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Kirche in WDR 5 | 26.07.2021 | 06:55 Uhr
Ode an die Dankbarkeit
Guten Morgen!
Dankbarkeit ist ein kostenloses Antidepressivum, sagt die amerikanische Theologin Nadia Bolz-Weber: Gott habe sie als Standardfunktion werksseitig im Menschen installiert, sagt sie.
Und so warte ich mit dem Danken nicht darauf, dass mein Leben gerade 1A verläuft oder jemand mit einem Geschenk vorbeikommt. Ich brauche keinen besonderen Grund. Ich danke einfach. Mitten am Tag. Im Urlaub am Meer oder beim Bügeln Zuhause. Wo ich gerade gehe oder sitze oder liege. Ich tue es einfach überall: Danken. Mit wachsendem Spaß. Beinahe süchtig.
Also
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Danke, Gott, für die Gänseblümchen, die sich auf dem Rasen hinterm
Haus zu einer kleinen Gruppe zusammengestellt haben. Ich danke dir auch sehr
für den Gärtner, der heute mit seinem Rasenmäher achtsam um sie drumherum
gefahren ist.
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Danke für die Nachbarin, die immer so entsetzlich laut
telefoniert, während sie gärtnert, weil unter ihren Händen der Garten zu einer
Oase für Vögel geworden ist.
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Danke für die Vögel, die sich fröhlich singend vor meinem Fenster niederlassen, genau da, wo ich sie gut sehen und mich an
ihnen freuen kann. Ich hab mal gelesen, dass ihr Tirilieren im eigentlichen
Sinne zwecklos ist. Es ist pure Freude. Danke, dass du hier gerade einen ganzen
Schwarm vorbeischickst. Du weißt, was ich brauche.
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Danke für das erste Stück Torte
nach den Wochen erzwungener Schonkost. Es hatte einen knusprigen Boden und eine
hauchdünne Schokoladenschicht obendrauf. Ich habe jeden einzelnen Bissen
genossen, Gott.
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Danke für meinen Körper, der sensibel reagiert, wenn etwas nicht
in Ordnung ist. Ok, ich hätte gerne meinen Bauch etwas dünner und meinen Rücken
etwas gerader. Aber ich komme immer noch mit meinem Bein über die
Fahrradstange.
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Danke auch für das Bild, das M. in Tansania geschossen hat und das
ich nun von meinem Schreibtisch aus angucke: Es zeigt eine strahlende Lehrerin,
die ihre Schülerinnen mit einer Trillerpfeife im Mund zum Tanzen verlockt. Soll
ich so leiten, Gott? Menschen zum Tanzen verlocken?!
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Danke für die Mitarbeiterin, die immer so herrlich vor sich hin
brummelt, wenn die Luft in der Dienstrunde wieder dick ist. Ich muss dann immer
lachen.
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Danke Gott, dass die Bahn heute pünktlich war. Du wolltest
vermutlich nicht, dass ich schon wieder einen blöden Witz über sie mache.
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Danke für die nette E-Mail von ‚Du-weißt-schon’, ich habe gar
nicht mit ihr gerechnet, schon gar nicht von ihm. Wolltest Du mal wieder meine
Vorurteile aufmischen, Gott?
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Danke für den freundlichen Herrn mit den speckigen Haaren, der
jeden Tag an meinem Haus vorbeigeht und seit der Vesperkirche nie nur „Hallo“
sagt, sondern immer auch meinen Vornamen nennt: „Hallo Christel“. Er weiß
vermutlich gar nicht, wie heimisch er mich hier macht.
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Danke für die kleinen SMS von den Menschen, die ich so liebhabe.
Wie machst Du das, Gott, dass wir überhaupt nicht an uns selbst denken, wenn
wir lieben?
Danke, Gott, dass du uns mit der Fähigkeit zum Danken geschaffen hast. Nadia Bolz-Weber sagt: Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie elend und nervtötend wir ohne das Danken wären. Ich finde, sie hat Recht.
Wofür sind Sie dankbar?
Es grüßt Sie, Pfarrerin Christel Weber aus Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze