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Kirche in WDR 5 | 30.11.2021 | 06:55 Uhr
Was Menschen brauchen!
Guten Morgen,
ein König hat zwei Söhne. Als er alt wird, will er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelt die Weisen seines Landes und ruft seine Söhne herbei. Jedem der beiden gibt er fünf Silberstücke und sagt: „Füllt bis zum Abend für dieses Geld die große Schloss-Halle. Womit – das ist eure Sache.“ Der Ältere geht davon und kommt an einem Feld vorbei. Dort sind die Arbeiter dabei, Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepresste Zuckerrohr liegt nutzlos herum. Er denkt: „Das ist eine günstige Gelegenheit. Ich fülle die Halle einfach mit diesem nutzlosen Zeug.“ Bis zum Nachmittag ist es geschafft. Der ältere Sohn geht zum Vater und sagt: „Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du gar nicht zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger.“ Der Vater antwortet: „Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten.“ Bald darauf kommt auch der jüngere Sohn. Er bittet darum, das Zuckerrohr wieder aus der Halle im Schloss zu entfernen. Nachdem das geschehen ist, stellt er mitten in die Halle eine Kerze und zündet sie an. Ihr Schein füllt die Halle bis in den letzten Winkel. Der Vater sagt: „Du sollst mein Nachfolger sein. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast die ganze Halle mit Licht gefüllt. Das ist es, was Menschen brauchen.“
Ja, genau das brauche ich: Licht und Helligkeit im Alltag und damit in meinem Leben. Das tut einfach gut in dieser dunklen Jahreszeit des Übergangs von November und Dezember. Ich vermute: In jedem Leben gibt es manches Dunkle und Erschreckende, worüber man sich sorgt oder was einen belastet. Viele sind sehr verzweifelt oder haben Angst um ihr Leben. Rund eine Milliarde Menschen auf der Welt haben nicht genug zu essen und zu trinken. Jeden Tag sterben Zehntausende, weil sie unterernährt sind. Und hier bei uns? Ich beobachte viele um mich herum, die einen enormen Aufwand betreiben, um fit, gesund und schön zu sein und möglichst lange zu leben. Sie meditieren, pilgern, fasten, spenden, tun gute Werke, um dadurch bessere Menschen zu werden. Und sicher auch, um mehr Licht in den Dunkelheiten unserer Tage zu verbreiten. Doch wie schnell komme ich an meine Grenze. Und merke: Da habe ich statt Licht in meine „Lebenshalle“ zu bringen, sie nur mit nutzlosem Stroh gefüllt. So wie der ältere Sohn des Königs in der Geschichte. Was brauche ich wirklich? Ja, ganz sicher brauche ich wie jeder Mensch Liebe, Anerkennung und Wertschätzung. Jemanden, der mir zuhört, dem ich wichtig bin, mit dem ich mein Glück, meine Traurigkeit, meine Sehnsucht und meine Lebenswünsche teilen darf. Und mir persönlich ist es ebenso ganz wichtig, dass ich mit anderen meine Werte, meinen Glauben an Jesus Christus teilen kann. Ich brauche das Gefühl, dass ich mit ihnen von und über Gott sprechen kann und im gemeinsamen Gebet an ihn verbunden bin. Das berührt meine Seele und schenkt mir Licht in der Dunkelheit. Das wünsche ich auch Ihnen für den heutigen Tag.
Prädikant Werner Brück aus Remscheid.
Quelle:
Nach:
Ludger Hohn-Morisch (Hrsg.), Für jeden Tag ein Stück vom Glück, Herder,
Freiburg im Breisgau, 2004, S. 368.
https://www.welthungerhilfe.de/hunger/welthunger-index/ (letzter Abruf 26.10.2021)
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze