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Kirche in WDR 5 | 25.01.2021 | 06:55 Uhr
Gang nach Canossa?
Wissen Sie was heute vor 944 Jahren passiert ist? König Heinrich IV. kommt auf der Burg Canossa an. Die liegt in Oberitalien. Das heißt, der König ist mitten im Winter über die Alpen gezogen. Und da andere Herrscher ihm einige Pässe gesperrt hatten, musste er auch noch einen größeren Umweg nehmen. Keine leichte Reise. Dort in der Burg wartet Papst Gregor VII. auf ihn. Der hatte Heinrich aus der Kirche rausgeworfen, exkommuniziert. Und ihm damit seine Macht genommen. Die Ursache des Streites zwischen König und Papst: Der König selber wollte Bischöfe und Kardinäle einsetzen. Es ging darum, wer der eigentliche Chef der Christenheit ist, König oder Papst.
Heinrich IV. soll drei Tage barfuß und im Büßergewand im Vorhof der Burg verbracht haben. Und er fleht um Erbarmen und Wiederaufnahme. Dann lässt der Papst den König rufen. Heinrich bereut sein Handeln und gelobt Besserung. Papst Gregor VII. nimmt ihn wieder auf.
Nein, sicherlich ging es Heinrich weniger um seine Zugehörigkeit zur Kirche. Es war einfach ein taktischer Schachzug, um an der Macht zu bleiben.
Trotzdem ist für mich diese Geschichte irgendwie faszinierend. Was nimmt ein Mensch auf sich, um zur Kirche zu gehören? Eine gefährliche, lange Wanderung im Winter über die Alpen. Tagelanges Warten und Flehen in einem Burghof. Und das alles als der größte weltliche Herrscher der damaligen Welt.
Heute ist kein Gang nach Canossa notwendig, wenn man wieder in die Kirche eintreten will.
Ganz allgemein kann man in jeder Kirchengemeinde wieder eintreten. Außerdem gibt es von der Evangelischen Kirche mehr als 150 "Kircheneintrittsstellen", eine weite Wanderung ist also nicht nötig.
Ein Büßerhemd kann man sich sparen, der Wiedereintritt geschieht durch ein Gespräch mit einer Pfarrerin oder einem Pfarrer einer Gemeinde. In diesem Gespräch werden sicherlich die Gründe für den Austritt zur Sprache kommen. Und die Gründe für den Wiedereintritt. Dabei bekommt man auch die Möglichkeit, über etwaige Probleme und Sorgen zu sprechen.
Der Wiedereintritt ist übrigens frei. Er kostet kein Geld, anders als der Austritt. Und eine vorher erfolgte Taufe muss nicht wiederholt werden.
Es gibt einige sehr bekannte Personen, die in die Kirche eingetreten sind. (1) Zum einen Manuela Schwesig, die derzeitige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Sie ließ sich 2010 taufen (2) und sagte: "Uns trägt der gemeinsame Glaube, dass es eine schützende Hand Gottes gibt!"
Und Hannelore Kraft, die ehemalige Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Sie ist als junge Frau aus der katholischen Kirche ausgetreten und später in die evangelische Kirche eingetreten. Ihr Statement dazu: "Über die Politik habe ich noch einmal gesehen, was Kirchen Gutes in der Gesellschaft tun. Dann war mir klar: Ich will da auch mitwirken."
Zwei gute Gründe um wieder in die Kirche einzutreten, oder um erst gar nicht auszutreten.
Das findet ihr Pastor Heddo Knieper aus Soest.
(1) https://www.ekd.de/wie-man-in-die-kirche-eintritt-15014.htm, letzter Aufruf am 18.12.2020.
(2) https://www.pro-medienmagazin.de/politik/2010/08/27/spd-ministerin-liess-sich-taufen/, letzter Aufruf 03.01.2021
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze