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Kirche in WDR 5 | 22.03.2022 | 06:55 Uhr
Der Rabbi und die Fußballerinnen
Guten Morgen!
Mein Morgen beginnt meist so: Ich hole Tageszeitung aus dem Briefkasten und werfe den Sportteil gleich weg. Es geht fast immer nur um Fußball. Und das ist nicht meine Welt, auch wenn ich aus dem Ruhrgebiet komme.
Aber eine Fußballnachricht des vergangenen Jahres hat mich doch erreicht, vermutlich stand sie nicht mal im Sportteil. Die Geschichte einer Fußballmannschaft, die mich tief berührt hat. Dabei geht es um die afghanische Fußballnationalmannschaft der Frauen und um einen strenggläubigen orthodoxen Juden aus Brooklyn, New York. Und eigentlich geht es gar nicht um Fußball, sondern um zwei Welten, die kaum weiter entfernt voneinander sein könnten. Afghanische Sportlerinnen auf der einen Seite und der Rabbi einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde aus den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite.
In der Familie
des Rabbis wird kein Fußball geguckt. Und seine Töchter dürfen auch nicht
Fußball spielen. Es gibt eigentlich keine Berührungspunkte mit den
Fußballspielenden Frauen. Und umgekehrt auch nicht.
Bis sich Rabbi Moshe Margaretten ein Herz fasste und etwas wirklich Großes ins
Rollen brachte.
Unmittelbar vor der Machtübernahme der Taliban wollte Rabbi Margaretten mit Unterstützung der Gemeinde in Brooklyn einen der letzten Juden aus Kabul herausholen, einen alten Mann. Aber dann kam alles anders, weil dieser Mann Kabul nicht verlassen wollte.
Was sollte der Rabbi in Brooklyn tun? Es gab einen guten Kontakt nach Kabul. Es gab bereits Geld, um zu helfen. Und die Not war groß in Afghanistan, um die Zeit der Machtübernahme durch die Taliban.
Und da kamen die Fußballerinnen ins Spiel. Rabbi Margaretten erfuhr, dass sie aufgrund ihrer Bekanntheit im Land in großer Gefahr waren. Einige verbrannten ihre gesamten Fußballsachen aus Angst vor Entdeckung. Dabei ging es nicht um die Angst, vielleicht nie wieder Fußball spielen zu können. Sie hatten Angst um ihr Leben.
In den Augen der neuen Machthaber sind die Fußballerinnen damit allesamt schlechte Vorbilder, weil sie für Freiheiten einstanden, die die Taliban allen Frauen in Afghanistan vorenthalten wollen. Darum waren und sind die Frauen in akuter Gefahr.
Die jüdische Gemeinde in Brooklyn erhielt über einen Mittelsmann die Nachricht von der verzweifelten Lage der Fußballerinnen. Und der orthodoxe Rabbi fasste sich ein Herz. Es wurde noch mehr Geld gesammelt für die Rettung der gesamten Mannschaft. Insgesamt organisierte die Gemeinde zwei Flüge, mit denen die Spielerinnen samt ihren Angehörigen ausfliegen konnten - nach Australien und London. Insgesamt über 100 Menschen, die nun in Sicherheit sind.
Eine unfassbare Geschichte über vier Kontinente und über zwei Welten, die scheinbar so gar nichts miteinander zu tun haben. Aber Gott hat das Herz eines Menschen bewegt, anderen Menschen zu helfen. Menschen in Not, die nun in Sicherheit leben können, weil ein Mensch Courage bewiesen hat.
Diese Weitherzigkeit und diesen Mut wünsche ich mir und Ihnen. Sie wirken Wunder – Tag für Tag.
Ihr Pastor Heinz-Bernd Meurer aus Velbert.
Quellen:
„Die Zeit“, Nr. 53 vom 22.12.2021, Zeitmagazin, „Flug in
die Freiheit“ von Ilka Piepgras, S. 26f.
https://www.stern.de/sport/fussball/dramatische-flucht-der-afghanischen-fussballerinnen---die-trophaee-ist-es--zum-flughafen-zu-gelangen--30695152.html
(letzter Abruf 19.02.22)
https://www.deutschlandfunk.de/flucht-aus-afghanistan-nationalspielerinnen-erhalten-asyl-100.html
(letzter Abruf 19.02.22)
https://www.mena-watch.com/ultraorthodoxe-new-yorker-juden-retten-die-afghanische-frauenfussballmannschaft/
(letzter Abruf 19.02.22)
https://rp-online.de/sport/fussball/international/ein-rabbi-und-kim-kardashian-retten-afghanische-fussballerinnen_aid-64813775 (letzter
Abruf 19.02.22)
https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/kabuls-nationalteam-gerettet/ (letzter
Abruf 19.02.22)
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze