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Das Geistliche Wort | 26.12.2020 | 08:40 Uhr

Ich sehe den Himmel offen


Guten Morgen!

Heute, am 26. Dezember, wird in den meisten christlichen Kirchen nicht der Zweite Weihnachtstag gefeiert. Den gibt es nämlich - zumindest von den Gottesdienstordnungen her - gar nicht.

Heute gedenkt die Kirche des heiligen Stephanus. Und auch an den nächsten Tagen geht das so weiter: Immer wird ein Heiliger oder werden mehrere Heilige gefeiert. Das ist anders als in der Woche nach Ostern, wo es einen Montag der Osterwoche gibt, einen Dienstag der Osterwoche usw.

Jetzt, nach Weihnachten wird mit den Heiligenfesten gesagt: Die Menschwerdung Gottes, die wir an Weihnachten feiern, hat Konsequenzen für das Leben der Menschen, - manchmal sogar blutige.

Die Menschen, die die Kirche als Heilige verehrt, haben nämlich durch ihr Leben Christus bezeugt, haben seine Güte und Menschenfreundlichkeit weitergegeben an die Menschen ihrer Umgebung, haben sogar ihr Leben hingegeben, so wie Christus es ihnen vorgelebt hatte.

Einer von ihnen ist also heute der heilige Stephanus. Stephanus ist der erste Märtyrer, will heißen Blutzeuge, also der Erste, der hingerichtet worden ist für seinen Glauben.

Stephanus war der Erste, der sein Leben hingegeben hat, weil er sich zu Christus bekannt hat. Unzählige sind ihm gefolgt.

Traurige Wirklichkeit ist: Bis heute werden Christinnen und Christen wegen ihres Glaubens verfolgt und gedemütigt, lächerlich gemacht oder beschimpft.

Der Glaube an den Gott, der an Weihnachten Mensch geworden ist, hat Konsequenzen.

Der Glaube an Christus hat Stephanus das Leben gekostet, aber, so die christliche Hoffnung: Christus hat Stephanus das ewige Leben gebracht.

Anders formuliert: Der Himmel steht offen für alle, die an Christus glauben.

Und genau davon erzählt die Geschichte des Stephanus.

Hintergrund ist folgender:

In der christlichen Urgemeinde in Jerusalem war nicht alles so einheitlich und harmonisch, wie es der Evangelist Lukas in seinem zweiten Buch, der Apostelgeschichte, darstellt.

Es gab Schwierigkeiten und Spannungen, unterschiedliche Auffassungen und Gruppierungen.

Vor allem gab es unterschiedliche Meinungen, welche Bedeutung das Gesetz des Mose, die Thora, noch hat und welches Verhältnis man zum Jerusalemer Tempel haben sollte, immerhin das zentrale Heiligtum des Judentums in den 30er Jahren des 1. Jahrhunderts.

Es gab unterschiedliche Judenchristen, also Menschen, die als Juden zum Glauben an Christus gekommen waren.

Es gab Judenchristen aramäischer Sprache, z. B. die zwölf Apostel, und es gab Judenchristen griechischer Herkunft und Sprache, die wahrscheinlich aus dem griechischen Kulturkreis nach Jerusalem gekommen waren. Die ersten nennt Lukas Hebräer, die zweiten Hellenisten.

Nun waren bei der täglichen Versorgung der Witwen die Witwen der Hellenisten zu kurz gekommen. Die Hebräer hatten wohl vor allem ihre eigenen Bedürftigen im Blick.

Und die Apostel konnten sich nicht um alles kümmern, um Predigt und um Armenfürsorge.

Also wählten die Apostel sieben Männer „von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit“ (Apg 6,3). Die sollten sich um die Witwen der Hellenisten kümmern. Auffällig ist, dass alle diese sieben griechische Namen tragen, an erster Stelle Stephanos, zu Deutsch „Kranz“ oder „Krone“.

Und auffällig ist, dass von einer caritativen Tätigkeit des Stephanus gerade nicht die Rede ist, sondern dass er ein Wundertäter war und ein wortgewaltiger Prediger.

Und als solcher ist er wohl aufgefallen durch seine eher thorakritischen und tempelkritischen Predigten.

Stephanus geriet auch deswegen in Konflikt mit den jüdischen Autoritäten, vor allem mit den Mitgliedern des Hohen Rates, weil er nicht an der zentralen Stellung des jüdischen Gesetzes und des Tempels festhielt. Anders war es bei den Hebräern, die weiterhin zum Gebet in den Tempel gingen.

Gedungene Zeugen berichten bei einer Gerichtsverhandlung gegen Stephanus, er habe gesagt, dass Jesus den Tempel zerstören wollte und die jüdischen Gebräuche verändern.

„Dieser Mensch hört nicht auf, gegen diesen heiligen Ort und das Gesetz zu reden“ (Apg 6,13), so lautet die Anklage.

Stephanus antwortet mit einer langen Rede. Er verteidigt sich. Und vor allem: Er bekennt sich zu Christus als dem „Gerechten“ (Apg 7,52).

Danach blickt er nach oben in den Himmel, sieht Jesus und spricht: „Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,55).

Diese Identifikation mit Jesus erbittert die Mitglieder des Hohen Rates so sehr, dass sie Stephanus auf der Stelle packen, vor die Stadt schleifen und steinigen.

Stephanus aber legt sterbend seinen Geist in die Hand Jesu und betet für seine Henker: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ (Apg 7,60). Ähnlich hatte das Jesus am Kreuz getan. Stephanus war davon überzeugt: Wenn Christus das Heil für alle Menschen gebracht hat und für alle Menschen gestorben ist, dann auch für seine Henker.

Und mehr noch: Wenn Christus das Heil für alle Menschen ist, dann bedarf es auch nicht mehr des jüdischen Gesetzes mit seinen hunderten Vorschriften und Geboten. Und schon gar nicht bedarf es des Jerusalemer Tempels, um sich der Nähe Gottes sicher sein zu können.

Und deshalb darf sich schließlich die christliche Verkündigung nicht nur auf den jüdischen Kulturkreis beschränken: Jesus ist der Garant für die Liebe Gottes zu allen Menschen. Jesus ist der Garant für den offenen Himmel.

„Ich sehe den Himmel offen!“ War eines der letzten Worte des Stephanus, bevor er zu Tode gesteinigt wurde für seinen Glauben. Dieses Motiv vom offenen Himmel spricht mich sehr an.

Lassen Sie mich von ein paar Erfahrungen erzählen, die ich in den beiden Lockdown-Phasen der Corona-Pandemie gemacht habe, wo für mich der Himmel offen gestanden hat.

Auf den ersten Blick gar nichts Großartiges und nichts Besonderes, aber es waren Begebenheiten, die mir gezeigt haben, dass wir schon hier auf der Erde, in unserem alltäglichen Leben, Erfahrungen machen können, die uns eine größere Wirklichkeit ahnen lassen, die uns den Himmel zeigen und einen Gott spüren lassen, der uns Leben verheißt.

„Ich sehe den Himmel offen!“

In den beiden Lockdown-Phasen hatte und hat mein Fitnessstudio hier in Aachen geschlossen. Und so bin ich zwei, drei Mal die Woche in den Aachener Wald zum Joggen gefahren. Und beim Laufen durch die Natur bin ich auf Dinge aufmerksam geworden, die ich sonst gar nicht beachtet habe oder die mir sonst eher selbstverständlich erschienen waren. Ich habe das Grün der Bäume gerochen, ich habe Vögel zwitschern gehört, ja einmal habe ich sogar zwei Rehe ganz nahe gesehen. Wie froh bin ich, dass es diese Welt gibt! Und wie froh bin ich, an einen guten Gott zu glauben, der diese Schöpfung gewollt und gemacht hat, damit ich leben kann!

„Ich sehe den Himmel offen!“

Es war in der ersten Lockdown-Phase, als es Hamsterkäufe gab und das Toilettenpapier knapp wurde. Und ich stand zum dritten Mal in einer Woche im Supermarkt vor dem leeren Regal ohne Toilettenpapier.

Und obwohl ich wusste, dass die arme Verkäuferin an der Kasse nichts dafür konnte, war ich drauf und dran, sie anzupflaumen, warum es denn immer noch keine Nachlieferung gäbe.

Ich habe mich dann einigermaßen im Zaum gehalten, aber man hat mir meinen Ärger wohl doch angehört, als ich nachgefragt habe, wann es denn endlich neues Toilettenpapier gäbe.

Und sie, mit einem verschmitzten Lächeln: „Sie haben Glück! Eben habe ich einer Kundin, die zwei Pakete mitnehmen wollte, eines abgenommen!“

Und es ergab sich ein kurzes Gespräch über die Belastungen, die gerade Verkäuferinnen in dieser angespannten Lage tragen müssen. Und mit einem ehrlich gemeinten Dankeschön habe ich mich mit meinem Klopapier im Einkaufswagen verabschiedet.

„Ich sehe den Himmel offen!“

Normalerweise führt der Aachener Domchor in der Fastenzeit eine der großen Passionsmusiken von Johann Sebastian Bach auf. Der Besuch der Passionsmusik - das gehört für mich zur Fastenzeit einfach dazu. In diesem Frühjahr ging das Corona bedingt nicht - und so habe ich mir die Matthäuspassion von Bach zuhause auf CD angehört. Aber mir ist da deutlich geworden, warum mir die Musik so viel bedeutet: Jede große Kunst, sei es die Musik oder auch ein gutes Buch oder ein interessantes Bild, jede große Kunst verweist über diese Welt hinaus, zeigt, dass es etwas Größeres gibt als unsere kleine Welt mit ihrer Enge und Banalität.

Ein erfahrener Prediger hat einmal gesagt, dass Bach mit seinen Passionen wahrscheinlich mehr Menschen zum Glauben gebracht hat als er mit all seinen Predigten zusammen. Nach dem Hören der Musik von Bach kann ich nur sagen: Recht hat er!

„Ich sehe den Himmel offen!“

Es war beim Kondolenzbesuch bei einer Familie, deren Mutter an Covid-19 gestorben war. Die Angehörigen waren sehr traurig, gerade weil die Verstorbene mit 70 noch relativ jung war. Aber klar, sie hatte Vorerkrankungen und gehörte zur Risikogruppe. Noch schlimmer war allerdings für die Familie, dass kein Trauergottesdienst in der Kirche stattfinden konnte und dass nur Wenige auf den Friedhof durften. Aber ihnen war es wichtig, dass die Mutter kirchlich beerdigt wurde. „Klar sind wir traurig, dass Mutter gestorben ist. Aber sie hat immer daran geglaubt, dass sie nach ihrem Tod zu Gott in den Himmel kommt und dort auch ihren vor Jahren gestorbenen Mann wiedersehen würde. Und diese Hoffnung gibt auch uns Kraft, wenn wir uns unter so schwierigen Bedingungen von ihr verabschieden müssen.“ So ein Glaubenszeugnis hat mich tief beeindruckt.

„Ich sehe den Himmel offen!“

Der Blick des heiligen Stephanus über alles hier und jetzt hinaus hat ihn das Leben gekostet, weil er an einen Gott geglaubt hat, der den Menschen, allen Menschen, das Heil bringt.

Und genau das ist die Botschaft von Weihnachten.

Weihnachten ist keine Idylle, noch weniger als sonst in diesem Jahr, wo ein Virus uns einschränkt und uns sogar liebe Menschen wegnimmt.

Und dennoch wünsche ich Ihnen gerade am heutigen Stephanustag den Blick des Stephanus auf den geöffneten Himmel.

Und ich bin sicher, dass es auch in Ihrem Leben Erfahrungen gibt, die Ihren Blick weiten, über sich selbst und auch über diese oft so alltägliche und banale Welt hinaus.

Aus Aachen grüßt Sie Ihr Domvikar Peter Dückers.


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