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Kirche in WDR 5 | 18.03.2014 | 06:55 Uhr
Sei du selbst!
Liebe Lina,
danke für Deine Email. Ich freue mich, mal wieder von Dir zu lesen. Puuuh, Du stellst schwere Fragen: Wie kannst Du Du bleiben, wenn Du doch gar nicht weißt, wer Du bist? Das ist wirklich eine schwere Frage: Wer bin ich eigentlich?
Ich kenne diese Frage auch in Bezug auf mich selbst. Damals, als ich wie Du jetzt bei meinen Eltern ausgezogen bin, wurden scheinbar alle Karten neu gemischt. Die Stadt, in der ich nun studierte, war eine andere. Die Leute, mit denen ich jetzt zu tun hatte, waren andere. Menschen, die mir bisher Sicherheit und Wärme gegeben hatten, waren nicht mehr da.
Es gibt Forschungsergebnisse zum Thema "Stress". Und da werden ein Ortswechsel und ein Berufswechsel als ziemliche Stressoren beschrieben. Also, ich jedenfalls war damals auch reichlich gestresst. Verunsichert. Fühlte mich klein und überfordert.
Aber, so habe ich mir damals mit der Zeit klar gemacht, ich selbst war ja noch da. Und ich war immer noch ich. Nur die äußeren Umstände hatten sich verändert. Nun kam es für mich darauf an, dass ich zu mir selber stand - mit allem, was ich bisher schon gewesen war.
Und darum geht es nun auch für Dich: Dass Du zu Dir stehst. Denn Du, Lina, bist immer noch Lina - und keine andere. Du bist die Lina, die mal ganz klein gewesen ist. Und die Lina, die eines Tages in den Kindergarten ging und später dann zur Grundschule und schließlich zum Gymnasium. Das, was Du einmal gewesen bist, das steckt immer noch in Dir. Und weil Gott bei Dir gewesen ist und zu Dir gestanden hat, als Du ganz klein warst, und später dann, als Du herangewachsen bist, erst ein Mädchen und dann eine junge Frau - ...
Weil Gott immer bei Dir gewesen ist und immer zu Dir gestanden hat, auch wenn es mal nicht so rosig gelaufen ist, deshalb konntest und kannst Du zu dir selbst stehen. Und Gott ist weiterhin gerne bei Dir und steht zu Dir.
Für Mama und mich ist es auch nicht immer ganz leicht, Dich nun nicht mehr bei uns zu haben, Dich loslassen zu müssen, Dir nicht jeden Tag unsere Wärme und unseren Rat geben zu können.
Oh man, wenn ich mir das vorstelle: Mama und ich als Babysitter an Deiner Seite im Studentenwohnheim. Wie peinlich ist das denn...
Mama und mir hilft beim Loslassen die Erinnerung daran, dass Du ja vor 18 Jahren getauft worden bist. Da haben wir Dich Gott anbefohlen. Dass Gott auf die Acht geben möge - auf allen Deinen Wegen. Und wie oft mussten wir Dich schon los lassen - als Du in die Kindergruppe "Sauseschritt" gegangen bist, als Du das erste Mal mit dem Fahrrad gefahren bist, als Du - ach Du weißt es ja alles selbst.
Im Vertrauen auf Gott - da ging das ganz gut. Und nun vertrauen wir ganz fest darauf, dass Gott natürlich auch jetzt im Studium gut auf Dich aufpasst - viel besser, als wie wir das je könnten.
Also, liebe Lina, sei einfach die, die Du schon immer warst! Gott hat Dich als unverwechselbare Persönlichkeit geschaffen und er steht immer zu Dir. Darauf kannst Du aufbauen.
Ich habe übrigens von vielen Leuten gehört, aber auch von berühmten Menschen gelesen, die genau das als ihre Kraftquelle angegeben haben: Der zu werden, der man schon als Kind gewesen ist. Die zu werden, die man schon als Kind gewesen ist.
Bleib fröhlich!
Dein Vater
Liebe Hörerin, lieber Hörer, auch Ihnen wünsche ich: Möge es Ihnen im Vertrauen auf Gott heute gut gelingen, zu sich selbst zu stehen.
Ihr Pastor Reinhard Ellsel aus Lübbecke.