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Kirche in WDR 5 | 29.09.2021 | 06:55 Uhr

Ohnmacht aushalten

Guten Morgen und herzlich willkommen!

Manche bekommen ja gleich ein schlechtes Gewissen, wenn sie die Polizei im Rückspiegel sehen. Aber die Polizei kümmert sich echt um vieles Ich kann da einiges von erzählen, weil ich seit ein paar Jahren als Polizeiseelsorger tätig bin. Die Polizei kümmert sich zum Beispiel um vermisste Kinder. Dass Kinder von Zuhause weglaufen, kommt ja immer wieder mal vor. Eltern rufen dann in ihrer Not die Polizei an. Und die sucht oft mit großem Aufwand das vermisste Kind. Gott sei Dank werden Kinder in der Regel gefunden und zurückgebracht. Dann sind alle erleichtert: Die Polizei hat den Einsatz erfolgreich beendet. Aber viel wichtiger: Eltern und Kind fallen sich glücklich in die Arme. Oft fließen dabei auch Tränen. Tränen der Freude.

Nicht so in folgendem Fall; da liefen auch Tränen, aber aus anderem Grund. Was war passiert? Die Polizei findet ein vermisst gemeldetes Kind und bringt es nach Hause. Die Beamtin und ihr Kollege betreten mit dem Kind die Wohnung der Familie, aber das Kind läuft nicht, wie erwartet, mit ausgebreiteten Armen zu den Eltern. Nein, es klammert sich am Bein der Polizistin fest und weint. Es will nicht zu seinen Eltern. Die Beamtin versucht natürlich, dem Kind gut zuzureden: „Guck mal, du bist wieder zuhause, da sind deine Mama und dein Papa. Geh zur Mama, die freut sich!“ Es hilft nichts. Letztlich muss die Beamtin die kleinen Arme des Kindes mit Gewalt von ihrem Bein lösen. Und zurück bleibt ein weinendes, verzweifeltes Kind bei seinen Eltern.

Die betroffenen Beamten hatten mir davon bei einer Fortbildung erzählt. Ich hatte die Frage gestellt: „Welcher Einsatz hat euch bisher am meisten belastet?“ Und dann erzählten sie dieses Erlebnis. Sie sagten: „Am schlimmsten war diese Hilflosigkeit, diese Ohnmacht. Wir konnten nichts für das Kind tun, hatten keine Möglichkeit, es wieder mitzunehmen.“ Ich musste schlucken, denn ich konnte mich gut in ihre Lage hineinversetzen: Nichts tun können, das ist so schwer auszuhalten. Ich höre das immer wieder von Polizeikräften: das Gefühl, machtlos zu sein, ist extrem belastend. Und das erleben auch andere professionelle Helfer und Helferinnen: Feuerwehr, Rettungsdienst, Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte. Gerade diejenigen, deren Beruf das Helfen ist, müssen das immer wieder aushalten: Ich kann nichts tun. Sie müssen hilflos zusehen, wie Menschen leiden oder sogar sterben.

Als Seelsorger rede ich mit Einsatzkräften über solche Situationen. Dabei muss ich mich in der Regel innerlich distanzieren, denn sonst könnte ich nicht helfen. Das gehört zur professionellen Hilfe dazu: nicht mit den Sterbenden mitzusterben, nicht mit den Leidenden mitzuleiden. Aber trotzdem: Wenn mir jemand von Hilflosigkeit und Ohnmacht erzählt, werde ich selbst kribbelig. Weil es mich an meine eigene Ohnmacht erinnert. Weil ich es nicht gut ertrage, ausgeliefert und hilflos zu sein. Denn das heißt ja im Klartext: Ich bin mit meinem Latein am Ende.

Auch wenn jetzt es ein bisschen einfach oder naiv klingt: ich kann meine Ohnmacht nur aushalten, weil mein Glaube mich hält. Damit meine ich nicht: Gott macht irgendwann alles gut. Nein! Vieles wird eben nicht wieder gut. Manche seelischen oder körperlichen Wunden schmerzen ein Leben lang.

Ich glaube aber, dass Gott mit mir zusammen meine Ohnmacht erträgt und aushält. Und dass er auch bei den Menschen bleibt, denen nicht geholfen werden kann, bei denen es nicht wieder gut wird.

Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Selbst das, was nicht gut ist auf der Welt, ist bei Gott gut aufgehoben.

Mit diesem Vertrauen gehe ich in den Tag, nicht nur wenn ich mit Leid konfrontiert werde.

Es grüßt Sie Pastoralreferent Martin Dautzenberg aus Hattingen.

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