt ein Stück Weihnachten“, sagt die evangelische Theologin und Autorin Christina Brudereck. Deshalb freue ich mich, wenn ich in diesen dunklen Tagen ein Baby oder ein Kleinkind sehe. Sie sind Vorboten für Weihnachten. Und sie sagen mir: Gott hat noch Pläne mit der Welt und den Menschen. Darauf bin ich gespannt.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Machen Sie’s gut! Ihr Pastoralreferent Martin Dautzenberg aus Hattingen