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Kirche in WDR 5 | 06.09.2021 | 06:55 Uhr
Wenn alles zusammenkommt
Guten Morgen,
ich betrete die Bäckerei, nur
eine Kundin ist vor mir. Kaum bin ich drin, folgen drei weitere und zwei stehen
noch draußen. Die Verkäuferin ist alleine und versucht Ruhe zu bewahren.
Während sie eifrig Brötchen mit Wurst und Käse belegt, lässt sie dann doch
raus: „Bis vor einer halben Stunde waren wir zu zweit hier und kaum einer ist
gekommen. Jetzt bin ich alleine und der Laden ist voll.“ „Immer mit der Ruhe“,
sage ich und: „Das kenne ich auch“. In der Tat kommt manchmal alles auf einmal
und die Wogen schlagen über einem zusammen: Im Büro jagt ein Termin den
anderen, das Auto ist kaputt, die Katze muss zum Tierarzt und der Sohn kommt
mit einem Bänderriss vom Sport nach Hause.
Ein Unglück kommt selten allein,
sagt man. Und das erleben wir grade. Kaum lässt uns das Virus etwas durchatmen wegen
der niedrigen Inzidenzen, kaum genießen wir ein paar Freiheiten, fahren in den Urlaub,
da kommt das Hochwasser. Wie ist das zu verkraften, vor allem für diejenigen,
die durch Corona oder die Flut jemanden verloren haben, für die, die unter
Corona schwer zu leiden hatten, vielleicht selbst erkrankt sind und für die,
die durch die Überschwemmungen um ihr Haus und all ihr Hab und Gut gebracht worden
sind. Und dann noch die Explosion in Leverkusen. Und all das in einer Ecke
Deutschlands. Selbst die, die unter Corona und dem Hochwasser persönlich nicht
so sehr gelitten haben, schütteln mit dem Kopf und stehen fassungslos davor.
Mein Gefühl ist, es zieht uns allen gerade so richtig den Boden unter den Füßen weg. Wer hätte das denn gedacht, dass solche Katastrophen, die wir sonst aus den Nachrichten aus aller Welt kennen, uns in unserem hochtechnisierten Land mit solcher Gewalt treffen? Eine nach der anderen? „Ich habe mich so sicher gefühlt, doch dieses Grundvertrauen, dass uns doch hier nichts passieren kann, ist erschüttert,“ höre ich immer wieder. Im Grunde wiegen wir uns in falscher, nur vermeintlicher Sicherheit.
„Siehe, Gott meine Tage sind eine Handbreit bei
dir und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen,
die doch so sicher leben.“ (Die Bibel, Psalm 39,6)
So heißt es in einem alten Gebet in der Bibel. Es drückt genau das aus, was vielen jetzt plötzlich bewusst wird. Wie schnell erleben wir, wie zerbrechlich auch unser Leben hier in diesem Teil der Erde ist. In solchen Zeiten spüre ich, wie verletzlich ich bin. Und wie schnell es vorbei sein kann mit allem, was ich mir aufgebaut und zurechtgelegt habe und was im Alltag so selbstverständlich ist. Was für ein Wink mit dem Zaunpfahl, sein Leben nicht abhängig von dem zu machen, was für uns hohe Güter sind. Von der Gesundheit, von den eigenen vier Wänden. Sich bewusst zu sein, dass alles vergänglich ist. Das kann man nicht jeden Tag, sonst wird man seines Lebens nicht mehr froh. Es ist eher ein Grundgefühl, eine Haltung. Ja, mit solchen tragischen Ereignissen umgehen, die plötzlich geballt auf einen zukommen, kann nicht jeder. Wenn immer noch ein Schippchen draufkommt auf eine Lage, die man schon kaum mehr aushält. Also wie da durchkommen? In dem Gebet der Bibel schreit der Beter seine Not heraus „Und nun, was habe ich zu hoffen, Gott? Meine Hoffnung setze ich ganz auf dich.“ (Psalm 39,8). Und dann gibt sich der Beter selbst die Antwort: „Ich hoffe auf dich, Gott! Errette du mich, wende deine Plage von mir. Ich vergehe. Höre mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien, schweige nicht zu meinen Tränen.“ (Psalm 39,11.13) An die eigenen Grenzen stoßen und in dem Moment alles an Gott abgeben können – wie gut ist das. Zu wissen, einer ist da, der das aushält, mit und für mich aushält. Dem nichts zu viel wird und der mich trägt, bis ich selbst wieder festen Boden unter den Füßen habe.
Ihre Pfarrerin Barbara Schwahn, Meerbusch.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze