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Kirche in WDR 5 | 10.04.2021 | 07:55 Uhr
Hinterher
„Schade, dass man erst immer hinterher merkt, was man an jemandem hatte.“ Luis meint die Hündin Kira, die vor zwei Jahren gestorben ist. Noch haben sie keinen neuen Hund. Mama meint, das ist zu viel Verantwortung und sie hätten jetzt viel mehr Freiheit.
Manchmal merke ich erst, was ich an jemandem hatte, wenn ich ihn verloren habe.
Ist ja auch klar: Es gibt Streit, Konflikte, Unstimmigkeiten – in jeder Beziehung. In der Partnerschaft, unter Kolleginnen und Kollegen, unter Nachbarn, unter Freundinnen und Freunden – das ist menschlich. Nicht immer merke ich, wie viel mir ein Mensch bedeutet oder was er für die Gemeinschaft bedeutet. Wie unverwechselbar er oder sie ist.
Da muss es immer eine geben, die mutig ist und Finger immer in die Wunde legt mit ihrem Sinn für Gerechtigkeit. So bleibt keiner auf der Strecke. Ein anderer ist ruhig und besonnen. Für Abenteuer ist er aber eher nicht zu haben. Dafür schlichtet er jeden Konflikt. Eine andere stürzt sich geradezu auf alles Neue und zieht die anderen mit. So kommen sie gut voran.
Wie wichtig jede einzelne Person für die Gruppe ist, merken alle oft erst, wenn sie nicht mehr da ist. In jeder Gruppe gibt es verschiedene Rollen, die jemand in dieser Gruppe übernimmt und die wichtig sind für das Ganze.
„Schade, dass man immer erst hinterher merkt, was man an jemandem hatte.“
Die Jünger von Jesus haben vielleicht auch erst im Nachhinein erkannt, wie sie sich in allem auf ihn verlassen haben. Wie er ihr Taktgeber war für den Lebensweg. Sie kommen nach Jesu Tod erst einmal gar nicht aus dem Quark. Igeln sich furchtsam ein und bleiben im Haus, weil sie Angst haben, dass sie auch verhaftet und getötet werden könnten und ihnen ihr Taktgeber fehlt. Die Jüngerinnen dagegen sind aktiv. Sie folgen Jesus bis ans Kreuz und besuchen sein Grab, werden die ersten Zeuginnen der Auferstehung Jesu. Und zunächst sagen sie den Jüngern nichts davon.
Richtig wachgerüttelt werden die Jünger erst vom Geist Gottes. Der in sie fährt, sie aus ihrer Burg und Trauer heraus ins Freie holt und ihnen die Gabe gibt, so zu reden, dass Menschen aus allen Nationen sie verstehen. Sie wissen wieder, was zu tun ist.
Man könnte es vielleicht so sagen wie der Dichter Christian Friedrich Hebbel es einmal ausgedrückt hat: „Das Leben mit seinen verschiedenen Epochen ist eine Schatzkammer. Wir werden reich in jedem Gewölbe beschenkt; wie reich, das erkennen wir erst bei dem Eintritt in das nächste Gewölbe.“ (1)
Schade, dass man erst immer hinterher merkt, was man an jemandem hatte.
Schade, ja. Und auch so großartig.
Wenn ich das weiß, weiß ich ja gleichzeitig auch:
Schon jetzt gibt es vieles um mich herum, das es verdient wertgeschätzt zu
werden.
Und vielleicht kann ich es doch schon sehen?
Ich kann ja mal einen Moment darauf schauen:
Welche Rolle spielt jemand in meinem Leben?
Oder im Leben der Familie, im Freundeskreis, im Beruf?
Vielleicht erkenne ich ja doch schon jetzt, was ich an ihm, an ihr habe.
Und mir fällt es plötzlich leichter mit den für mich unangenehmen Seiten umzugehen.
Ich sehe vielleicht, was es fürs Ganze bedeutet. Nicht nur allein für mich.
Interessante Entdeckungen wünsche ich Ihnen.
(1) https://www.zitate.eu/autor/christian-friedrich-hebbel-zitate/3253
(zuletzt abgerufen am 30.03.2021, 10:00 Uhr)